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Alt 17.03.2017, 17:12   #2
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi Bobo!

Wenn das deine ersten Versuche in Sachen Lyrik sind, dann erkenne ich durchaus großes Potential in dir. Ich weiß allerdings nicht, wie alt du bist. Einige eher flapsige Ausdrücke lassen mich ein eher jüngeres Alter vermuten.

Du pflegst eine "erhabene" lyrische Sprache, wie ich sie schätze, bringst aber noch so manche Ausdrücke und Phrasen ein, die eher unlyrisch klingen oder gemeinsprachlich. Das konterkariert den ansonsten edlen Anspruch und macht ihn zum Teil zunichte (zB "aufm" - das geht mal gar nicht in gehobener Sprachhabung!). Das ist aber reine Übungssache, ein Ohr dafür zu entwickeln, was sich "gut anhört" und was eher nicht.

Bei Gedichten sollte man sich für eine Art entscheiden und dabei bleiben. Das schafft Takt und Struktur. Was man bedenken sollte:

Auftakt: Er kann betont sein (Betonung auf erster Silbe) oder unbetont (Betonung auf zweiter Silbe). Einmal gewählt, sollte man meistens bei einer Form bleiben.

Silben-/ Heberzahl: Manche zählen exakt die Silben, manche nur die betonten Silben (Heber). Zumindest bei gleicher Heberzahl pro Zeile sollte man in ein- und demselben Gedicht bleiben, oder zumindest rhythmisch wechseln.
Das häufigste Hebungsschema ist: XxXxXxXx oder xXxXxXxX oder XxXxXxX oder xXxXxXxXx, je nachdem, ob mit betontem oder unbetontem Auftakt oder männlichen oder weiblichen Kadenzen. Die Zahl der Heber pro Zeile bestimmst du, außer die Form, die du wählst, schreibt etwas anderes vor, zB klassische deutsche Sonette, die haben fünfhebige Zeilen mit unbetontem Auftakt und weiblichen Kadenzen (xXxXxXxXxXx) in 2 Quartetten mit umarmenden und sich wiederholenden Reimen und zwei Terzetten mit maximal 3 Reimen. Die genaueren Regeln erspare ich dir an dieser Stelle ..
Dann gibt es natürlich noch andere Formen, deren Fachausdrücke ich dir erspare, zB: XxxXxxXxxXxxX oder xXxxXxxXxxXx usw...

Kadenz: Das Zeilenende, die letzte Silbe des Verses (= Reimzeile). Es kann betont sein (= männliche Kadenz) oder unbetont (= weibliche Kadenz). Auch hier sollte man bei einer Form bleiben, oder zumindest rhythmisch wechseln.

Reimschema: Frei wählbar, aber man sollte bei dem einmal gewählten Schema bleiben - oder wiederum nur rhythmisch wechseln. Beliebt sind ABAB (Kreuzreim), AABB (Paar- oder Stabreim), ABBA (umarmender Reim, zB in Sonetten). Man kann aber auch spielen: ABACBC oder ABA BCB CAC usw...


Natürlich kannst du auch reiner "Bauchdichter" bleiben, nur nach Gefühl schreiben und reimen. Das ist immer nur deine Entscheidung.

Falschbetonungen solltest du vermeiden, wie zB in "Frühlingserwachen" S1Z4 (=Strophe 1, Zeile 4): Dein Auftakt ist hier unbetont, die Heber verteilen sich somit so:

den wird der Imker schnell ausbrüten.

Das Wort "ausbrüten" will aber auf der ersten Silbe betont sein: "ausbrüten". Alles andere klingt verzerrt und unnatürlich.


Für einen reinen Reim müssen die Buchstaben bis einen Konsonant VOR dem letzten Vokal übereinstimmen: "Pöbel/Vögel" ist daher unrein, da du für einen reinen Reim auf "Pöbel" ein Wort finden müsstest, das ebenfalls auf "-bel" endet, zB "Möbel".


Wie gesagt, das sind die "Basics". Lernen sich rasch, sind aber keine Pflicht, wenn man nicht möchte. Es ist meist nur so, dass Gedichte mit klarer Struktur und nachvollziehbarem gleichbleibendem Rhythmus insgesamt einfach leichter lesbar sind und besser wirken. Es gibt den Spruch: "Echt Lyrik kann man singen!" Das will besagen, dass die Sprachführung getragen und melodisch sein sollte, möglichst ohne harte Obstruktionen durch Massierungen von Verschluss- oder Zischlauten oder zu viele "schrille" Vokale wie "i".

Gern gelesen!

LG, eKy
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Geändert von Erich Kykal (17.03.2017 um 17:22 Uhr)
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