Thema: Mein Sohn
Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 25.02.2017, 16:54   #4
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi Fridolin!

Lieb von dir, meinen Ansichten so viel Raum zu verleihen, dass du bereit warst, den Text zu bearbeiten, aber das hilft leider in diesem Fall nicht.

Es war nicht nur der Name der Insel, sondern auch inhaltlich passt das ganze Ende für mich einfach nicht zur zuvor generierten Stimmung, und die Conclusio hängt ebenso seltsam in der Luft wie nun die "Freundin Kati" ohne dein zuvor verwendetes Wortspiel mit "Kiribati".

Bei so lyrisch-bombastisch in Szene gesetzten sinistren Bildern wie in S1 und 2 (ich war wirklich erstaunt, dass solche lyrische Qualität dir MIT Schüttelreimen gelingen konnte - ein weiterer Beweis für dein großes allgemeines lyrisches Talent!) erwartet man - einfach etwas Größeres, und Palmeninseln, auf Almen geschwungene Pinsel oder Freundinnen namens "Biri Kati" gehören nun mal NICHT dazu. Aber wie gesagt - MEIN Eindruck, das will nichts besagen.

Daran erkennt man deutlich die starke selbstauferlegte Beschränkung deiner lyrischen Kunst durch die Schüttelreime (so empfinde ich es mitunter). Irgendwann geht es einfach nicht so weiter wie für ein inhaltlich wie sprachqualitativ homogenes Werk nötig wäre, weil die Sprache einfach nicht mehr die nötigen Schüttelreime hergibt! Dann MUSS man irgendwohin abbiegen, und zuweilen ist das Ergebnis dann eben - unbefriedigend.

Ich denke, ich habe dir schon vor Jahren gesagt, dass ich persönlich glaubte, dass du ohne die Schüttelreimitis ein größerer Dichter hättest sein können als du dir selbst damals zutrautest. Ich glaube es IMMER noch. Das mag daran liegen, dass ich der schönen Sprache einen anderen, dauerhafteren lyrischen Wert beimesse - das mag ungerecht sein, ist aber so.

Mit Schüttelreimen - so meine Sicht - hast du die kurzlebigen "Ah"s und "Oh"s des Publikums - ähnlich wie es einem Jongleur applaudiert, in deinem Fall einem Jongleur der Worte - aber als "literarisch wertige Kunst", die langlebig überliefert werden mag (oder auch nicht), kann ich Almenpinsel und Konsorten nur schwerlich betrachten, sei mir bitte nicht barsch! Hingegen wird der Dichter, der mit Talent für Sprachhabung und passend gewobenen Worten tiefe menschliche Wahrheiten unterbreitet, anders gesehen, und so wie sich ein Bälle werfender Zirkusartist von einem Van Gogh oder einem Michelangelo unterscheidet, so unterscheidet sich der Schüttelreim von der wahren Poesie.

Ich weiß, es ist grausam, das so in den Raum zu werfen, und es ist - wie gesagt - nur meine ganz persönliche Meinung zur Materie, ohne Anspruch auf allgemeine Richtigkeit (und deine beiden ersten Strophen widerlegen mich ja sogar schon - aber wie oft mag dir so etwas mit besagter literarischer Einschränkung gelingen?). Umso grausamer, als du zurecht stolz sein kannst auf viele deiner Schöpfungen, an die ich, versuchte ich es ernsthaft, nicht mal annähernd heranreichte! Es ist dein ganz besonderes Talent, und es steht mir, der ich viele deiner schüttelgereimten Werke sehr genossen habe - umso schlechter an, dir so etwas zu schreiben - aber ich hab nun mal diese soziopathische Ehrlichkeit an mir, die einfach heraus will, auch wenn sie sich der möglichen Konsequenzen bewusst ist!

Sei mir böse oder auch nicht, ich kann nicht anders als die Wahrheit sagen - zumindest MEINE Wahrheit in diesem Fall. Vielleicht widerlegt mich die Zeit, und in hundert Jahren wird jeder, der sich noch für Dichtkunst interessiert, deinen Namen kennen, während meine Werke wie die von hundert anderen hinlänglich Begabten dieser Epoche einfach in der Versenkung der Geschichte verschwinden. (Manchmal frage ich mich, WER wohl berühmt geworden wäre, hätte es einen Goethe nicht gegeben - oder einen Leonardo da Vinci - der, wie man heute weiß, viele Ideen einfach bei weniger geläufigen Zeitgenossen oder Vorgängern "geklaut" und bloß erweitert oder schöner gezeichnet hat, ansonsten meist nur Theoretiker blieb und nur den geringsten Prozentsatz seiner begonnenen Werke je wirklich zu Ende führte - also bei weitem nicht so genial und visionär war, wie heute landläufig behauptet wird - SO "ungerecht", je nach durch sie Behandeltem, ist nun mal der Zufall der Geschichtsschreibung!). Letztlich spielt es keine Rolle - wir sind alle nur Staub und Asche ...

Jedenfalls werde ich deine Schüttler weiterhin lesen und kommentieren und ihnen die Achtung zukommen lassen, die ich dafür empfinde, auch wenn ich die meisten davon nicht für "große" Kunst im engeren Sinne zu halten vermag. Ich hoffe, du kannst damit leben. Mit allem. Hoffe es sehr.

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (25.02.2017 um 17:21 Uhr)
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten