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Walther 12.02.2012 20:30

Geister gerufen
 
Geister gerufen


Als mich die letzten Zweifel leise plagten,
Da stellte ich mein Trommelfell auf taub.
Ich wünsche mir nur Ruhe, mit Verlaub,
Beschied ich das Gewissen. Ungefragten
Gedanken wies ich – schlecht gelaunt – die Tür.
Den Schlaf, den immer wieder gern geraubten,
Ihn hieß ich gleich dem Albtraum auch enthaupten.
Mein hartes Herz war das Geschenk dafür.

Entferne dich, verschwinde, liebes Wort,
Sonst fahre ich dir jetzt an Deine Kehle!
Gefühllos sein in Handeln und Gebärden:
Enthebe dich und mach dich von mir fort,
Beschwere mir nicht länger meine Seele,
Lass mich erstarren, schmerzlos stählern werden!

Chavali 13.02.2012 09:53

Lieber Walther,


die kompakte Form mit zweimal umarmenden Reimen abba und cddc in ersten Abschnitt
und dem versetzten Kreuzreim im zweiten Abschnitt abc-abc gefällt mir sehr gut.
Das erzeugt eine intensive Lesart.

Interessanterweise wird in Abschnitt 1 eine Situation geschildert, die dann in Abschnitt 2
noch gesteigert wird durch die imaginäre Aufforderung an sich selber, kein Gefühl mehr zuzulassen.

Der Protagonist muss sehr verletzt worden sein, dass er sich in eine harte Schale hüllt.

Den Titel Geister gerufen empfinde ich als doppeldeutig:
Die Geister, die man rief wieder loszuwerden - oder Geister zu rufen, die einem helfen,
seine Gefühle zu verbergen.

Gern gelesen!

Lieben Gruß, Chavali



Dana 13.02.2012 20:34

Lieber Walther,

ich darf mal umgekehrt interpretieren:

Da hat jemand die Geister gerufen, weil er/sie sich selbst nicht mehr zu helfen wusste, nicht liebend, nicht umarmend.
Es wird nicht Ruhe, sondern Starre gewählt, um jede Emotion des Gegenüber abzuwehren - sogar mit der Fähigkeit, Albträume zu köpfen.

Ich kann darin ein böses, stählernes lyr. Ich sehen, dass sich von der Last der Liebe und des Mitgefühls aus egoistischen Gründen befreit hat. Es hat gesehen, dass Liebe Geben bedeutet, dass Mitgefühl Aktivitäten für den anderen abfordert und es hat zu "seinem Wohle" entschieden.

Die Geister sollte man eben nie rufen - sie bringen selten menschlich begreifendes Gutes.;)

Sprachlich und lyrisch in von dir gewohnter gut umgestzter Sprache, die Aussage hat und Gedicht ist.

Liebe Grüße
Dana

Walther 14.02.2012 19:53

Lb. Falderwald, lb. Dana,

in der Tat ist dieser Text eine Philippika gegen die Gefühlskälte und die Mechanisierung der Macht. Mitgefühl ist irgendwie "out", eiskaltes Funktionieren "in".

Auch das ist wieder ein Sonett nach Petrarca, wegen einer Abwandlung der inneren Struktur aber nicht mehr so benannt.

Ich befasse mich mit diesen Fragen in unterschiedlichen Aspekten und Sichtweisen. Das Thema ist für mich einfach auf der Tagesordnung.

LG W.


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