Gedichte-Eiland

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Sidgrani 13.01.2012 19:08

Neues aus Wulffhausen
 
Er heuchelt Mitleid und beklagt,
dass man ihn ach so grausam jagt,
er wollte nie sich selber nützen,
vielmehr die Lieben nur beschützen.

Ihn zog’s auch nicht zu fremden Kassen,
man möge ihn in Ruhe lassen,
aus Freundschaft nahm er von den Reichen,
mit Kumpanei nicht zu vergleichen.

Ja, früher biss er schon mal rau(h),
das zählt heut nicht, er wurd jetzt schlau.
Als Lehrling rauft er sich die Haare,
wann kommen sie, die Herrenjahre?

Er ist doch noch nicht lang im Amt,
da kommt es vor, dass es mal schrammt;
und was man schreibt, das sind nur Enten,
das kränkt den Bundespräsidenten.

Wieso wohl sollt er sich genieren,
umsonst in Luxus zu logieren?
Ein Urahn tat es ihm einst gleich
im fremden Bett, so warm und weich.

Es lag damals, das weiß doch jeder,
der böse Wolf in Omas Feder;
und eines noch zu guter Letzt,
warum wird er so schlimm gehetzt?

Der Wulf, er wehrt sich, heult zum Mond,
wird so sein hehrer Dienst belohnt?
Im "Spiegel" zerrt sich schon sein "Bild",
doch er hält durch auf hohem Schild.

Gert-Henrik 13.01.2012 19:54

salve Mandrillo,

sehr pointiert und bissig - an zwei, drei Stellen musste ich richtig grinsen; gerne gelesen!
Jedoch gehöre ich zu der Fraktion, die Mitgefühl mit ihm hat. Die Vorwürfe sind mE in Gänze nicht ausreichend um einen Rücktritt zu fordern. Er hat einfach das Glück stinkreiche Freunde zu haben - so what? Mich würde es gar nicht wundern, wenn die Tage die ersten Psychologen kommen, die in der ganzen Debatte jede Menge versteckten Neid erkennen können/wollen. Das er mit den extremen Attacken nicht professionell umgehen kann zeigt mE, dass er noch normal tickt und nicht gänzlich abgebrüht ist, ein Mensch eben.

Gerne kommentiert,
liebe Grüße :)

Lipiwig

Dana 13.01.2012 21:03

Hallo Mandrillo,

das ist schon gut.;)
Sieben gut pointierte Strophen die nur so dahinfließen. Besonders hat mir die Strophe mit dem Lehrling imponiert. Ein Lehrling in der Realität kann sich nicht so lange halten und der Vergleich in der Berichterstattung ist zum Haare raufen.
Ein erwachsener Mann und "gestandener" Politiker wird entschuldigt, weil ihm das Amt noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen ist. Die anderen sind ja lange dabei - kommt deshalb nichts nach außen? Die Frage stellt sich doch eher als umgekehrt.
Wulffshausen ist noch nicht gegessen - und weil wir hier eine Stammtischrunde bilden, gebe ich erstmal einen aus.:D
Gern gelesen, auch gegrinst, jedoch nur ob des Gedichts. Die Realität bereitet eher Magenschmerzen.
Liebe Grüße
Dana

Sidgrani 14.01.2012 08:45

Hallo lipiwig,

er hat nicht nur stinkreiche Freunde sondern auch Beziehungen und einen Amtsbonus. Sicher ist er ein Mensch wie du und ich (will er das sein?), aber kein Vorbild und vor allen Dingen kein Staatsmann.

Liebe Grüße
Mandrillo


Hallo Dana,

ja, es ist ein trauriges Kapitel, diese Wulfferaden sind unerträglich.
Angela ist nicht zu beneiden.

Liebe Grüße
Mandrillo


Danke für eure anerkennenden Worte :)

Stimme der Zeit 14.01.2012 12:33

Hallo, Mandrillo,

offen gestanden brauchte ich ein wenig "Anlaufzeit", was aber nicht am "Gedicht" liegt (ich denke, du verstehst, was ich meine), sondern am "Inhalt an sich".

Ich bin mittlerweile wohl etwas "übersättigt" von all dem, was ich ständig überall darüber lese. Mir ganz persönlich scheint die "Wulff-Affäre" vielerlei zu beinhalten, jedenfalls mehr, als die "Oberfläche". Gerade weil er "auch ein Mensch ist". Was, wenn man das mal überträgt, einiges darüber aussagt, was heutzutage menschliche Moralmaßstäbe so sind ...

Das, was er getan hat, war "falsch". Das würde allerdings auch für andere gelten - und nicht nur, weil er Bundespräsident ist. Hinzu kommt, dass es tatsächlich auch eine Art "Hetzjagd" ist, die veranstaltet wird - teilweise kommt mir das auch wie ein "politisches Bauernopfer" vor. Wenn schon, denn schon, die Karre sitzt eh im Dreck, also los, Presse und Medien, schießt euch nur auf ihn allein ein, das lenkt so schön von anderen Missständen in der Politik ab. (Denn das Märchen von "freier Presse und freien Medien" ist genau das - ein Märchen.) Dazu kommt, dass von Menschen, die selbst ganz ungeniert, nur als Beispiel, darauf aus sind, alles Mögliche und Unmögliche von der Steuer abzusetzen (oder gar nicht zu versteuern), ein finanzielles "Vergehen" schärfstens verurteilt wird - hm, da war doch mal was mit "der eigenen Nase" oder so ...

Jetzt nicht falsch verstehen - ich "verteidige" den Bundespräsidenten nicht. Und ja, ein Politiker muss an sich selbst höhere Maßstäbe anlegen als ein Durchschnittsbürger, weil er im "Licht der Öffentlichkeit" steht und nicht nur "repräsentativ", sondern auch eine Art "Vorbildfunktion" zu erfüllen hat. Das wiederum pflegt des öfteren mit der Tatsache, dass auch ein Politiker ein Mensch war, ist und bleibt, zu "kollidieren". Was also mir "sauer aufstößt" ist mehr die raue Wirklichkeit - in der sich mal wieder zeigt, was eben die Moral heutzutage so ist. Für mich ist der Bundespräsident auch ein "Spiegel der Gesellschaft", und das Bild gefällt mir gar nicht.

Es gibt andere Fälle, in denen Poltiker wegen Dingen "moralisch verurteilt" wurden, die mir persönlich eigentlich so egal sind wie sonstwas - du meine Güte, mir ist wirklich höchst gleichgültig, ob ein Politiker Sex hat und auch mit wem oder wie. Das gilt bei mir für ihn und für jeden anderen Menschen auch, denn für mich gilt immer: Solange alles freiwillig ist, alle Seiten daraus Vergnügen ziehen und es sich um Erwachsene handelt - jeder, wie er oder sie will. Wenn's allen Beteiligten Spaß macht, ist alles in Ordnung. (Womit ich jede Form von Zwang oder Missbrauch ausdrücklich nicht meine!)

Mein persönliches Problem mit der "Moral" von Politikern, Wulff ist nur gerade "aktuell", ist eben leider, dass sich aus deren Verhalten auf das gesellschaftliche schließen lässt, das lässt tief blicken. Und mir gefällt gar nicht, was da zu sehen ist. Aber das ist, darauf möchte ich hinweisen, nur meine ganz persönliche Ansicht.

Es ist zudem ja auch so, dass ich nicht vergesse, was alles "davor schon war" - und ich daher auch darauf schließen kann, was sicher noch "kommt". Leider wird jede Affäre von einer neuen abgelöst und die alten geraten in "Vergessenheit". Das wäre sicher mal eine interessante "Liste", würde das jemand mal machen. Sicher nicht einfach, denn ich bin gezwungen zuzugeben, da allmählich schon den "Überblick" verloren zu haben. Was ebenfalls tief blicken lässt.

Und ich möchte (gleichzeitig auch überhaupt nicht!) wissen, was da nie an die Öffentlichkeit kommt, weil sich manche sicher besser "darauf verstehen", ihre "schwarzen Flecken" auf der "weißen Weste" zu verbergen ...

Politiker sind Menschen. Und sie entstammen der Gesellschaft, die sie hervorbringt. Darüber sollten wir einmal sehr, sehr intensiv nachdenken. Denn es heißt nicht umsonst:
"Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient." Zitat von Joseph Marie de Maistre.
Egbert Nießler drehte das um: „Allerdings gilt die Weisheit oft auch umgekehrt. Auch die Regierenden haben das Volk, das sie verdienen. Denn in stabilen Staatswesen haben sie sich durch ihr Handeln ihre Bürger zu dem erzogen, was und wie sie sind."

Das ist der wahre "Circulus vitiosus", ein "Teufelskreis". Denn beides trifft zu, und bewegt sich in einer äußerst schädlichen Spirale ständig weiter abwärts. Das Eine bedingt das Andere und umgekehrt. (Ich erwähne, dass ich diesen Begriff bei Walther als Titel erst heute las - danke Walther, die Idee, meine Gedanken darüber hier auf diese Weise "darzustellen", kam mir durch deinen Titel, auch wenn dein Gedicht einen ganz anderen Inhalt hat. :))

Ganz kurz noch eine "formale Kleinigkeit", der vierhebige Jambus ist gut gelungen, nur ein Versanfang ist trochäisch:

Zitat:

über den Bundespräsidenten?
Gerade, weil es sonst stimmt, kann es natürlich auch beabsichtigt so sein (im Sinne von "über" den Bundespräsidenten). Daher merke ich es nur an.

Gerne gelesen (das Gedicht), den Inhalt nicht - aber auf das "Trotzdem-lesen" kommt es (generell, was Politik betrifft) ja an, nicht wahr?) Von daher lobe ich dieses Gedicht, und das auch wirklich gerne, denn es ist gut gelungen. :)

Liebe Grüße

Stimme http://www.smilies.4-user.de/include..._devil_006.gif

Sidgrani 17.01.2012 13:51

Hallo Stimme,

schön, dass dir mein "Schmähgedicht" gefällt.

Die meisten Menschen, die es in die Politik zieht, haben sicher erst einmal hehre Ziele. Doch der "Ruf des Goldes" mit seinen verlockenden Aussichten auf Ruhm und Macht sowie der Möglichkeit, sich in erlauchten Kreisen bewegen zu können, macht sie anfällig für Verbotenes. Nehmen sie unerlaubte Vergünstigungen an, geben sie ihre Unabhängigkeit mit all ihren Facetten aus der Hand.
Verblüffend ist, dass viele, die in solche Situationen geraten sind, immer erst einmal versuchen zu dementieren, zu verzögern und zu verschleiern. Sie warten mit geradezu grotesk anmutenden Erklärungen und Entschuldigungen auf. Sie sind von ihrem eigenen Glanz so geblendet, dass sie die Realität nur noch verzerrt wahrnehmen.

Ob das bei unserem Buh Präsidenten auch so ist, lasse ich offen, mein Gedicht ist ja schließlich keine Anklage.

Deinen Hinweis zur Zeile mit dem "Bundespräsidenten" habe ich beachtet und mir etwas Besseres (hoffe ich) einfallen lassen.

Liebe Grüße
Sidgrani

Falderwald 24.01.2012 21:00

Hallo Sidgrani,

ja, so ist es wohl und wir wissen jetzt, was stärker klebt als Sekundenkleber...;)

Ich meine, es ist ja nichts dagegen einzuwenden, sich von einem reichen Freund Geld zu leihen oder gar in den Urlaub einladen zu lassen.
Anders sieht es aus, wenn man ein verantwortliches, politisches Amt bekleidet, was dies nicht zulässt.
Aber auch das wäre noch menschlich zu sehen.
Wer aber der Presse, auch der Boulevardpresse, einen Maulkorb verpassen will und aufgrund seiner (Macht)Position sogar mit Sanktionen droht, der darf sich nicht wundern, wenn diese Presse immer neue Fakten ans Licht zerrt.

Wenn sich so ein Wehr-Wulf selbst schwarze Zielscheiben auf den weißen Pelz malt, dann wird er ins Visier genommen und gejagt.
Und wenn er im Fadenkreuz erscheint, wird gnadenlos abgedrückt.

Tja, wer mit den Wölfen heulen will, sollte tunlichst darauf achten, denn richtigen Ton zu erwischen.

Dein Gedicht ist genau so zielsicher und trifft voll ins Schwarze.

Obwohl es eigentlich ein Trauerspiel ist, musste ich an manchen Stellen unwillkürlich breit grinsen.

Volltreffer...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald

Sidgrani 28.01.2012 09:19

Zitat:

Zitat von Falderwald (Beitrag 59321)

Wenn sich so ein Wehr-Wulf selbst schwarze Zielscheiben auf den weißen Pelz malt, dann wird er ins Visier genommen und gejagt.
Und wenn er im Fadenkreuz erscheint, wird gnadenlos abgedrückt.

Tja, wer mit den Wölfen heulen will, sollte tunlichst darauf achten, denn richtigen Ton zu erwischen.


Hallo Falderwald,

das hast du sehr gut und treffend beschrieben, warten wir einmal ab, was noch alles ans Tageslicht gezerrt wird.

Danke für den "Volltreffer". :)

Liebe Grüße
Sidgrani


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