Gedichte-Eiland

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Erich Kykal 08.11.2016 21:07

Scham
 
Auf Pfaden der Nacht
sind sie alle Gefährten,
erwählt und bewacht
in verschwiegenen Gärten
und im Gewühle.

Bis zum Morgen danach
sind sie alle Gefährten,
verleugnen ihr Ungemach
mit Mut, den sie nährten
in nächtlicher Kühle.

Wo das Licht sie besucht,
sehen all die Gefährten,
was fremd und verrucht
sie einander gewährten
in fiebriger Schwüle.

Und waren nie dort,
und wenden sich fort
und schämen sich ihrer Gefühle.

juli 09.11.2016 09:32

Hallo eKy,

Die Worte treffen tief ins Innerste der Seele. Es liest sich wie ein Traum, der gedeutet werden will. Deine Bilder sind sehr lyrisch, und sie erzeugen Atemlosigkeit und Stille, weil sie intensiv sind.:Blume::Blume::Blume:

Hier sehe ich Menschen, die sich verloren haben, und die Lebenswege gegangen sind und sich verloren haben. Ihre Menschlichkeit ging verloren, und sie hatten Gefährten, es waren Kalte, Verirrte die den Menschen, den du hier beschreibst verführt haben. Ihre Ideen wurde seine/ ihre Ideen und ihre Gemeinschaft blendete sie, und sie wurden blind. Das Licht, dass sie sahen, war kein Licht, es war ein Pfad in die Dunkelheit. Und als der/ die Verirrte aufwacht trifft ihn eine tiefe Scham.

Ein zutiefst aufrührendes Gedicht!:Blume::)

Sehr gerne gelesen und

Liebe Grüße sy

:Blume::Blume::Blume:

Erich Kykal 09.11.2016 15:54

Hi Sy!

Vielen Dank für dein Lob und die andere Perspektive! :)

Ich hatte die abendländische "Ausgehkultur" vor Augen. Menschen machen sich fein, treffen sich auf sog. "In-Locations" oder schlicht in der Disco, balzen und werben, oder suchen einfach nur was für den gepflegten Samstagabendfick.
Obwohl gesellschaftlich "anerkannt", ist dies doch oft ein vom Alkohol enthemmtes Sicheinandergewähren, dessen man sich hinterher doch schämt. Manche flüchten in eine Art Jetzt-erst-recht-Mentalität und geben mit ihren "Eroberungen" an, aber die meisten verdrücken sich einfach still und leise am Morgen danach, denn mehr als ein Abreagieren der Lust war ja nie geplant ...

Da schlägt der lust- und körperfeindliche katholische Wertekanon leider immer noch gnadenlos zu! die Angst vor AIDS oder Geschlechtskrankheiten tut ein Übriges. Man schämt sich insgeheim, verdrängt lieber - und plant das nächste Wochenende ... :rolleyes::Aua

LG, eKy

Dana 17.11.2016 19:30

Lieber eKy,

ich lese hier eine "verlogene" Scham heraus, weil selbst diese nicht zugegeben wird und vor regelmäßiger Wiederholung nicht schützt.:cool:
Sie waren nie dort und zeigen obendrein auf jene, die "erwischt" wurden.
Trotzdem gehört es zu unserer abendländischen Ausgehkultur. Um sie zu "pflegen" macht man sich fein, um sie zu leben, braucht man Alkohol.
Sich zu ihr zu bekennen ist nicht drin.:Aua
Sehr widersprüchlich und doch wahr.
Feinst verdichtet, insbesondere mit der Wiederholung von Gefährten, denn im Alleingang klappt es nicht.

Liebe Grüße
Dana

Erich Kykal 17.11.2016 19:41

Hi Dana!

So und ähnlich habe ich früher geschrieben, ehe ich durch die Foren "verdorben" wurde. Ich meine das durchaus positiv, denn damals zählte ich noch keine Silben oder Heber, folgte - ganz Autodidakt - nur der eigenen Sprachmelodie.
Da ich musikalisch bin, ging das meist gut, aber letztlich fand ich Jahre später doch viele Taktfehler und klangliche Brüche, Pralle und Auftaktfehler!

Seither habe ich selten kurzzeilig geschrieben.

LG, eKy

Terrapin 18.11.2016 11:29

Das gefällt mir sehr. Trotz metrischer "Makel" - mir wird der Gedanke, solche Unebenheiten stärken manches Gedicht mehr als es zu schwächen, immer nachhaltiger. Vor allem in solch kurzversigen Gebilden. So nähert sich des Dichters Ton des natürlichen und dennoch melodischen Sprachgebrauchs an und erwirkt die Aussage nicht sich unnötig korsettgedrungen und schöngepudert dem Leser darzubieten.
Ein Gewinn für alle. Doch muss man auch über seinen eigenen Schatten der angewohnten Formstrenge springen und sich solche Freiheit erst neu einräumen und erschließen.

Sehr gerne einen alten und zugleich jungen Kykal gelesen.
Vor allem bei der unermesslichen Flut an Sonetten, die du schreibst.
Doch weiß ich freilich um den Zauberbann, den ein jeder angefangene Vers in sich trägt ein anmutig und perfektes Sonett zu werden und potenzialisieren.
Im jungen Stadium des Verses und der Strophe ist ja noch alles formbar und der werdenden Entwicklung bei zu führen, so das man freie Hand und Willen über das Schicksal der eigenen gedichtwerdenden Gedanken verfügt.
Der Gedanke als Dienerschaft deines ausdrücklichen Willens.
Du selbst synchronisierst und symbolisierst des Himmels schöpferische Kraft
und jeder Entscheid setzt die lautgewordenen, rhythmisch-melodischen Grenzen konsonantgefärbt- und vokalschattierter Klanglandschaften.
Immer neu pendelnd zwischen den Canyonufern der umschließenden Reime.

Wohlige Grüße - Terrapin!

Erich Kykal 18.11.2016 16:03

Hi Pinni!

Vielen Dank für diesen tollen Kommi - der selbst fast schon ein lyrisches Werk darstellt in seiner ausgesuchten und wohlelaborierten Sprachführung! Meine aufrichtigen Honneurs dazu! :Blume:

Ich pflichte dir in allen Punkten bei, indes, ich selbst schaffe es fast noch nie, mich bewusst vom mir so wohlklingenden Rhythmus und Gleichtakt zu lösen! Vielleicht bin ich da zu musikalisch und da wiederum zu traditionell - atonale Musik, "moderne" Klassik oder Freejazz sind mir ein Graus! Berührt mich bestenfalls unangenehm! Das ist für mich Hirnwixerei für Musikmutanten! :D Oder vielleicht bin ich dafür einfach nicht musikalisch genug! :rolleyes:

Es liegt also durchaus an mir, wenn es mir schwerfällt, mich vom Schema zu lösen, keine Frage!

Vielen Dank für deine vertiefenden und so wohlklingenden Gedanken! :)

LG, eKy


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