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Goethe und der Schüttelreim
Zwar will ich nicht behaupten, dass Goethe Schüttelreime verfasst hätte, dafür gibt’s nun wirklich keinen Beleg, doch lassen sich beim großen Meister einige Stellen finden, in denen Schüttelreime sozusagen angelegt sind, z.B. im Faust:
Es irrt der Mensch, solang er strebt. Dieses geflügelte Wort hat mich zu einer geschüttelten Betrachtung angeregt: Es irrt der Mensch, solang er strebt, seit ohne Nabelstrang er lebt, das heißt, von Kindesbeinen an zieht Ehrgeiz ihn in einen Bann. Als Kind hebt er das Köpfchen dann, wenn er allein aufs Töpfchen kann. Erfolg ist's, der ihn streben lässt was ihn in seinem Leben stresst, wenn Zeit er nur dem Hetzen schenkt, weil, ach, sein Herz an Schätzen hängt. Doch werden ihm zur Fron die Tage, stellt sich im ernsten Ton die Frage: Beweisen nicht auf Erden Wirren, was Goethe meint: Wir werden irren? Statt dass wir uns im Leben streiten, sollt die Vernunft das Streben leiten. Der Weltgeist liegt im Dauerschlummer, die Menschheit wird statt schlauer dummer. Wie können gut die Saaten stehn, wenn nur auf Macht die Staaten sehn? Das Thema lockt, es fortzuwinden, doch gilt’s, als Schluss ein Wort zu finden: Streb jeder auf der wirren Erde, dass er nicht einst zum Irren werde. |
Hi, Fridolin!
Höchst gelungen, dieses Stück, auch von der Sprachmelodie und der Sprachhabung - nichts wirkt irgendwie allzu hingebogen, alles fließt sauber - okay, das "dummer" (S5Z2) vermisst seine Ü-Punkte, die der Komparativ eigentlich haben will, aber da drückt man gern ein Auge zu ... Goethe hätte sich köstlich amüsiert!:D Sehr gern gelesen! LG, eKy |
Lieber Fridolin,
damit hast du dir eine weitere Krone der Schüttelei verdient und avancierst mit Tiara zum Papst der Schüttler. ;) Liebe Grüße Thomas |
Hi eKy,
dein Kommentar macht mich happy! Herzlichen Dank. Mit deinem Einwand hast du recht, aber ich liebe so alte Formen, die heute nicht mehr im Gebrauch sind. Ein Sprachwissenschaftler hat mir vor einiger Zeit dazu mal geschrieben, dass die Form mit dem Umlaut im Komperativ erst im 18. Jahrhundert gebräuchlich wurde. So schreibt es auch der DUDEN. Lieber Thomas, auch dir herzlichen Dank für dein Lob, die Tiara nehm ich aber gleich wieder ab. LG Fridolin |
Lieber Fridolin,
darin steckt soooo viel: Schütteln, Wortgewandtheit, Kunst, Satire, Philosophie und politische Aktualität. Meisterlich :Blume: (und "dummer" beweist, dass es noch nie anders gewesen ist.:D) Zitat:
liebe Grüße Dana |
Liebe Dana,
ich danke für den begeisterten Kommentar. Vor ein paar Wochen habe ich mich einem Forum angeschlossen, in dem ausschließlich Schüttelreimer (überwiegend aus Österreich) unter sich sind, etwas, was ich schon seit Jahren gesucht habe. Dort gibt es auch einige Sprachwissenschaftler als Schüttelreimer, die auf mich sehr anregend wirken. So ist auch mein Schüttelpoem entstanden aus einer Bemerkung über Goethe als Schüttelreimer. LG Fridolin |
Chapeau, lieber Fridolin! Ein hervorragendes Schüttelreimgedicht, dem man in seiner ungezwungenen Art den Schwierigkeitsgrad nicht anmerkt.
Es freut mich für Dich, dass Du nun ein passendes Forum Gleichgesinnter gefunden hast, in dem Du Dich so richtig austoben kannst. ;) Liebe Grüße, Stefan |
Moin Fridolin,
auch ich möchte dir meine Anerkennung für diese hervorragende Stück "Schüttellyrik" aussprechen, das ist wieder einmal ausgesprochen gut gelungen. Du überraschst mich jedes Mal aufs Neue und ich frage mich immer wieder, wie kriegt der das hin, wo ich schon Schwierigkeiten habe, auch nur einen einzigen Schüttelreim auf die Beine zu stellen. Aber wahrscheinlich geht es dabei, wie bei so vielen anderen Dingen: Übung macht den Meister. Und dass du ein großer Meister dieses Faches bist, das steht zweifelsohne ganz außer Frage. Gern gelesen, gelacht und kommentiert...:) Liebe Grüße Bis bald Falderwald |
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