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Erich Kykal 31.08.2015 12:53

Ladendieb?
 
Ein tief Begehrtes ist den jungen Augen,
dem schlanken Sinn ein brennender Magnet,
und ein Gewissen, das in Flammen steht,
mag nicht zur Kühlung solcher Gluten taugen.

Und wie um das Gewünschte einzusaugen,
wird alles taub, und ach, der Körper geht
ganz nah heran! Ein letzter Wille fleht
ins Leere schon, sich darin auszulaugen.

Die feuchten Finger tasten, scheue Blicke
erforschen schuldig die entrückte Welt.
Am Scheideweg der dräuenden Geschicke

erkennt sich eine Seele, und sie hält
die leere Hand ins Licht, und jener dicke
und kalte Kloß im Halse - er zerfällt.

wolo von thurland 31.08.2015 14:55

OMG! Lieber Erich Kykal,

Das Fragezeichen im Titel ist die Rettung für jeden, der sich versucht fühlt, dieses heisse Teil in die Finger zu nehmen.

Nur so viel zum Text selbst: Ich finde, hier passen Form und Inhalt perfekt zusammen. Die poetische Ironie, wie sie die Romantiker verlangten, wird (nicht nur durch das Fragezeichen) erreicht.

Schmunzel!
wolo

Dana 31.08.2015 21:17

Lieber eKy,

man sollte hier schon im "schlanken Sinn" und "brennenden Magnet" die Torheit eines Lebensunerfahrenen (Jugendlichen) erkennen, um dieses Sonett zu erfassen.
Jene werden regelrecht verführt. Nicht zum "Diebstahl" - aber "zum Besitz um jeden Preis".
Nicht ausschließlich Jugendliche.
Auch Erwachsene verschulden sich, werden arm - weil sie das "Angepriesene" haben müssen!:eek:

Hier sollte die Rubrik auffallen. Die Befreiung vom Kloß allgemein.
Ladendiebe gäbe es wenige (weniger), wenn die "Seelen" die Chance bekämen, zu erkennen, dass sie das meiste gar nicht wirklich brauchen.
Läden, Konzerne und die gesamte Wirtschaft fördern jene Seelen für ihren Preis. Sie betrauern niemals die Verschuldeten. Sie jagen den Ladendieb, der durch Erwischen in Schuld steht.

Vielleicht bin ich zu tief eingestiegen. Aber ich komme bei den Weltnachrichten schon lange nicht mit der Überflutung von Angebot und Nachfrage, von der Sicht auf Dinge nicht mehr zurecht.
Es werden Mitleid, Fürsorge und Gemeinsinn angefordert und zugleich soll man kaufen und alles "Selbstverständliche" besitzen.

Ich mag deinen "Ladendieb" im dargestellten Sinne sehr.

Liebe Grüße
Dana

Erich Kykal 31.08.2015 23:01

Hi, wolo!

Danke für das positive Urteil und die freundlichen Worte.


Hi, Dana!

Dem Gedicht liegen eigene Erinnerungen zu Grunde: Als Teenager war ich öfter mal in Versuchung, im Laden etwas zu klauen. Ich kann mich an den damaligen Widerstreit der Gefühle gut entsinnen. Diesen wollte ich verdichten - diesen Augenblick der Entscheidung, den schmerzlichen Zwiespalt, die Dehnung von Raum und Zeit zwischen Gewissen und Habgier ...

Vielen Dank für die Lobesworte!


LG, eKy

Agneta 02.09.2015 17:00

Der Kampf und als solches empfindet man dieses eindringliche Sonett, lieber Erich, mit dem anerzogenen Gewissen und die darauf folgende Entscheidung packt.
Ich finde es gut, Alltagsthemen, auch kleine Dinge in ein Sonett zu gießen. Obwohl eigentlich ist es für den Prot gar kein kleines Ding, sondern möglicherweise eine lebensweisende Entscheidung.
Dieser hast du einen würdigen poetischen Rahmen gegeben.:Blume:
LG von Agneta

Erich Kykal 10.09.2015 21:48

HI, Agneta!

Danke für die lobenden Worte!

Es ist durchaus autobiographisch - in sehr jungen Jahren (und mit chronisch zu wenig Taschengeld) war ich zuweilen versucht, und nicht immer konnte ich widerstehen ... :rolleyes::o

Meistens aber doch - und endlich entschied ich, dass es das Risiko und die möglichen Folgen nicht lohnte.

LG, eKy


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