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Chavali 13.05.2014 11:04

Friedenskind
 


Als du noch nicht geboren warst,
da flogen Bomber über unser Haus,
die halbe Stadt am Fluss zerbarst
und selbst die Tauben sahen traurig aus.

Verbrannte Wiesen und verbrannte Bäume,
die Straßen voller Trümmer aus Gestein.
In uns verbrannten alle Träume,
im Dunkeln saßen wir bei Flackerschein.

Im Keller hörten wir noch die Sirenen,
die Kinder hielten sich die Ohren zu.
Und oben fraßen Geier und Hyänen.
Wir wollten doch nur Friedensruh.

An dich war damals nicht zu denken,
das Land zertrümmert und das Leben auch.
Es galt zunächst, das Unheil zu versenken,
noch glühte überall der Opferrauch.

Doch irgendwann kam wieder neues Lachen,
die Menschen blühten auf und so auch wir.
Ein Friedenskind wär süß zu machen,
und darum, liebes Herz, bist du bei mir.

poetix 13.05.2014 11:26

Hallo Chavali,
das ist ja eine sehr schöne Bezeichnung, die du da bekommen hast: Friedenskind. Da ahnt man, wie wichtig du deinen Eltern warst. Eine großartige Erinnerung.
Viele Grüße
poetix

Chavali 13.05.2014 12:24

Hallo poetix,

*schmunzel* man soll nicht vom LyrIch auf den/die Verfasser/in schließen ;)

Danke, dass du gelesen und eine Rückmeldung hinterlassen hast.
Freut mich!

Lieben Gruß,
Chavali

Falderwald 13.05.2014 17:38

Hi Chavi,

das ist ein sehr bemerkenswertes Gedicht und eines der besten aus deiner Feder, das ich bisher gelesen habe.
Du schaffst es hier tatsächlich, die Schrecken des Krieges und die damit verbunden Ängste und Nöte der Menschen bdrückend und anschaulich zu beschreiben und bekommst dann wunderbar die Kurve aus diesem Desaster wieder heraus.
Meine Mutter ist ein Kriegskind und hat den alliierten Luftangriff auf Remscheid am 31. Juli 1943, im Keller ihres Elternhauses versteckt, bewusst miterlebt.
In unmittelbarer Nähe ist eine Sprengbombe detoniert und nur noch die Grundmauern des Hauses sind stehen geblieben.
Sie und meine Großeltern konnten von Glück reden, dass sie mit dem Leben davon gekommen sind.
Als ich noch klein war, hat meine Oma mir oft von diesen Ereignissen und den dabei ausgestandenen Ängsten um ihr Leben erzählt.

Und an ihre Schilderungen hat mich dein Gedicht erinnert.

Dennoch eine klitzekleine Anmerkung:

Du hast das Verb "bersten" bzw. "zerbersten" zwei Mal verwendet.
In der ersten Strophe "barst" und in der vorletzten "zerborsten".

Das Letztere könntest du leicht umgehen, z. B.:

das Land lag nieder und das Leben auch
das Land war mutlos und das Leben auch
das Land war wehrlos und das Leben auch
usw.

Oder lass dir selbst was in diese Richtung einfallen. Das hätte zudem den Vorteil, dass der unvollständige Satz (ja, ich weiß, Dichterfreihheit :rolleyes:) in dieser Zeile auch grammatisch wieder vollkommen korrekt wäre. ;)


Auf jeden Fall ist das ein sehr schönes Gedicht, sowohl formal als auch von der inhaltlichen Aussage her betrachtet, das ich gerne gelesen und kommentiert habe...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald

Chavali 13.05.2014 19:40

Hallo Faldi,
Zitat:

das ist ein sehr bemerkenswertes Gedicht und eines der besten aus deiner Feder, das ich bisher gelesen habe.
ich freu mich wie verrückt über dein Lob :):o:)
Ich war nämlich im Zweifel, ob das Thema und die Umsetzung ankommt.
Zitat:

Du schaffst es hier tatsächlich, die Schrecken des Krieges und die damit verbunden Ängste und Nöte
der Menschen bdrückend und anschaulich zu beschreiben und bekommst dann wunderbar die Kurve
aus diesem Desaster wieder heraus.
Ja, das war das Schwierige, es musste der Schrecken dargestellt werden, aber so, dass ein Kind nicht verstört ist
und dann der versöhnliche Abschluss.
Schön, dass mir das gelungen ist.

Was das bersten oder zerbersten oder barst betrifft, so habe ich eine Lösung gefunden:
Zitat:

das Land zertrümmert und das Leben auch.
Habe zwar oben schon mal Trümmer verwendet, aber diese Wiederholung, denk ich,
geht, habe ja auch 3x verbrannt drin ;)
Dein Vorschlag wäre aber auch ok.
Zitat:

Auf jeden Fall ist das ein sehr schönes Gedicht,
sowohl formal als auch von der inhaltlichen Aussage her betrachtet,
Danke!

Lieben Gruß,
Chavi



Narvik 14.05.2014 05:49

Hallo Chavali,

ich selbst kann mich an diese Zeit noch gut erinnern.
Zwar war ich damals noch ein Kind und unsere Gemeinde ist von Angriffen verschont geblieben, doch sind wir auf unserer Flucht durch viele zerstörte Gebiete gekommen. Das hat sich als Trauma in meinem Gedächtnis festgesetzt und ich hoffe, so etwas nicht mehr erleben zu müssen.
Deine Beschreibung klingt authentisch, das Szenario lässt sich gut nachvollziehen.
Auch die Wende zu den wieder besser werdenden Zeiten ist gut herausgestellt und was gibt es Schöneres, als einen Neuanfang auch mit einem neuen Leben zu begrüßen?
Den Titel finde ich nicht ganz so gelungen. Ich glaube, dass es im Gedicht selbst klar wird, wer dort spricht. "Friedenskind" oder "Aufbruch" könnte hier auch passen.
Das Gedicht hat mich sehr berührt.

Herzliche Inselgrüße

Narvik

Chavali 14.05.2014 16:52

Hallo Narvik,

über deinen Vorschlag zur Titeländerung bin ich ganz begeistert :):):)
und schritt sofort zur Tat!

Friedenskind - das ist perfekt!

Danke - superb ;)

Für deinen Kommi bedanke ich mich auch.
Ich denke, dass es viele solcher Friedenskinder gab.
Einfach aus Freude daraus, dass eine neue Zeit des Friedens begonnen hatte.

Lieben Gruß,
Chavali

Dana 14.05.2014 17:36

Liebe Chavali,

ich denke, es ist nicht überzogen trotz vieler anderer Gedichte von dir, hier vom Meisterstück zu sprechen.

Eben jene Kurve von der schon Faldi sprach, macht den ersehnten Frieden und vor allem die Liebe zum Kind spürbar.
Jede Strophe trägt ihre Bilder in gekonnter lyrischer Sprache.

Die einstigen Kriegswirren, wenn auch nicht selbst erlebt, die erinnern an Erzählungen der Großeltern und Eltern.

Ich kann mich dem Lobgesang nur anschließen.

Liebe Grüße
Dana

Chavali 15.05.2014 16:50

Liebe Dana,

jetzt lese ich auch noch von deinem Lob - ich bin total überwältigt :):):)
Vielen herzlichen Dank - ich freue mich sehr!

Dabei hatte ich erst eine andere Idee, was die Mutter erzählen sollte :o
Und erst, als die ersten beiden Zeilen geschrieben waren, war mir klar, wohin
die Reise des Textes gehen sollte.

Schön, dass er bei den Lesern so gut ankommt.


Liebe Grüße,
Chavi




juli 15.05.2014 20:56

Hallo Chavali
 
Ich habe Dein Gedicht mehrfach gelesen. Und es hinterläßt immer eine Spur, die des sich Rückbesinnens, denn meine Eltern haben diese Geschichten des Krieges erzählt. ( So ähnlich)
Du beschreibst es hier gekonnt, und ohne jeglichen Moralzeigefinger. Die Zeit war einfach so, und auch das Neubeginnen, und was gibt es da Schöneres als ein Friedenskind.
Der Titel ist hervorragend gewählt;)

Sehr sehr gerne gelesen:)

LIebe Grüße
sy


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