Gedichte-Eiland

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Erich Kykal 28.12.2013 13:23

Fortschritt
 
Der Himmel ist wie blaue See
voll weiß gekrönter Wolkenwogen,
durch eine Dünung hell wie Schnee
verläuft des Horizontes Bogen.

Durchs Meer aus Weite ohne Grund
kam etwas wie ein Pfeil geflogen,
ein silberstarrer Falke, und
er hat dort seine Bahn gezogen,

gerade wie ein Messerrist.
Das Bild erscheint nun wie gelogen!
So hat, was allzu menschlich ist,
das eigne Himmelreich betrogen!

Thomas 28.12.2013 17:36

Lieber Erich,

eine gute Idee, natürlich gut gemacht. Ich hätte nur einen Vorschlag für die Schlusszeile. Vielleicht könnte man statt "das eigne Himmelreich betrogen!" sagen: "der eigne Himmel nur getrogen!" es ist etwas leichter.

Liebe Grüße
Thomas

Erich Kykal 28.12.2013 21:26

Hi, Thomas!

Danke für deinen freundlichen Kommi.

"Das eigne Himmelreich" steht hier als Akkusativ, da der ganze Einschub zuvor (was allzu menschlich ist) als Subjekt fungiert.

Es müsste also heißen: "den eignen Himmel nur getrogen."
Daran stören mich allerdings das delogierte "nur" sowie das aussagemäßig etwas schwächelnde "ge"trogen.
Außerdem ist meine Version ein doppeltes Wortspiel, indem es einerseits den realen Himmel, die optisch und chemisch verschmutzte Atmosphäre, andererseits auch die Illusion des Paradieses meint, das uns der Fortschritt ständig verspricht, ohne ihm je auch nur einigermaßen nahe zu kommen!

LG, eKy

Thomas 29.12.2013 08:43

Lieber Erich,

ich habe das "Bild" als Subjekt gesehen und vermute, dass das anderen Lesern auch so ergehen wird. Vielleicht könntest du durch einen Punkt (an der Stelle des Gedankenstrichs) dem Leser etwas helfen. Nebenbei bemerkt: Das Problem gibt einen Eindruck, wie ungenau und diffus (oder beschränkt) Dichtung wird, wenn man - wie bei Modernen üblich - auf Satzzeichen ganz verzichtet.

Die Doppeldeutigkeit von "Himmelreich" hatte ich schon gesehen, sie funktioniert meiner Meinung auch mit dem Wort "Himmel", welches diese doppelte Bedeutung in sich trägt.

Ich verstehe, warum die beim "be"-trogen bleiben willst und finde das ok.

Liebe Grüße
Thomas

Erich Kykal 29.12.2013 10:54

Hi, Thomas!

Mir ist klar, dass die Struktur dieses letzten Satzes komplex ist und öfter mal falsch verstanden werden wird.

Ich habe deinen Vorschlag bezüglich des Bindestriches umgesetzt, obwohl aus meiner Sicht klar sein sollte, dass nach einem solchen stets eine neue, wenn auch inhaltlich reflektierende grammatikalische Sinneinheit beginnt.

Was mich an deinem an und für sich nicht schlechten Vorschlag allerdings am meisten störte, war das nachgestellte "nur" - darauf bist du leider nicht eingegangen. Da klingt für mich "Himmelreich betrogen" doch wesentlich runder, flüssiger und eleganter als "Himmel nur getrogen".

Nicht böse sein, aber ich bleibe lieber bei meiner Version.

LG, eKy

Dana 17.01.2014 20:04

Lieber eKy,

hier bin ich in Urzeiten versetzt worden. Nicht ob der Naturereignisse, sondern des menschlichen Drangs wegen, zur "seligen Vorteilsdeutung".:D
Nein, kein Himmelreich wurde betrogen - es wurde erfunden.:cool:
Jeder "Fortschritt" verliert sich im Fortschritt - nur nicht jeder gleich schnell.

Fortschrittliche Grüße
Dana

Erich Kykal 17.01.2014 21:14

Hi, Dana!

Diesmal kann ich deinem Gedankengang nicht folgen, sorry. Was meinst du mit deinem Kommi? Was willst du mir sagen?

Ich beschrieb einen Himmel mit dem Kondensstreifen eines modernen Verkehrsjets, der dieses natürliche Bild verunstaltet, die Reinheit der Welt quasi entweiht.

LG, eKy

Falderwald 28.01.2014 18:14

Servus Erich,

das darfst du Dana nicht übel nehmen.
Wie du weißt, hält sie dich immer noch für einen verkappten Romantiker...:D

Nie hätte sie bei diesen schönen Strophen an eine Szene gedacht, dass da lediglich ein Typ im Gras liegt, sich den Himmel anschaut und ihn schön träumt, nur um sich im Anschluss darüber tierisch aufzuregen, dass ihm da aufgrund des technischen Fortschritts ein Jet tatsächlich gerade in diesem Augenblick frecherweise, und vor allem noch total grundlos, einen Strich durch die Rechnung macht.
Nein, nicht Dana, sie sah einen tiefen Rückblick in die Anfänge des Geistes, als die ersten verstehenden Augen den Himmel betrachteten und mehr dahinter vermuteten und andere, die einen Vorteil daraus ziehen konnten, schnell ein Himmelreich schufen.
Mit dem wissenschaftlichen und technischen Fortschritt begann aber auch die Zeit der Aufklärung, so dass sich der Mensch nach um nach um sein eigenes erfundenes Himmelreich betrogen hat.

Nein, im Ernst, ich finde, die Strophen sehr gelungen und mit Wortwitz kombiniert.
Eine gute Würzung. :)


Gerne gelesen und kommentiert...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald

Erich Kykal 28.01.2014 19:21

Hi, Faldi, Dana!

Ah - danke für die Aufklärung! Tja, manchmal hat der Poet wohl weniger "Tiefgang" als vermutet, wie?;):D

Romantiker bin ich auch. Ich finde einen natürlichen Himmel mit gemischter Bewölkung hier und da wunderschön, und die immer häufiger werdenden Kondensstreifenbündel - oder Linien, die sich wirr kreuzen - empfinde ich als Entweihung, Vergewaltigung des Schönen. Brutal durchschneidet die tote Technik das harmonische Bild! Könntest du dir einen alten Meister vorstellen - mit lauter solchen Streifen am Hintergrundhimmel? Schauderbar!

LG, eKy


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