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Ewiges Eis
Du hast den Winter nie gemocht,
nun hat er an die Tür gepocht, er löst des Herbstes morsches Band und reicht uns seine kalte Hand. Verschlissen sind die warmen Decken, wir können uns nicht mehr verstecken. Dein Kleid ist hübsch, dein Lieblingsblau, du bist für mich die schönste Frau. Sieh nur, mein Ehering, er blitzt, wie oft hast du ihn mir stibitzt und heimlich wieder blank gerieben. Wo sind die Jahre nur geblieben. Den schwarzen Anzug liebst du doch, er passt mir heute immer noch. Ich mag dein Haar, den feinen Glanz, pass auf, gleich führ ich dich zum Tanz, was haben wir es toll getrieben. Wo sind die Jahre nur geblieben. Als ich die Kette dir geschenkt, hast du verschämt den Blick gesenkt, und ich trag immer noch den Schal, den du mir gabst vorm Tanzlokal. Da wussten wir, dass wir uns lieben. Wo sind die Jahre nur geblieben. Ich komm zu dir, mein lieber Schatz, an deiner Seite ist mein Platz, du bist und bleibst mein ganzes Glück, hier hast du deinen Schal zurück. Er hält dich warm, lass dich bedecken, und er verbirgt die Totenflecken. |
Hallo Sidgrani,
ich denke, du hast bewusst nicht die düstere Rubrik gewählt. Mir tat sich eine "ewig" bleibende Liebeserklärung auf, die sich dem Lauf der Zeit (matophorisch den Jahreszeiten) beugt und dennoch alles Gewesene bewahrt. Wunderschön die greifbaren Erinnerungen, das Bleibende und das "Bei-einander-bleiben". Mir gefällt die Mischung: Liebe, Philosophie, Realität - berührend und frei von Klage. Trotz der "Traurigkeit" - schön für den/die Betroffenen, die so leben und erleben dürfen. Liebe Grüße Dana |
Zitat:
Hallo Dana, ja, das habe ich mit Absicht getan, um den Überraschungseffekt am Schluss nicht zu gefährden. Ich freue mich sehr über deinen tiefgründigen Kommentar, danke! Liebe Grüße Sidgrani |
Ewiges Eis
Lieber Sidgrani,
es ist gerade der "überraschende Schluss", der dein Gedicht zerstört. Ohne ihn wäre es ein nettes Liebesgedicht geblieben, zwar etwas klischeehaft, ohne Höhen und Tiefen, aber doch nett. So aber geht man ein wenig enttäuscht aus dem Gedicht heraus, weil man merkt, dass hier der Plot nicht beherrscht wurde. Lieben Gruß Antigone |
Sorry Antigone, aber die letzte Aussage deines Kommi finde ich danebengegriffen! Von wegen "Plot nicht beherrscht" - derselbige war eben von vornherein ein ganz anderer, aber das wird erst mit dem letzten Wort enthüllt!
Hi, Sidgrani! Das erinnert mich an ein altes Rammsteinlied, ein wenig auch an Falco's "Jeanny". Der Knalleffekt der Conclusio macht das Gedicht überhaupt erst richtig wertig und interessant!!! Nicht dass der Rest schlecht geschrieben wäre - aber halt eben, wie Antigone sagte: Das Übliche - ein harmloses, nettes Gedicht freundlicher Fürsorge und Verliebtheit. Erst diese letzte Wendung bringt Wahnsinn und Grauen mit hinein und verleiht allem zuvor Gesagten eine skurrile, albtraumhafte Note verschobener Realität und macht erst ein lyrisches Gustostückchen draus! Sehr gern gelesen! LG, eKy PS: Das einzige, was mich stutzen ließ: "ich hab den Kindern grad geschrieben". - Heutzutage gibt es da wohl raschere Kommunikationsmöglichkeiten! Wenn die Mutter tot ist, schreibt man doch heute keinen Brief mehr - man ruft an! Das wirkt etwas antiquiert, als stamme der Text aus dem vorletzten Jahrhundert. |
Liebe Antigone,
als die Idee zu meinem Gedicht geboren wurde, wusste ich lediglich, dass erst in der letzten Zeile deutlich werden sollte, dass der betagte Herr mit seiner gerade verstorbenen Frau spricht. Er hat sie während des Monologs liebevoll zurecht gemacht und kann einfach nicht begreifen, dass sie von ihm gegangen ist. Wer weiß, wie lange er neben ihr ausgehalten hat oder ob er zu einer Überdosis Tabletten gegriffen hat. Wenn er mit ihr spricht, ist es ungelenk und ein bisschen niedlich bzw. altmodisch, so wie es vielleicht bei einem etwas senilen alten Mann üblich ist. Ich habe dir mein Gedicht so ausführlich erläutert, weil ich es schade finde, dass du am Ende enttäuscht worden bist, anstatt eine aufkommende Betroffenheit zu fühlen. Danke, dass du das Gedicht gelesen hast und dir auch noch die Zeit genommen hast, es zu kommentieren, das ist nicht üblich. Viele Leser denken vielleicht ähnlich, und werfen das Gelesene direkt auf den Müll - und basta. Liebe Grüße Sidgrani Hallo eKy, "Jeanny" werde ich mir nachher einmal anhören. Der Monolog des LI soll ja so harmlos bzw. hilflos klingen, weil das ganze Universum des alten Mannes gerade aus den Fugen geraten ist. Wie schon erklärt, die letzte Zeile soll ins Ziel treffen. Das Wort "geschrieben" ist dem Reim geschuldet, wie du sicherlich erkannt hast, da muss ich noch einmal schauen, ob ich das besser hinkriege. Danke für deine "durchblickenden" Worte und den "Beifall". Liebe Grüße Sidgrani |
Lieber Sid, |
Hallo Sidgrani,
das ist eine sehr innige und berührende Liebeserklärung an die verstorbene, langjährige Partnerin. Geradezu zärtlich naiv sind die Worte des alten Mannes, der sich noch einmal seinen Erinnerungen hingibt, bevor er sich endgültig von ihr trennen muss. Ich glaube, es ist hier genug erörtert worden, aber ich wollte dir ebenfalls mitteilen, daß mich dieser Text emotional sehr berühren konnte, ich kann es nachvollziehen. Ewiges Eis, ja... In diesem Sinne mit dem Protagonisten mitfühlend aber dennoch gerne gelesen und kommentiert...:) Liebe Grüße Bis bald Falderwald |
Hallo Sidgrani,
ein sehr gutes Gedicht, wie ich finde. Was (völlig zu Recht) gelobt wurde, möchte ich nicht wiederholen und nur zwei Zeilen markieren, an denen du vielleicht noch etwas verbessern könntest, wenn du willst. Der Ausdruck "wie aus dem Ei gepellt," passt meiner Meinung nicht ganz zu der Sprachebene des restlichen Gedichtes und in der letzten Zeile finde ich "sieht man deine Totenflecken" auch etwas störend. Es liegt nicht an dem Wort "Totenflecken" sondern am Verb "sehen", welches mir zu direkt ist. Der Schal "könnte" verbergen, würde das Bild realer machen. Hoffentlich verstehst du, was ich meine, ich kann es nicht genau ausdrücken. Bitte nicht als Gekrittel auffassen, das Gedicht ist sehr gut. Liebe Grüße Thomas |
Hallo ihr Drei,
ich danke auch euch für die ausführlichen Besprechungen, ihr habt noch einmal schön beschrieben, was die Aussage des Gedichtes ist, das freut mich. Was du, Thomas, noch angemerkt hast, werde ich in Ruhe überdenken. Liebe Grüße Sidgrani |
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