Gedichte-Eiland

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Erich Kykal 03.12.2009 10:44

Tagwerdung
 
Und wieder wird ein Tagerheben,
das mein erneuertes Erleben
wie ein Geschenk empfangen will.
Ein Glühen sintert Himmelweiten,
die Dunkelheit zu überbreiten,
die darin flutet, ernst und still.

Zart röten sich die Sterntapeten
schon wie von lichter Zauberhand
im kühlen Ost: Wie lang erbeten
von allem Wachsenden im Land.

Wie hell der Sonne frühes Licht
durch grüne Kronensäume bricht,
als wüchse aus der Seligkeit
der jungen Welt ein Wunderblick
zurück an fernes Kinderglück
aus krausem Faltenwurf der Zeit

und trüge es mit sich empor,
den neuen Tag damit zu krönen,
um wie mit tausenden davor
sich freudestrahlend auszusöhnen.

Ach, reichtest du doch immerzu
mein Herz - erwachter Morgen du -
an jedes unentdeckte Land,
in dem nicht unverhoffter Tod
es fände unter Schmerz und Not,
bevor es voll ist - bis zum Rand!

Leier 03.12.2009 11:16

Lieber Erich Kykal,

nach Zeit hätte ich das Komma weggelassen.
Nach Ach in der letzten Strophe eins gesetzt.
Du hast in der letzten Strophe mit den Ausrufezeichen gegeizt.... warum? Sie hätte es vertragen.

Was soll ich sonst noch schreiben?
Du bist ein Wortschöpfer vor dem Herrn.


Leier-cyparis

Erich Kykal 03.12.2009 13:06

Hi, Leier!

Das Komma nach Zeit - ich hatte es gesetzt, weil ich befürchtete, der Satz könnte ohne weitere Strukturierung manchen zu lang werden - ist weg.

Nach "ach" wollte ich erst keines - dort würde mich eine Pause eher stören, dachte ich - aber Dank deiner Anregung gefällt es mir nun sehr gut so.

Mit Rufzeichen bin ich immer sehr geizig und vorsichtig. Allzuleicht nutzen sich solche Zeichen ab.

Vielen Dank für deine Tipps. Und natürlich deine unverbrüchliche Lesertreue und dein Lob.

LG, eKy

Abraxas 03.12.2009 13:51

Hallo eKy,

ein schönes Gedicht - aber einige fromelle Fragen verursachend.

Falls ich mich nicht irre widersetzt du dich hier und da dem üblichen Sprachrhythmus:

Zitat:

das mein erneuertes Erleben
wie ein Geschenk empfangen will
Zitat:

hell durch die Kronensäume bricht
Zitat:

tief aus dem Faltenwurf der Zeit
Als käme mir auf der Jambusstraße ein Geistertrochäus entgegen, dem ich ausweichen müsste. Es ist nicht allzu stark, nicht problematisch, aber ein wenig musste ich hier und da stottern. Ich möchte das auch weniger anprangern, als es zur Frage umzufrormen: Inwieweit muss man sich dem üblichen Sprachrhythmus in einem Gedicht, dessen Metrum klar hervorgeht, eig. beugen? Ich wurde halt schonmal wegen so etwas kritisiert.

Wie gesagt, nur ne unsichere Frage. EKy ist ja ein Qualitätssigel. ;)

LG,
Abraxas

Erich Kykal 03.12.2009 15:53

Hi, Abraxas!

Bis auf genau diesen Punkt! Ich muss es immer wieder betonen:
Ich schere mich nicht um Metrikregeln - ich könnte Trochi, Jambi oder (Ptero)daktylus:D nicht mal ansatzweise auseinanderhalten!
Ich bin ein reiner "Gespürdichter" ohne tieferes Wissen um Fachtermini und Handbuchparagraphen. Ich "dichte" einfach, und wenn es sich beim Vortrag für mich ausgeht und gut anhört, dann passt das auch so - und fertig!
So macht's mir Spass: Eben Dichten, nicht altgriechische Begriffe lernen und X-e zählen.
Mag sein, mancher nimmt mich darob nicht für voll (bin selber schon diesbezüglich kritisiert worden), aber das ist mir eben ganz einfach wurscht (österr. für "egal"). Diese Haltung kann ich dir nur ans Herz legen: Es befreit ungemein von der Abhängigkeit von den Meinungen anderer!
Das heißt ja nicht, dass ich unwirsch oder unhöflich sein muss - ich bin eben nur "schwer zu überzeugen"...;)

Im aktuellen Fall: Du magst durchaus recht haben mit diesem leichten Ungleichgewicht. Wie auch immer: MICH stört es nicht, und das zählt. Ich könnte auch gar nicht mitreden betreffs Richtigkeit solcher Aussagen - ich nehm's einfach so hin. Ist es eben "komisch". Für mich liest es sich gut, so wie es ist.
Das ist keineswegs als Vorwurf gemeint! Ich achte Kompetenz und Fachwissen durchaus, aber MIR sind eben andere Dinge wichtig in der Lyrik.
Sollen andere davon halten, was sie wollen...

Mit selbstbewußtseinsfördernden Grüßen,

eKy

Abraxas 03.12.2009 16:10

Okay, falls du wirklich nur für dich schreibst und deinen Werken nicht abverlangst, auch anderen zu geziemen, dann kannst auch drauf pfeiffen. :D

Ich persönlich möcht das nicht, daher versuch ich auch auf sowas zu achten. :)


Jedem das seine,
Abraxas

Quicksilver 03.12.2009 16:35

Hallo eKy,

wir hatten zum Thema Metrik bereits ein ähnliches Gespräch und ich kann dich dahingehend verstehen. Nach Jahren der gleichen Einstellung habe ich in der Metrik eine neue Herausforderung entdeckt. Vielleicht wird dies bei dir irgendwann auch der Fall sein ;) Allerdings ist das in meinen Augen gar nicht notwendig, denn ich finde auch dieses Gedicht von dir sehr gelungen.

Ich werde darob keinen verbalen Kniefall vollführen, aber dir großen Respekt vor diesen Versen darbieten. Schöne Bilder, eine erneut geschliffene Wortwahl und ein gutes Gespür für das Empfinden der naturverbundenen Seele.

Gern gelesen.

Grüße
von
Quicksilver

Erich Kykal 04.12.2009 11:16

Hi, Abraxas!

Meine etwas polare Sicht der Dinge sollte natürlich in keinster Weise ein Vorwurf oder eine Indieschrankenweisung irgendeiner Art gegen dich sein. Natürlich schreibe ich meine Werke auch unter dem Aspekt, dass sie anderen ebenfalls gefallen sollen, aber das ist eben sekundär, und wenn etwas mal nicht gefällt, tut's nicht weh. Früher war das anders bei mir: Allzu leicht fühlte ich mich persönlich angegriffen oder herabgesetzt, wenn man einem Gedicht eine in meinen Augen ungerechtfertigt abwertende Kritik gab - ich nahm es zu persönlich, weil ich mich selbst zu sehr über die Reaktion auf meine "Kunst" identifizierte. Solch ein fremdgekoppeltes Selbstbild ist ausgesprochen labil, fordert ständig "Nachschub an Bestätigung" und macht abhängig in vielerlei Form. Deshalb habe ich das entkoppelt: Wenn's anderen nicht behagt, sei's drum. Ich schreibe, damit es MIR besser geht, nicht ihnen. Und allen recht machen kann man es sowieso nie...


Hi, Quicksilver!

Danke für deinen freundlichen Zuspruch! Die naturverbundene Seele - da sagst du was! Mich hatte man zeitweise ja schon als "Naturdichter" in den Foren sozusagen "festgelegt", weil mir diese Thematik so nahe steht, und Menschen mir eher fern sind, mal abgesehen von den eigenen Problemchen.
Allerdings erschöpfen sich irgendwann die Bilder: Nach dem 7. oder 8. "Waldgedicht" muss man sich schon Mühe geben, um sich nicht in Wortwahl und Ausdrucksbildern zu wiederholen.

LG, eKy

Archimedes 04.12.2009 16:54

Liebe Erich, ich sehe es ähnlich mit den griechischen Begriffen, wie du. Ofmals ist es nur eine Frage, der Betonung einzelner Wörter, ob es ein Jambus oder Trochäus ist, und da gibt es im deutschsprachigen Raum manchmal gewaltige Unterschiede. Bei dir sehe ich den Schwerpunkt jeder Zeile (meist) auf der vierten Silbe als ein crecendo dorthin, wie die Musiker es bezeichnen würden.

Ein Glühen sintert Himmelsweiten, ( das ist ein himmelweiter Unterschied )

"Schöne Bilder, eine erneut geschliffene Wortwahl und ein gutes Gespür für das Empfinden der naturverbundenen Seele." da möchte ich mich vorbehaltlos der Meinung von Quicksilver anschließen

Gruß Archimedes ...der mit den himmelweiten Kreisen

Dana 04.12.2009 17:18

Lieber eKy,
du hast es mit der "Metriknichtbeachtung":confused: auch viel leichter als viele andere. Du beherrscht den Sprachgesang, erfindest Bildworte und kannst es dir eben leisten, auf pedante Silbenzählung zu verzichten.;)

Meine Begeisterung liegt hier:

Sterntapeten,
Faltenwurf der Zeit,
hell durch Kronensäume .. usw, usw.

Eine erhebende Hymne an den Tag in seinem Werden.

Aber, bei so viel wunderbaren Worten im Gedicht ein sehr bescheidener Titel.:p

Tagwerdung :o - als würde man einen Schüler zwingen, aus Tag und werden ein Nomen zu bilden.:) Tagwerden?

Ein sehr schönes Gedicht.

Liebe Grüße
Dana


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