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Chavali 27.10.2011 11:03

unberührt
 




gänzlich unberührt vom fluss der zeit


stehen felsen

fest

unerschüttert

doch wind und regen füllen lücken



***


Hans Beislschmidt 28.10.2011 09:31

Hey Chavali,
schön, deine Anspielung auf den "Zahn der Zeit", der das Endprodukt Sand und Staub vorgibt. Auch für den Menschen kommt irgendwann einmal der Zeitpunkt, wo er seine Endlichkeit wahrnimmt.
Gruß vom Hans

Chavali 28.10.2011 16:19

Hallo Hans,

was ist der Mensch im Lauf der Zeit? Ein Staubkorn oder weniger.
Ein Felsen brauch ein wenig länger, um zu zerfallen.
Aber auch er lebt nicht ewig....

Danke für dein feedback!

Zeitlose Grüße,
Chavali

Stimme der Zeit 29.10.2011 17:15

Hallo, liebe Chavi,

ich kopiere dein philosophisch sehr gelungenes Werk hier herein, da ich auf dieses Gedicht besonders eingehen möchte, das macht es für andere Leser leichter.

Zitat:

gänzlich unberührt vom fluss der zeit

stehen felsen

fest

unerschüttert

doch wind und regen füllen lücken

Interessant die "Aussage hinter der Aussage", jedenfalls möchte ich das so nennen. "Hinter den Zeilen" lese ich die Möglichkeit, dass es eben nur so aussieht, als ob Felsen so fest und unerschütterlich wären. Ein Menschenleben ist viel zu kurz, um uns sehen zu lassen, wie die Felsen eben doch abgetragen werden. "Gänzlich unberührt" - ja, so scheint es, wenn wir unsere "kurzen Blicke" auf den Felsen richten.

Dabei sah ich irgendwie Bilder vom Grand canyon (das ist ein Wikipedia-Link) vor mir, den der Colorado river ausgewaschen hat. Wie gesagt: Wir sehen das nicht, aber der "Fluss" trägt auch den höchsten Berg ab - mit der Zeit ...

Wobei auch die "Lücken", die von "Wind und Regen" "gefüllt" werden, erst von eben diesen "geschaffen" wurden.

So ist auch das Leben. So lange es uns gut geht, fühlen wir uns stark - und "(be)stehen" so "unerschütterlich" wie ein Fels. Es sind manchmal "Stürme und Unwetter", die uns "erschüttern", aber es ist auch der "Fluss der Zeit", der stetig durch unser Leben "fließt", und sein "Flussbett" ganz allmählich, fast unmerklich, in uns hineingräbt.

Irgendwann hat er auch uns "abgetragen", denn steter Tropfen höhlt bekanntlich den Stein ...

Auch der Aufbau ist gelungen, diese "Stuktur" von "innen nach außen":

gänzlich unberührt vom fluss der zeit / doch wind und regen füllen lücken
stehen felsen / unerschüttert

und im "Zentrum": fest.

Sehr schön gemacht, die "Zusammenhänge". :)

Von diesem Sanduhrgedicht fühlte sich meine "philosophische Ader" ganz besonders angesprochen. :)

Sehr gerne gelesen und kommentiert.

Liebe Grüße :)

Stimme http://www.smilies.4-user.de/include..._devil_006.gif

ginTon 30.10.2011 17:11

liebe chavilein

bei diesem Werk mag ich die Kontrastierung, die erste Zeile spricht so noch von
einem "gänzlich unberührt" so wie die Felsen dort stehen, aber dies auch nur
eine weitere Betrachtungsebene darstellt "doch wind und regen füllen lücken"
...

ein Geologe rechnet glaube ich in Tausend oder Millionen Jahren, aber wo
ist dort eben die Grenze, definitiv findet dieser Prozess ja überall statt, bei
manchen dauert er nur Sekunden, bei anderen Millionen von Jahren...oder
vllt findet selbst bei dem Felsen tagtäglich eine Änderung statt

außerdem erinnert mich der text an einen koan, der so oder ähnlich ging
"lasse einen tropfen ins meer fallen und es ist nicht mehr das gleiche",
wobei die Aussagen im Kern übereinzustimmen scheinen vllt. sogar im Kern
das gleiche ausdrücken wollen

mag ich sehr deinen Text :):) liebe Grüße ginnie

Chavali 31.10.2011 10:14

Hallo liebe Stimme,

wie immer bist du tief in die Aussage des Textes eingetaucht und hast das Wesentliche mit ans Licht gebracht.
Wir glauben immer nur das, was wir sehen und einem Felsen sieht man nicht an (in unserem Leben),
ob er unberührt ist vom Fluss der Zeit.
Nun wissen wir ja, dass das nicht so ist und das alles in Veränderung begriffen ist.
Zitat:

Von diesem Sanduhrgedicht fühlte sich meine "philosophische Ader" ganz besonders angesprochen.
Das freut mich.
Dafür sage ich *danke* und grüße dich!



hi ginnie,

auch du hast Worte des Verständnisses und des Lobes da gelassen.
Zitat:

außerdem erinnert mich der text an einen koan,
Ja, scheinbar widerspricht sich im ersten Lesen die Aussage.
Wenn man aber tiefer taucht, erkennt man den Zusammenhang.
Auch dir ein dickes *danke* und lieben Gruß!



Chavali :)



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