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-   -   Philemon und Baucis in der Schweiz (http://www.gedichte-eiland.de/showthread.php?t=499)

Leier 10.03.2009 10:48

Philemon und Baucis in der Schweiz
 
Alt waren sie, die beiden vom Gröner-Hof.
Beide hatten gehofft, es möge eine Erbe nachkommen. Vergeblich.
Sie halfen sich beim Tagwerk, eins wie das andre. Hilfe gab nur ein Ochse im halbgefüllten Joch.
Sie saßen oft des abends im gemeinsamen Schweigen beisammen.
Eins den Kopf an die Schulter des Andern gelehnt. Draußen auf der Bank, wenn das Wetter
es gut meinte, drinnen, wenn es draußen zu arg war.
Sie hatten nicht viel, brauchten nicht viel. Gaben gern.

Zwei Burschen auf Suche nach Arbeit kamen.
Auch für sie gab es ein Nachtmahl, ein Nachtlager und einenTrunk -
aber keine Arbeit, der Lohn war zu karg.
Schritten am nächsten Morgen weiter, die Zwei, fröhlich die Hüte schwenkend
und ein "vergelts Gott!" auf den singenden Lippen.

Der Alte ging aufs Feld, mit dem Ochsen eine Spanne zu pflügen.
Er stürzte, kam nicht mehr hoch. Der Ochse, des Zügels ledig, schaute
dumpf.
Lang hat sie gewartet. Hörte nicht des Alten Schritt.
Wartete vergebens auf des Ochsen Trott.

Ging seufzend zum Herd und zog den Topf beiseite.
Sprach in bangem Ahnen in die Glut ein "In Aeternam", wie sie es vom Kirchgang kannte.
Stieg hoch. Langsam: den Schritt zu setzen und den Rock zu raffen, das kostete Kraft.
Sie hat ihn gefunden und ihre letzten Tränen in ihn hineingeweint.

So hat man sie entdeckt: die Arme des einen um den Andern gefaltet
gleich Fittichen, ineinandergeschmiegt.

Wo sie starben, stehen zwei Krüppelkiefern.
Der Hof ist verfallen.

Seeglitzern 13.03.2009 08:54

Liebe Cyparis,

ich kenne Deine Geschichte ja schon und ich muss wieder loben. Mir gefällt sie außerordentlich gut. Du hast den stifterischen Touch. Das griechische Flair hast Du auch sehr gut erhalten und ich muss sagen, dass ich Deine Geschichten sehr, sehr gerne lese. Leider schreibst Du nicht so viele. Das muss sich ändern, hörst Du, das muss sich Fürwahr ändern.
Bussi

Leier 13.03.2009 09:19

Liebe cori,

hab Dank für Dein Lob und die Ermunterung!
(Guck mal: Geißen-Peter!).
Ich schöpfe noch aus dem Fundus, denn momentan will mir absolut nichts einfallen.
Vielleicht kommen bessere Zeiten...

Ganz lieben Gruß
von
cyparis

Chavali 13.03.2009 11:05

Liebe cypi,

auch mir gefällt die Geschichte immer wieder!
Auch der Geißen-Peter (guck ich noch gesondert;))

Ich mag diese Art zu schreiben, wenig ausschweifend und immer auf den Punkt kommend
mit einem meist tragischen Klang.
Zitat:

Ich schöpfe noch aus dem Fundus, denn momentan will mir absolut nichts einfallen.
Das finde ich gut: Auch hier sollten die schönsten Texte stehen, die wir verfasst haben.


Lieben Gruß,
katzi

Leier 13.03.2009 15:43

Liebe Supikatzi,

hab Dank für Dein Lob.
Ich finde, für diese Gattung Kurzgeschichten sollte der Text möglichst komprimiert, wenn nicht gar reduziert sein.
Dann zerflattert die Stimmung nicht so sehr.
Bei einer KG von Ibiado ist mir das auch positiv aufgefallen.

Lieben Gruß
von
cyparis

a.c.larin 15.03.2009 08:54

lieber cyparis,
auch ich war sehr berührt von dieser geschichte!
Du hast das eins-Werden in der liebe wunderschön eingefangen in dem Bild der verschlungenen Krüppelkiefern....mein herz beginnt ein wenig zu schweben...ich danke dir....
larin

Leier 16.03.2009 07:15

Liebe larin,


das freut mich sehr, daß Dich meine Liebesgeschichte anrühren konnte.
Hab Dank für Deine Zeilen!


Lieben Gruß
von
cyparis

Panzerknacker 19.03.2009 08:48

Hallo Cypa,

ich habe mit Freude festgestellt: deine Kurzgeschichten sind einfach wundervoll. Sie lesen sich prima und man kann nicht genug davon bekommen. Wenn die Leute schon keine Poesie kaufen, vielleicht würde es mit Kurzgeschichten klappen.

Bewundernde Grüße schickt dir der Michael

Leier 20.03.2009 07:39

Lieber Panzerknacker -

wenn der Tag für mich mit einem so schönen Lob beginnt, ist er gerettet!
Aber das mit dem Kaufen ist so eine Sache:
Gekauft werden wohl eher moderne Kurzgeschichten, nicht so altmodische kleine Sagen aus dem ländlichen Raum. Ich spiele auch nie mit dem Gedanken an Drucklegung oder so.
Das ist mir nicht wichtig.

Lieben Gruß
von
cyparis

Feirefiz 14.04.2009 20:41

Liebe Cyparis!

Diese Geschichte von dir gefällt mir am besten!

Ich kommentiere immer lieber die sprachliche Form, als den Inhalt.
Denn Inhalt ist Geschmackssache, Sprache ist Macht!

ein Ochse im halbgefüllten Joch.
Dieses Bild finde ich eigenwillig und wunderschön!

Ging zeufzend zum Herd und zog den Topf beiseite.
Sprach in bangem Ahnen in die Glut ein "In Aeternam", wie sie es vom Kirchgang kannte.
Stieg hoch. Langsam: den Schritt zu setzen und den Rock zu raffen, das kostete Kraft.
Sie hat ihn gefunden und ihre letzten Tränen in ihn hineingeweint.

Dieser Absatz ist im Ganzen ein Traum!
Außerdem finde ich deine typografische(?) Form, also dies eigenwillige Setzen der Paragraphen, sehr stimmungsvoll und es unterstreicht den Text sehr schön.
Häufig verstehe ich Texte eher vom Klang her, wie mein großes Idol Thomas Bernhard. Dein Text klingt sehr schön, was soll ich sagen?
Große, Wahre Liebe!
Und dass am Ende aus Linde und Eiche zwei Krüppelkiefern werden ist...
Herzerreißend

*schnüff*
Feirefiz

Nachtrag: zeufzend? Das ist natürlich falsch.


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