Gedichte-Eiland

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Erich Kykal 03.12.2015 22:28

Stiller Tod
 
Leere Flaschen füllen Räume,
kalte Kippen auf dem Tisch,
das Besteck für süße Träume
neben dem verwesten Fisch

auf dem Teller. Blasse Kotze
rahmt den alten Teppichriss,
und dahinter aus der Glotze
trieft der tägliche Beschiss.

Grauer Körper ohne Wärme
sickert langsam durch ein Bett
aus Gewürm, und die Gedärme
seufzen leis im Leichenfett.

Was er wollte und erstrebte,
kümmert keine Seele mehr,
denn das Leben, das er lebte,
war schon viele Jahre leer.

Lailany 04.12.2015 01:00

Kia ora Eky,
ein schockierender Text. Du hast hier Bilder an die Wand projeziert, mit denen viele Menschen nicht direkt konfrontiert werden, außer sie üben Berufe aus, in denen sie sich dem Aufklauben der Scherben, verursacht von Drogensucht, verschrieben haben.
Antworten zur Frage, warum jemand zu Drogen greift, gibts vmtl so viele, wie es Sterne am Himmel gibt.
Keiner der Gründe hinter diesen Antworten aber kann eine Rechtfertigung dafür sein, dass ein Mensch sein Leben so achtlos und leichtfertig auf den Müll wirft. Zumal es sich nur in den seltensten Fällen auf sein eigenes beschränkt.
Meiner Meinung nach ist das Drogenproblem weltweit außer Kontrolle. Ist die Menschheit am besten Wege, sich selbst auszurotten? Wie kann man dem Einhalt gebieten? Die, die es in der Hand hätten, sind nicht daran interessiert, es lässt sich zu viel Geld scheffeln. Dasselbe gilt auch für Waffen.
Ausbeutung von Resourcen, Rohstoffen, Zerstörung der Umwelt.
All das geht doch Hand in Hand und wo wird das hinführen?
Fragen über Fragen, eine beängstigender als die andere. Mir hängt das alles zu hoch.
Sorry, Eky, ich bin abgeschweift, aber mit deinem Text hast du alles das heraufbeschwört, was mir Angst macht. Angst nicht für mich selbst, sondern für die nächsten Generationen.
Ich glaube, unsere Generation hatte das Glück, noch den Zipfel einer sehr guten Zeit zu erwischen.

Aufwühlendes Werk, mit dem du wieder sehr tief schürfst.

Gern gelesen und einige meine Gedanken dazu abgeladen.

HG von Lai:Blume:

juli 04.12.2015 12:28

Moin Moin eKy,:)

Dein Gedicht veranschaulicht in 4 Strophen die ganze Katastrophe. Es gibt so viele gründe wie es Menschen gibt. Sucht ist ein Zeichen von Selbstwertmangel. Zunächst gilt der Stoff und der Alkohol dem guten Gefühl, anschließend übernehmt der Körper das Ruder, und der Betroffenen ist nicht mehr Herr / Frau seiner selbst. Das Menschsein wird zum stillen Tod, wie du es hier so trefflich beschrieben hast. Es ist ein Dazwischen zwischen Leben und Tod.

Ich staune, wegen deiner klaren, drastischen Bilder, sie sind treffend und nicht übertrieben.:)

Sehr gerne gelesen, und ich hoffe das der Dogenmafia, die Handschellen angelegt wird, denn sie ist ein Konzern, der teifschwarze Zahlen schreibt.

Liebe Grüße aus dem sonnigen Schleswig - Holstein sy


:Blume::Blume::Blume:

Erich Kykal 04.12.2015 15:51

Hi, lai, Sy!

Die Drogen (Stoff, Alkohol) sind hier nur die Symptome der Selbstaufgabe. Das Gedicht kann man durchaus als Anklage gegen Drogenmissbrauch ansehen, allerdings stand mir beim Schreiben der Mensch vor Augen, der jahrelang nur noch vor sich hinvegetierte (siehe Conclusio), nicht unbedingt der Drogen wegen, sondern einfach irgendwie aus der Bahn geworfen und nie wieder zurückgefunden.
Der Rausch sollte ihn nur auf dem Weg bergab begleiten, um ihn vergessen zu lassen, sich selbst und die Welt ...

Dennoch - auch eure Sicht ist plausibel! Vielen Dank für eure Gedanken!:)

LG, eKy

PS: Bezüglich der "klaren, drastischen Bilder": Ich sah derlei mal im TV bei irgendeiner Sendung, "Die Saubermacher" oder so. Obwohl die direkten Bilder getrübt waren, war das versiffte Drumherum schrecklich genug! Gut, dass es kein Geruchs-TV gibt!
Bei solchen Texten darf man nie melodramatisch werden! Wer hier nach Effekten hascht, hintertreibt die Botschaft schon, indem er sie partout verkünden will! Bei sowas muss man journalistisch exakt beschreiben, nüchtern und kühl. Zuletzt eine wie lapidar drangehängte Conclusio - und fertig.
Bloß keine moralischen Zeigefinger! Nur dann wirkt es richtig!

juli 04.12.2015 17:40

Hallo eKy :)
 
Zitat:

Zitat von Erich Kykal (Beitrag 89086)

Die Drogen (Stoff, Alkohol) sind hier nur die Symptome der Selbstaufgabe. Das Gedicht kann man durchaus als Anklage gegen Drogenmissbrauch ansehen, allerdings stand mir beim Schreiben der Mensch vor Augen, der jahrelang nur noch vor sich hinvegetierte (siehe Conclusio), nicht unbedingt der Drogen wegen, sondern einfach irgendwie aus der Bahn geworfen und nie wieder zurückgefunden.
Der Rausch sollte ihn nur auf dem Weg bergab begleiten, um ihn vergessen zu lassen, sich selbst und die Welt ...

Ja, da hast du Recht, Drogen & Alkohol sind nur Symptome, die Hauptursache ist die Selbstaufgabe.

In deinem Gedicht kommt " das aus der Bahn gworfen" sehr gut rüber.

juli 04.12.2015 17:45

Zitat:

Zitat von Erich Kykal (Beitrag 89086)
Hi, lai, Sy!
PS: Bezüglich der "klaren, drastischen Bilder": Ich sah derlei mal im TV bei irgendeiner Sendung, "Die Saubermacher" oder so. Obwohl die direkten Bilder getrübt waren, war das versiffte Drumherum schrecklich genug! Gut, dass es kein Geruchs-TV gibt!
Bei solchen Texten darf man nie melodramatisch werden! Wer hier nach Effekten hascht, verrät die Botschaft schon, indem er sie partout verkünden will! Bei sowas muss man journalistisch exakt beschreiben, nüchtern und kühl. Zuletzt eine wie lapidar drangehängte Conclusio - und fertig.
Bloß keine moralischen Zeigefinger! Nur dann wirkt es richtig!


ich weiß jetzt nicht, wie man zitieren in ein und demselben "Antwortschreiben" macht:o

Die " klaren drastischen" Bilder sind Realität, das kann ich nur bestätigen. Um so mehr gefällt es mir, das hier kein erhobener Zeigefinder kommt. Nur dann ist es Richtig! So wie du es sagst.:)

Sehr gerne gelesen, weil es so natürlich auf mich wirkt.

Schönen Abend noch sy

:Blume::Blume::Blume:

charis 04.12.2015 17:53

Lieber Eky,

Ja, das ist ziemlich heftig. Nicht unbedingt das, was ich für einen entspannten Feierabend brauchte. Es scheint auf den ersten Blick überzeichnet, aber das stimmt nicht. Ich war einmal in einer Wohnung eines solchen bedauernswerten Menschen (die vom Gerichtsvollzieher geräumt wurde) und daher weiß ich, dass es nicht übertrieben ist. Was mich damals so rührte: Da war ein Hase in einem geräumigen Käfig, der frisches Futter hatte, aber das war auch schon das einzige, was dort noch an Lebendigkeit erinnerte.

Alle Achtung, wie du das in Verse gefasst hast!

Lieben Gruß
charis

Erich Kykal 04.12.2015 20:28

Hi, Sy!

Nochmals danke für das schöne Lob!:):Kuss


Hi, charis!

Im Beschreiben mehr oder weniger lyrischer Bilder bin ich gut, das gestehe ich gern ein, alles andere wäre falsche Bescheidenheit.;):p

Ich habe mal dasselbe gesehen, als ich als junger Mann Einsatzfahrer und Hilfssani bei der Rettung war - allerdings mit Katzen.
Überall Katzendreck und alte Streu zwischen dem Müll des Bewohners - aber die Tiere waren sauber, gesund und wohlgenährt. Was man vom (fast) verschiedenen heruntergekommenen Besitzer absolut nicht behaupten konnte!:Aua

Gruselnde Grüße, eKy

Falderwald 06.12.2015 18:32

Servus Erich,

ich musste lange Jahre aus beruflichen Gründen viele Wohnungen betreten und ich kann dir nur sagen, dass die ersten beiden Strophen die Realitäten ganz gut widerspiegeln, es war sogar oft noch schlimmer, was sich hinter den Fassaden meiner Heimatstadt abspielte.
Und sie ist nur eine kleine Großstadt, wieviel mehr an Not und Elend spielt sich in den Metropolen ab, ich will es gar nicht wissen.

Und genau das, was du in der dritten Strophe beschreibst, habe ich sich oft anbahnen gesehen, aber glücklicherweise nicht selbst erleben müssen, denn mich/uns orderten ja nur die lebenden Kunden.
Ein paar Wochen nach Eintritt des Todes aber könnte durchaus ein solches Bild entstehen, auch wenn sich das sogenannte "Leichenfett" (Leichenwachs, Adipocire) meist in ziemlich feuchter bis nasser Umgebung bildet.

Aber auch die vierte Strophe trifft ins Ziel, denn wahrscheinlich habe ich damals gar nicht bemerkt, wenn dieser Kunde nicht mehr da war.
Die Leere aber, die habe auch ich in schon so vielen Augen gesehen.

Ein sehr trauriger Text ist das, aber eben auch die Realität all derer, die aus dem Gleichgewicht geraten sind und sich in Abhängigkeiten verloren haben.


In diesem Sinne gern gelesen und kommentiert...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald



Erich Kykal 06.12.2015 19:25

Hi, Faldi!

Dem ist wohl nichts hinzuzufügen! Vielen Dank für die Einblicke in deine Erlebnisse.

Man sagt zwar, solche Fälle seinen unserer modernen "kalten" Gesellschaft geschuldet, aber das halte ich für Mumpitz. Die Menschen waren immer schon so, wie sie sind, nicht wärmer oder kälter. Früher verreckte der Einsiedler eben irgendwo im Wald, wo keiner über ihn stolperte, und ansonsten ließen die Lebensumstände es nicht zu, genug Privatsphäre aufzubauen, um derlei möglich zu machen.
In der Mangelgesellschaft früherer Jahrhunderte konnte man sich nicht so abseit stellen, solang man mit anderen in Dorf oder Stadt zusammenwohnte. Anonymität war die Ausnahme, aber nicht, weil man sie nicht gewollt hätte - sie war schlicht beinah unmöglich damals.

LG, eKy


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