Gedichte-Eiland

Gedichte-Eiland (http://www.gedichte-eiland.de/index.php)
-   Finstere Nacht (http://www.gedichte-eiland.de/forumdisplay.php?f=18)
-   -   Die Innenseiten meines Gesichts (http://www.gedichte-eiland.de/showthread.php?t=19313)

Erich Kykal 30.08.2018 19:42

Die Innenseiten meines Gesichts
 
Ich lernte dich kennen, ein Kind noch,
unschuldig, jung und angesichts
der Welt so vertrauensselig,
als wäre sie gut.
Du sonnst dich im Leben,
als gäbe es keinen, der dir etwas tut
im Namen seiner Dämonen
und ihres Gewichts.

Ich sagte dir, dass ich ein Monster wäre,
doch du glaubtest mir nichts!
Du meintest, ich hätte so freundliche Augen -
das könnte nicht sein!
Und du vertraust mir weiter,
denn dir fällt nicht ein:
Ich trage Fratzen
auf tausend Innenseiten meines Gesichts.

Chavali 31.08.2018 08:19

Hi Erich,

das ist in dreierlei Hinsicht interessant und ungewöhnlich:

1. deine Experimentierfreudigkeit
2. die freie Form
3. der Inhalt

Zu 1. und 2. drücke ich meine Verwunderung aus, aber auch Zustimmung.
Wenn auch mir persönlich das fein gereimte Zeugs besser gefällt ;),
so bin ich doch anderen Formen gegenüber aufgeschlossen und probiere gelegentlich selbst mal was.

Zu 3. ist zu sagen, das ist ein starker Text, eine starke Aussage.
Wer gibt schon gerne zu, dass sein meistens freundliches und entgegenkommendes Aussehen
und Gebaren Fassade sein könnte, wie das hier das LyrI getan hat.

Auf welche Art und Weise, gibt dein Text offen Auskunft.
Hoffentlich trug der/die Gegenspieler/in keinen psychischen Schaden davon :rolleyes:

Starker Tobak am frühen Morgen :o


LG Chavi



Erich Kykal 31.08.2018 12:15

Hi Chavi!

Vielen Dank zu eins und zwei! Ab und zu muss man auch mal fünfe grade sein lassen, wie man so schön sagt, und auf strenge Formen pfeifen. Dieses Gedicht wollte wohl einfach so nur der Sprachmelodie selbst folgen. Fein gereimt ist es übrigens trotzdem! ;)

Zu drei: Die meisten von uns tragen möglicherweise irgendwo ein Monster in sich und sind in ihrem Leben mehr oder minder erfolgreich darin, es zu bändigen.
Ich weiß um das meine, und ich verdränge es nicht. Ich erkenne es an, umarme es täglich - und mache es damit zum heimlichen Verbündeten, der mich unterstützt. Eben weil ich es leben lasse und respektiere, wird es mir nicht gefährlich, gärt und brodelt nicht unkontrolliert in mir, bis es irgendwann losbricht und andere verletzt!
Es weiß, dass es sich nie wird ausleben können, weil ich das nicht wünsche, aber da es sich als Teil von mir fühlen darf, rebelliert es nicht und arbeitet nicht gegen mich.

Wir alle sind doch letztlich eine Fassade, die wir der Welt zeigen, um sozial akzeptabel zu sein. Was dahinter lauert, mag bei jedem etwas anderes sein. Letztlich funktioniert unsere Welt nur mittels Selbstbeherrschung ...

Vielen Dank für dein Interesse! :Blume:

LG, eKy

Eisenvorhang 31.08.2018 14:11

Zitat:

Zitat von Erich Kykal (Beitrag 115117)

Wir alle sind doch letztlich eine Fassade, die wir der Welt zeigen, um sozial akzeptabel zu sein. Was dahinter lauert, mag bei jedem etwas anderes sein. Letztlich funktioniert unsere Welt nur mittels Selbstbeherrschung ...

Vielen Dank für dein Interesse! :Blume:

LG, eKy


Ich habe einen Lebensweg gewählt und bin sozusagen ausgestiegen. Ich bin ein sehr unsozialer Mensch, der seinen eigenen Weg geht und keinerlei Maske trägt. Weder im Forum noch im Reallife und damit lebe ich sehr glücklich. Kann ich nur jedem empfehlen.

Das Gedicht gefällt mir sehr sehr gut und auch die Entwicklung, die ich bei Dir beobachte, fällt Dir sicherlich nicht einfach.
Aber als alter Hesse und Rilke Fan, lieber Erich, weißt Du doch auch, dass selbst die großen Meister auf Regeln teilweise gepfiffen haben. Es gibt sogar Gedichte von Hesse, die im Sinne des Leseflusses kaum lesbar sind...


Dein Gedicht ist intensiv und entblößt die gute Maskarade, es hat was Soziopathisches, aber auch Ernüchterndes.

Gern gelesen und weiter so!

vlg

EV

Erich Kykal 31.08.2018 17:31

Hi EV!

Vielen Dank für die Einblicke und die vertiefenden Gedanken! :)

LG, eKy

Thomas 01.09.2018 20:23

Lieber Erich,

ich finde es sehr gut, dass du in diese Richtung experimentierst, die Form ist sehr interessant und gelungen. Nur würde ich statt:
"Ich sagte dir, dass ich ein Monster wäre,
doch du glaubtest mir nichts!"
sagen:
" Ich sagte, ich sei ein Monster,
du glaubtest mir nichts!"

Wegen der Anzahl der Versfüße 7 5 6 5 und 5 6 5 7.

Ich lernte dich kennen, ein Kind noch, unschuldig, jung und angesichts
der Welt so vertrauensselig, als wäre sie gut.
Du sonnst dich im Leben, als gäbe es keinen, der dir etwas tut
im Namen seiner Dämonen und ihres Gewichts.

Ich sagte, ich sei ein Monster, du glaubtest mir nichts!
Du meintest, ich hätte so freundliche Augen - das könnte nicht sein!
Und du vertraust mir weiter, denn dir fällt nicht ein:
Ich trage Fratzen auf tausend Innenseiten meines Gesichts.


Liebe Grüße
Thomas

waterwoman 02.09.2018 09:50

Hi Erich,

abgesehen von der experimentellen Form offenbart dein gedicht einen äußerst hässlichen Charakter...

Diesm Monster möchte ich nicht begegnen, denn man erkennt es nicht und das macht es umso gefährlicher :eek:

Gruselig.

Gruß
ww

Erich Kykal 02.09.2018 23:18

Hi Thomas!

Bei diesem Gedicht folgte ich nur dem Rhythmus der Sprache. Mit deinem kürzeren Satz erscheint mir diese Melodie an dieser Stelle unterbrochen. Ob das richtig ist, vermag ich nicht zu sagen, hier ging ich eben bloß nach "Gefühl".

Hi WW!

Entdecke und bezähme erst mal das Monster in DIR, du unschuldige und naive Nixe, ehe du dich über das von anderen gruselst. ;):p
Und wenn du jetzt sagst, du hättest keins - schade! Das macht dich viel uninteressanter ... :cool::rolleyes:


LG, eKy


Alle Zeitangaben in WEZ +1. Es ist jetzt 05:38 Uhr.

Powered by vBulletin® (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.

http://www.gedichte-eiland.de

Dana und Falderwald

Impressum: Ralf Dewald, Möllner Str. 14, 23909 Ratzeburg