Gedichte-Eiland

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Erich Kykal 12.01.2013 09:38

Bis ans Ende meiner Lieder
 
(gewidmet dem jungen Heinrich Heine)

Schüchtern bat sie mich zu bleiben,
wollte mit den weichen Haaren
meinen forschen Jugendjahren
Demut in die Seele schreiben,

als sie mir den ersten Flaum
auf dem Bauche zärtlich küsste,
so als ob sie sterben müsste,
wenn ich sie aus diesem Traum

jäh erweckte. Doch mein Leben
trieb die junge Lust von hinnen -
Neues wollte sie beginnen,
immer neu der Welt sich geben.

Schüchtern bat sie mich um Liebe,
so als wüsste sie nicht weiter,
wenn der ungestüme Streiter
nicht in ihrem Leben bliebe.

Aber was ist solche Bitte
einem Geist, der unempfunden
noch sich umtut, ungefunden
von des Lebens goldner Mitte?

Und so floh ich, oberflächlich
mein Gewissen zu betäuben,
das ein wenig sich zu sträuben
schien im Sinne mir tatsächlich.

Doch ich sah sie nimmer wieder,
meine Zweifel zu zerstreuen,
und so muss ich es bereuen
bis ans Ende meiner Lieder.

Timo 12.01.2013 09:49

Hi Erich,
über dieses Gedicht würde sich Heine sicher freuen, auch mir hast du mit deinen Worten Freude bereitet und ich habe gespürt, dass vergangene Liebe nicht völlig vergessen werden kann.

Herzlichst
Timo

Erich Kykal 12.01.2013 09:55

Hi, Timo!

Vielen Dank für diesen freundlichen Zuspruch!
Ich lese grade das lyrische Werk Heines (als Wortweber ist er meines Erachtens aus heutiger Sicht leider nur von eher durchschnittlicher Qualität - oder der Umgang mit Sprache hat sich schon zu sehr verändert...) und war überrascht, wie besessen er lange Zeit von diesem einen Thema war - der hat wohl nix anbrennen lassen!:D

LG, eKy

Falderwald 12.01.2013 23:32

Servus Erich,

das Gedicht ist vortrefflich und trotzdem musste ich schmunzeln, als ich die Widmung las.

Ich hatte letztens auch eine Gesamtausgabe von Heines Lyrik zur Hand, in dem die Gedichte chronologisch geordnet sind.

Es waren sehr viele traurige Liebesgedichte darunter und als ich einige davon Dana vortrug, konnte ich mir nicht verkneifen, ein wenig über den jungen "Jammerlappen" abzulästern.

Es ist jetzt ganz bestimmt nicht so, daß ich Heine nicht schätze, ganz im Gegenteil, aber ich fand, er ist fast im Selbstmitleid zerflossen.

Nun ja, zumindest ist dies bei ihm sehr gekonnt geschehen, ganz genau so, wie hier in deinem Text.

Und deshalb Daumen hoch, gerne gelesen und kommentiert...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald

Erich Kykal 12.01.2013 23:42

Hi, Faldi!

Auch ich lese die chronologische Fassung - ein blaues Büchlein.

Ich fand in seinen Frühwerken erstaunlich viele metrische Schnitzer und Betonungsfehler - oder betonte man damals irgendwie anders???

Jedenfalls danke für dein Lob an diese kleine Hommage!

LG, eKy

Dana 13.01.2013 19:48

Lieber eKy,
ja, der junge Heine hat, zumindest lyrisch, furchtbar gelitten.
Man kann aber nachlesen, dass es später nicht besser wurde, er hätte es nur humoriger ausgedrückt.

Z.B. hier:

Das Fräulein stand am Meere
Und seufzte lang und bang.
Es rührte sie so sehre
der Sonnenuntergang.

Mein Fräulein! Sein sie munter,
Das ist ein altes Stück;
Hier vorne geht sie unter
Und kehrt von hinten zurück. (Heinrich Heine)

Und hier das Gegenteil:

Wenn ich bei meiner Liebsten bin
Dann geht das Herz mir auf
Dann dünk ich mich reich in meinem Sinn
Und frag: ob die Welt zu Kauf?

xXxXxXx
xXxXxX
xXxxXxXxX
xXxxXxX

Doch wenn ich wieder scheiden tu
Aus ihrem Schwanenarm
Dann geht das Herz mir wieder zu
Und ich bin bettelarm. (Heinrich Heine)

xXxXxXxX
xXxXxX
xXxXxXxX
xXxXxX

In beiden Fällen hätte er "von uns" heute eine "konstruktive "iXerei" bekommen.:D

So viel zu deinen Antworten, bzw. zu den Kommentaren.

Deine Homage ist wunderschön, klangvoll und würde ihn, in jungen Jahren, weinen machen vor Rührung.;)

Liebe Grüße
Dana

Thomas 13.01.2013 20:36

Hallo ihr drei "Heineverachter",

vermutlich hat Heine einiges davon mit Absicht gemacht, aber das ist nur meine Vermutung. Er war jedenfalls nie ein Romantiker und ich lese ihn immer ironisch bzw. poemisch, wozu ein bisweilen "klemmendes" Metrum passt.

In der ersten Zeile von Danas Beispiel fehlt das X am Ende (für "bin"). Wenn man es einfügt, werden zwei völlig korrekte 4-Fuß/3-Fuß Volksliedstrophen daraus. Die Anzahl der unbetonten Silben muss dabei nicht immer gleich sein.

Das mit den X-en ist so eine Sache. Eigentlich gibt es ja nicht nur schwarz-weis X-x. Sehr lustig finde ich z.B., wenn man Goethe ausXt, mir scheint es, als gäbe es da manchmal mehrere Metren zum auswählen und manchmal scheinbar drei unbetonte Silben hintereinander, ganz zu schweigen von super-unreinen Reimen, die gar nicht groß auffallen oder stören. Wenn ich sein Sprachgefühl hätte, würde ich so etwas wahrscheinlich auch tun.

Ok, aber zu viel Respekt vor den großen Herren ist auch nicht nötig. Also lästert ruhig weiter, es macht Spaß zu lesen.

Liebe Grüße
Thomas

Dana 13.01.2013 20:42

Nein, nein, lieber Thomas,
ich habe nur vergessen zu beteuern, dass ich Heine mag.:)
Ich hatte nur das Erlebnis mit Faldi im Kopf, das er in seinem Kommentar erwähnt hat.;)

Verdirb mir das iXen bitte nicht. Du ahnst nicht, wie lange ich gebraucht habe, um es zu kapieren. Das kannst du doch jetzt nicht niedermachen.:D

Das Gedicht mit dem Fräulein und dem Sonnenuntergang finde ich übrigens köstlich.

Liebe Grüße
Dana

Thomas 13.01.2013 20:52

Hallo Dana,

Das Sonnenuntergangfräulein ist typisch für seine Ironie und seine Freude am Spiel mit dem Publikum.

Nun schließe ich den Laden für heute, und mache eine x-beinige Verbeugung.

Liebe Grüße
Thomas

marzipania 21.01.2013 21:46

Bis ans Ende meiner Lieder
 
Hach, das gefällt mir so recht von Herzen. :)
Nicht nur weil es von Heine handelt (einem meiner frühen Lieblinge), sondern weil es handwerklich so gut gemacht ist. Besonders die köstlichen Enjambements fallen mir sofort ins Auge.
Und der geschlossene Kreis, den du durch das Aufgreifen des Titels im Endvers schaffst.
Dadurch wird betont, dass dieses Thema ihn über lange Zeit beherrscht haben muss; sicherlich nicht zu seinem Nachteil. ;)
-------
Zu Xerei der alten Meister:
Ich denke, dass die viele Dinge lockerer gesehen haben als wir Forendichterlinge. Es gilt, wie bei den meisten Dingen, Balance zu halten.
Diejenigen, die akkurat bis pedantisch ihr Metrum unters Volk warfen (beispielsweise Voß und Platen) waren ziemliche Langweiler, nä?
Trotzdem bin ich eine strikte Befürworterin guten Handwerks.
Eine kleine Abweichung jedoch, der man ansieht, dass sie nicht aus Unkenntnis entstanden ist, kann einem Gedicht durchaus Tiefe und Eleganz verleihen.
LG, marzipania


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