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Dana 13.10.2014 19:30

Gekrümmte Bäume
 
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Der Schmerz aus fernen Kindertagen
verblasst im satten Jugendgrün;
wenn Bäume erste Früchte tragen,
dann scheinen sie nur stolz und kühn.

Die ersten Stürme aber brechen,
verbiegen sie in Ast und Halt,
als wollten sie das Schweigen rächen
und sichtbar machen in Gestalt,

woran sie einst gelitten haben,
warum sie schwach geblieben sind.
Im eignen Schicksal tief vergraben
weint lautlos immer noch das Kind.
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Oder, falls noch jemand liest:

Die ersten Stürme aber rächen,
verbiegen sie in Ast und Halt,
als wollten sie das Schweigen brechen
und sichtbar machen in Gestalt.

Chavali 14.10.2014 16:04

Liebe Dana,


Erlebnisse und Ereignisse im Kindesalter können verblassen - aber sie sind immer da, bei sensiblen Kindern
vor allem die negativen.
Verborgen und darauf wartend, durch Erlebnisse und Ereignisse im Erwachsenenalter wieder aufzutauchen.

Erfolge und glückliche Zeiten können nicht darüber hinweg täuschen.

Dein Gedicht hat mich tief berührt und in bestimmter Weise auch betroffen gemacht.
Ein junger Baum, schon früh durch kalten stürmischen Wind gebeugt, wird niemals gerade in die Höhe wachsen.

Es bedarf sehr viel eigener Kraft, sich zu straffen. Die haben und das schaffen nicht allzu viele...


Ein gutes, ein notwendiges Gedicht, das durch seine subtile Wortwahl besticht.

Eines der besten, die ich zu dem Thema jemals gelesen habe!

Lieben Gruß,
Chavali




AAAAAZ 16.10.2014 14:06

Hallo Dana,

als wollten sie das Schweigen rächen...? Dieses Rachebild will sich mir nicht erschließen. An der Küste der rauhen Normadie wachsen die meisten Bäume schief, seeabgewendet zum Land hin. Hier manifestiert sich der chronische Wind in Gestalt der Bäume bzw. Büsche. Dass ein Kind schon früh im System verbogen und auf Konformität gebürstet wird, will mir einleuchten. Wer wollte hier wen und warum rächen? Die Bäume in einer Verweigerungshaltung auf dem Weg zum graden und üppigen Wachstums, oder die ausgelassenen Stürme? AZ

Dana 16.10.2014 18:29

Liebe Chavali,

herzlichen Dank für einen sehr einfühlsamen Kommentar - als wärst du bei meinen Gedankengängen dabei gewesen.:)
Noch mehr danke ich für das schöne Lob.;)
Kinder sind unser höchstes Gut. Mir ging es um die Beachtung aller Kinder, der eigenen und des Kindes in uns. Du hast es genau so erfasst.

Liebe Grüße
Dana

Hallo AZ,

auch dir herzlichen Dank für deinen Kommentar.
Meine Gedanken waren ein wenig anders, als du verstanden hast.
Der chronische Wind ist das Leben selbst, auf dieses Kinder in behüteter Kindheit vorbereitet werden. Ist es gelungen, halten sie den Stürmen entgegen. Sie werden zwar gebogen, aber sie haben die Kraft sich wieder in die Höhe zu "strecken".

Zitat:

Zitat von AAAAAZ
An der Küste der rauhen Normadie wachsen die meisten Bäume schief, seeabgewendet zum Land hin.

Diese Bäume und Bäumchen sind "naturgegeben". (An der Nordsee übrigens auch.) Sie sind zwar schief, doch alle gleich, knorrig und stark.


Zitat:

Zitat von AAAAAZ
Dieses Rachebild will sich mir nicht erschließen.

Kinder, die Leid und Schmerz erfahren haben und darum im Leben zerbrechen, sind jene, die sich nicht wehren konnten. Die nicht aufgeschrien, sondern ausgehalten, ertragen haben. Sie sind schwächer als andere und werden im Leben eher "gebrochen". Das Leben (die Stürme) fügt ihnen weiteres Leid zu, das sich dann in ihrem "gescheiterten" Leben gestaltig zeigt. Das einstige Leid wird immer noch nicht ausgesprochen oder besprochen. Sie selbst können es in der Form nicht mehr erkennen und die anderen bekennen sich nicht mehr dazu - darum "als wollten sie das Schweigen rächen".
Das Leben holt alle ein - das Schweigen hält es aufrecht.

Ich hoffe, ich konnte dir meine Intuition verständlich erklären.

Liebe Grüße
Dana

poetix 21.10.2014 21:30

Hallo Dana,
das Gleichnis der Bäume in den Stürmen für den Menschen in seinem Leben halte ich für gelungen. Das Hauptthema hier ist aber wohl
HTML-Code:

Der Schmerz aus fernen Kindertagen
Das ist das, was wir ein Leben lang mit uns herumtragen, das uns aber auch ausmacht: Das ist unsere Vergangenheit, die uns geprägt hat. Und so ist es befreiend, das zu finden und herauszulassen:
HTML-Code:

Im eignen Schicksal tief vergraben
weint lautlos immer noch das Kind.

Sehr berührend und gut gelungen.
Viele Grüße
poetix

Erich Kykal 26.10.2014 18:04

Hi, Dana!

Sehr gelungen - eins deiner Allerbesten!

Das mit dem Schweigen war mir gleich klar: Das Sublimieren von Kindheitstraumatas, das Totschweigen der tiefsten Wunden - irgendwann kommt es doch zutage, prägt unser Leben.
Erstarrt in Schmerz altern wir, sind erst Frucht und Kraft der Jugend geschwunden, die einzig die frühen Narben überdeckten.

Allergernst gelesen!

LG, ein Krummer

Dana 26.10.2014 18:14

Hallo Black Raziel,

vorab ganz lieben Dank.
Das mit der "Erklärung" ist immer so eine Sache. Manchmal wird sie verweigert und dann kommt der Einspruch, es ginge ja nicht um "Rätselraten".
Ich neige dazu, mich relativ schnell zu erklären, denn gelesen werden meine Gedichte hier im Zusammenhang mit Kommentaren.
Den "langen Satz" möchte ich gerne so lassen, denn das ist ein Ding, das ich in den Anfängen bei anderen Dichtern bestaunt und bewundert habe. Wenn ich dann selbst einen schaffe, dann ....:o - ok. Außerdem gefällt mir deine Interpretation der inhaltlichen Fortführung der Vergangenheit dazu sehr gut.:)

Liebe Grüße
Dana


Hallo poetix,

auch dir lieben Dank. Es freut mich immer besonders, wenn "Berührung", gerade bei solchen Themen, bestätigt wird.
Wir tragen sehr viel durch unser Leben und ich denke sehr viel darüber nach.
Es sind "Erlebnisse", "Geschichten", die nicht durch bloße Beobachtung inspirieren. Sie haben mit Nähe zu Freunden, Familienmitgliedern, den eigenen Kindern und zu sich selbst zu tun.

Liebe Grüße
Dana

Terrapin 27.12.2014 05:10

Hallo Dana,

das sind wirklich gelungene Verse, die Freude machen sie zu lesen.
Schlicht und schön. Viel mehr habe ich leider nicht zu sagen, wie so oft. Leider.

Herzliche Grüße, Pinni.

Dana 30.12.2014 18:25

Hallo Terrapin,

danke, dass es gefällt - freut mich sehr.

eKy, verzeih. Du hast wohl kommentiert als ich geantwortet habe.
Dein Lob ist Balsam für meine Seele.

Liebe Grüße euch beiden,
Dana

juli 30.12.2014 19:30

Liebe Dana:)
 
Sehr schöne melancholische Zeilen über der Älter werden, über das Sein und über erlittene Schmerzen, die einst verdrängt wurden, um später wieder an die Seelenoberfläche zu kriechen.

Ich kann mich nur meinen Vorrednern anschließen. Deine Zeilen berühren tief. Mir gefallen die schlichten Worte.:Blume::Blume::Blume:

Sehr gerne gelesen

LIebe Grüße sy


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