Gedichte-Eiland

Gedichte-Eiland (http://www.gedichte-eiland.de/index.php)
-   Persönliches Gedichte-Archiv (http://www.gedichte-eiland.de/forumdisplay.php?f=44)
-   -   Katzenkörbchen (http://www.gedichte-eiland.de/showthread.php?t=215)

Chavali 23.02.2009 15:27


Schutzlos


Sie kommen in Scharen
fallen über dich her
picken die losen Fetzen
entblößen dich bis
zur Nacktheit

Deine Haut ausgeliefert
schutzlos dem Schlagen
der Flügel und
gierig die Geier
krumm ihre Schnäbel
und scharf

Leg dir den Mantel um
schirme dich ab
dann ziehn sie von dannen
als wärst du nicht da
unsichtbar




Chavali 23.02.2009 18:36

Verlorenes Paradies
 



Niemals kann ich die alten Türen öffnen,
vor Jahren sperrte ich sie selber zu.
Ich ließ den Schlüssel in den Brunnen fallen
und ahnte, diese Zone ist tabu.

Mein neues Haus hat neue Türen,
sie schwingen weich und knarren nicht.
Die Flügel sind weit für mich geöffnet
und goldne Leuchter spenden helles Licht.

Doch ich vermiss die alten Türen,
das dunkle Holz, das leise zu mir spricht!
Kerzenschein erhellte uns die Fenster
und roter Mond, der durch die Wolken bricht.

Die grauen Steine fangen meine Tränen,
sie saugen rau und gierig Leben auf.
Und ich - muss ich das wirklich noch erwähnen -
trockne aus im Städteschlussverkauf.




Chavali 23.02.2009 18:49

Was bleibt
 


Wirst du dich fragen am Ende der Zeit,
ob alles so kam, so wie du es gewollt,
ob nicht noch ein anderes Leben bereit,
bevor unvermeidlich der Tod kommen sollt?

Wirst du dann an all jene Menschen denken,
die dich selbst im Elend noch heiß geliebt,
an die, die dir halfen, dein Dasein zu lenken,
an die, deren eigene Hoffnung getrübt?

So geh denn in Frieden mit uns und mit dir,
die Welt dreht sich weiter in alter Manier.
Auch wir müssen sterben und fragen uns dann,
warum diese Zeit bloß so rasend verrann.

Was bleibt denn von all unsren irdischen Tagen?
Sie sind wohl vergangen, vergraben, vergessen.

Warum also zeitenlang sinnlose Fragen -
ist all dieses Streben nicht unangemessen?




Chavali 23.02.2009 21:08


Großstadtmelodie

In vielen Sprachen singst du dein Lied,
in allen Häusern bist du zu Haus.
Verhüllst im Summen, was dort geschieht,
schmetterst es manchmal auch laut hinaus.

In vielen Augen sieht man die Noten,
die sich zu Simfonien vereinen,
alles erlaubt, nichts ist verboten,
alles bejahen, den Takt nicht verneinen.

Aus vielen Mündern Bass und Sopran,
gewaltiges Stimmengemenge!
Dazwischen trompetiges Hupen der Bahn,
der Fahrzeuge verschiedener Klänge.

Alles zusammen und doch allein
stehe ich in dem Menschengewirre.

Die gewaltige Oper macht mich irre:
Ich möchte auf einer Insel sein.




Chavali 24.02.2009 15:27

Entwirrung
 

Hier sitze ich und nichts will mir gelingen.
Die Tinte trocken, das Papier zu rau.
Gedanken eingesperrt im tristen Bau,
den weiße Fetzen alter Zeit umschlingen.

Soll ich mit unsichtbaren Geistern ringen?
Mir kleinem Menschen scheinen sie zu schlau.
Ich weiß kaum, ob ich Mann bin oder Frau -
was kann mir wirrem Geist Erleuchtung bringen?

Ich kämpf mit mir, mit alten Rollenspielen,
verwerf Versionen alter, düst'rer Macht,
versuch das Spiel der falschen Art zu glätten.

Mein Hirn beginnt sich im Erfolg zu sielen.
Ich spür die Ruhe mit Beginn der Nacht.
Bald wird sie mich und meine Seele retten.



Chavali 25.02.2009 17:29


Geliebt und gehasst



In staubigen Mündern fault grünwelkes Obst
und weißer Marmor blendet silbern.
Fischschwänze zucken in seltsamem Rhythmus,
geputzte Tannen neigen ihr Haupt.

Ein Einarmiger klaubt Reste vom Boden,
der Kies knirscht feudal unter breiten Reifen.
Wind trägt aus dem Bauch die Asche davon,
Klaviermelodien zeugen von Reichtum.

In Ketten und frei, so bist du, Paris!
Golden und nachtschwarz, geliebt und gehasst.
Du lebst und du stirbst am Tag tausendmal,
verflucht und vergöttert, ein glänzendes Grab.



Chavali 25.02.2009 17:30


Der Zeit weit voraus



Da liegen sie vor mir,
die Straßen,
der Zeit weit voraus

Ich gehe ein Stück
des Weges,
seh nicht den Fuß
der mich trägt

Erkenne das Ziel nicht
und kehre um,
ich find nicht zurück

Verirre mich
im Dickicht der
falschen Pfade



Chavali 25.02.2009 17:32


Auf dem Dach der Welt



Ich stehe auf dem Dach der Welt,
den Blick fest hin zum Tal gewandt.
Die blauen Gletscher sind zerschellt,
zerklüftet, gläsern ausgebrannt.

Man sprach mir von dem Mut zur Höh',
der Absturz fast unmöglich schien.
Doch Sturm trieb eine laue Bö
hinauf zu Berges Agonien.

Um Mitternacht geschah es dann:
Die Wand aus Eis zerbrach,
als Wasser stürzend niederrann,
mit mir und aller Schmach!

Ertrunken bin ich in dem Stolz,
der Würde meines Lebens.
Mein eigner Wille, er zerschmolz,
mein Aufstieg war vergebens.



Chavali 25.02.2009 18:09

Tödliches Schweigen


Das Schweigen gellt in die dunkle Nacht,
tanzt voll Lust und schaut sich nicht um,
es hat schon seit Monaten irre gelacht
und sucht für sich selbst ein Imperium.

Das Schweigen findet ein lichthelles Haus,
mit Lachen und frohen Liedern darin,
besetzt es, breitet sich spinnnetzig aus,
hat endlich gefunden für sich seinen Sinn.

Das Schweigen herrscht über Leben und Tod,
vernichtet all das, was in uns erklingt.

Einmal erwacht schwach das Morgenrot -
und Stille schweigenden Kanon singt.



Chavali 25.02.2009 18:10


Wort und Tat



Dein Mund spricht schöne Worte, sanft und tief und klar,
meine Seele nimmt sie auf und hält sie für wahr.
Dein Herz jedoch trägt Trauer, mit dunkelschwarzem Band,
es wird mich einst verlassen, noch eh wir uns gekannt.

Der Klang der Mannesstimme trägt mich hinauf zum Licht,
wie Wachs zerschmelzen Silben, ich aber spür es nicht.
Den Sturz der schönen Worte hält deine Lust nicht auf,
gebrochen deine Schwüre, die Tat hält Ausverkauf.




Alle Zeitangaben in WEZ +1. Es ist jetzt 11:04 Uhr.

Powered by vBulletin® (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.

http://www.gedichte-eiland.de

Dana und Falderwald

Impressum: Ralf Dewald, Möllner Str. 14, 23909 Ratzeburg