Gedichte-Eiland

Gedichte-Eiland (http://www.gedichte-eiland.de/index.php)
-   Finstere Nacht (http://www.gedichte-eiland.de/forumdisplay.php?f=18)
-   -   Melancholie, regenfad. (http://www.gedichte-eiland.de/showthread.php?t=19949)

Walther 19.02.2019 15:15

Melancholie, regenfad.
 
Melancholie, regenfad.

Der Morgen hat den Mund sehr vollgenommen.
Jetzt steht er da mit seiner kurzen Hose.
Es waren nur noch Reste in der Dose;
Den Kaffee hat er nicht mehr hinbekommen.

Die Blätter auf dem Tisch sind leer und lose.
Der Plan vom Leben bleibt total verschwommen.
Dem Dichter schwant nichts Gutes, und beklommen
Schreibt er von Lebensangst und toter Rose.

Der Himmel hat sich heute überworfen
Und weint jetzt regenfad Melancholie.
Er weiß doch, so gebiert man Liebe nie,

Versucht, die Trauer in ein Bild zu morphen,
Lebendiger und schöner noch als sie;
Am Ende ist es nur ein Schuss ins Knie.

Erich Kykal 19.02.2019 17:15

Hi Walther!

Super gedichtet, aber: Sollte "Trauer" wirklich "lebendig und schön" sein? Das Bild widerspricht sich mE., so wie du den Satz konstruiert hast.

Auch beim "morphen" ist mein Sprachgefühl zusammengezuckt, denn als kaum gebräuchliches Fremdwort sticht der Ausdruck doch sehr - und sprachharmonisch leider unangenehm, zumindest für mich - heraus.

Ebenfalls nicht optimal der Übergang von S1Z1 zu Z2:
In Z1 ist vom Morgen die Rede, in Z2 nimmt man mit dem "er" also automatisch Bezug auf ebendiesen personifizierten Morgen - aber inhaltlich passt das nicht, so weit ich es mitbekommen habe: Das "er" meint da schon den blockierten Dichter!
Da dieser allerdings nie dazwischen namentlich eingeführt wurde, kommt es beim ersten "er" nach dem zu vollmundigen Morgen eben zu einer fehlerhaften Kausalverknüpfung, die den Lesegenuss doch deutlich einschränkt.

Abgesehen von den monierten Stellen ein höchst gelungenes Sonett!

Sehr gern gelesen und beklugscheißert! :)

LG, eKy

Walther 20.02.2019 11:27

Lieber eKy,

danke für deine detaillierte besprechung. der bezug in s1 ist korrekt. das "er" dort bezieht auf den morgen. das bild in s4 widerspricht sich nicht, denn der dichter scheitert ja beim versuch, das hinzukriegen.

lieber gruß W.

Erich Kykal 20.02.2019 13:52

Hi Walther!

Sorry, dass ich nachhake, aber ich denke, der Text verdient ob seiner Gesamtqualität ein paar weitere Gedanken:


Zu S1 - Und wann genau schaltet dein Text dann um vom personifizierten Morgen zum vergnatzten Dichter, der ihn durchlebt?
Dieser undifferzierte Wechsel sorgt beim Leser für Verwirrung. Das würde ich eindeutiger klären.
Logisch wäre für mich zwischen S1Z2 und 3, denn wie käme ein Morgen, personifiziert oder nicht, dazu, auch noch einzukaufen und Kaffee zu brühen!?
Da müsste der Dichter zum ersten Mal "eingeführt" werden, damit die Bezüge "umspringen":

Der Morgen hat den Mund sehr vollgenommen.
Jetzt steht er da mit seiner kurzen Hose.
Dem Dichter bleiben Reste aus der Dose;
Den Kaffee hat er nicht mehr hinbekommen.

Sonst bekäme der Morgen auch zuviel inhaltliches Gewicht, hier geht es ja vornehmlich um den Poeten. Und was genau soll das Bild mit der "kurzen Hose" besagen? Liest das Gedicht jemand im Sommer, kommt ihm daran nichts seltsam oder unpassend vor. Daraus ein allgemein gültiges Symbol für "zu kurz gekommen" zu basteln, erscheint mir etwas gewagt.


S4 - Ach so - ein Bezugsproblem! Ich dachte, "lebendiger und schöner" bezöge sich auf "Trauer", aber du meintest "Bild".

So wäre der Bezug klar:

Versucht, die Trauer in ein Bild zu morphen,
das schöner noch und tiefer ist als sie;

Der Artikel eingangs der Zeile klärt eindeutig, was gemeint ist. Das würde weiteren Lesern meinen Lapsus ersparen.


Nochmals gerne gelesen! :)

LG, eKy


Alle Zeitangaben in WEZ +1. Es ist jetzt 18:12 Uhr.

Powered by vBulletin® (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.

http://www.gedichte-eiland.de

Dana und Falderwald

Impressum: Ralf Dewald, Möllner Str. 14, 23909 Ratzeburg