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Blaugold 04.07.2009 15:42

Die ganze Welt zum Fraß ...
 
Aus Meeresschluchten komme ich hierher.
Die Tiefenluft hat mir sehr gut getan.
Kein Sauerstoff, nur Schwefel und Butan.
Ich kacke dafür flach gepressten Teer.

Äonen habe ich damit verbracht,
mich überhaupt nicht weiterzuentwickeln.
Ich mag nicht dieses Genzusammenfrickeln,
denn schon zu Anfang war ich gut gemacht.

Doch jetzt beginnt die nächste Episode,
die Atmosphäre ist schon so marode,
dass sich mein hergebrachter Lebensraum

nach oben in die Lichterflut verzieht.
Ich wage mich auf neueres Gebiet.
Nur Sauerstoff hielt mich bisher im Zaum.

Doch bald, wenn ich mutiere, mit der Zeit,
erobere ich wasserloses Land,
ernähr mich von Silicium im Sand
und kacke dann in tausend Fahrenheit.

Ich brauch zum Leben nur ein bisschen Gas,
mein Dasein spielt sich ab in einer Zelle.
Seit Anbeginn bazill ich auf der Stelle,
doch bald liegt mir die ganze Welt zum Fraß ...

Dana 05.07.2009 21:48

Aus einer Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts:
Zitat:

Der Meeresboden mit seinen über Jahrtausende gealterten und vom Sauerstoff abgeschnitten Ablagerungen bietet keinen Lebensraum für höhere Organismen, bekanntlich aber für eine Fülle von Mikroorganismen mit oft erstaunlichen Lebensweisen. So wurden jetzt Wissenschaftler vom Bremer Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie im Schlamm von Gasquellen auf dem Meeresgrund auf bisher unbekannte Bakterien aufmerksam, welche in sauerstofffreier Umgebung die Gase Ethan, Propan und Butan als Nahrung nutzen; dabei reduzieren sie natürliches Sulfat aus dem Meerwasser zu Schwefelwasserstoff. Ethan, Propan und Butan sind chemisch einfach aufgebaute Kohlenwasserstoffe, die uns teils als Brenngase vertraut sind. Von ihrem Entstehungsort tief im Meeresboden gelangen sie stellenweise an dessen Oberfläche und bilden Gasquellen aus. Für das natürliche Recycling der Kohlenwasserstoffe zu Kohlendioxid sind die entdeckten Bakterien wahrscheinlich wichtig. Aus technischer Sicht könnten sie eher störend sein, denn in genutzten Gaslagern würde der von ihnen gebildete Schwefelwasserstoff die Gasqualität mindern.

Lieber Blaugold,
das sind nicht gerade Traumvisionen - eher Weltuntergangsstimmung.
Erstaunlich jedoch, dass ein Poet sich Mikroorganismen aussucht und diesen sechs gewaltige und aussagekräftige Strophen widmet.:cool:
Was ich mir da angelesen habe, hörte sich noch nicht so düster an. Vielleicht weißt du schon mehr.:eek:
Ich staune immer noch über deine Inspiration, nein ich bewundere sie. Darum habe ich mich hier zwar bescheiden ausgelassen - aber einiges dazu gelernt.;)
Liebe Grüße
Dana

Blaugold 23.07.2009 23:35

Hallo Dana

Mein Thema, dass sich sogenannte niederste Lebewesen mit einer Umwelt arrangieren, die für unsereins, ja sogar für alle höheren Lebewesen, eher tödlich ist, driftet eher in die Aussage, dass unsere Zeit wahrscheinlich eher abläuft, als die der Bakterien. Wenn für uns schon lang kein Kräutlein mehr wächst, genügt denen zur Fortpflanzung und Ernährung jeder übriggebliebene Rest.
Nein, das Gedicht soll nicht noch eine apokalyptische Möglichkeit breittreten.
Ich ließ nur mein LI, quasi so eine "linke" Bazille, ein bisschen von sich erzählen und von der Zukunft träumen. Schon mit gewissem sachlich fundiertem Hintergrund, aber mit Augenzwinkern natürlich.
Mikroorganismen sind für die "höheren" Lebewesen von höchster Bedeutung. Umgekehrt sind wir für deren Überleben absolut entbehrlich.

Ich freue mich sehr über dein Lob bezüglich meiner Inspiration. Ich liebe es, manchmal alles Mögliche als virtuelles (lyrisches) Ich "zu Wort" kommen zu lassen.

Blaugold

Leier 24.07.2009 06:54

Ja, lieber Blaugold -

wenn längst alles andre Leben auf der Erde erloschen sein wird:
Die Bakterie wird wohl überleben.
Gut dem Dinge!
Und sehr gut bedichtet!

Lieben Gruß
von
cyparis

a.c.larin 24.07.2009 09:30

lieber blaugold,

ich weiß nicht, ob du schon mal frank schätzings "der schwarm" gelesen hast -aber dieser thriller beruht auf ähnlichen tatsachen....
spannende lektüre! kanns empfehlen!

liebe grüße
larin


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