Gedichte-Eiland

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Erich Kykal 31.05.2016 19:17

Die Alte
 
Ins viel zu vielte Jahr des langen Lebens
gebeugt gleich alten, sturmgeprüften Bäumen
ertastet sie das Schweigen in den Räumen.
Ein dürrer Schatten früheren Bestrebens,

so setzt sie ihren Stock mit vagem Zittern
und hievt sich mühsam in zu kurzen Schritten
den Tag entlang, vergessen schon inmitten
verjüngter Zeiten, die Erfolge wittern -

und wollte doch um kein Jahr jünger werden,
verlöre sie, was ungezählte Stunden
an Wissen schenkten, Weisheit und Erfüllen!

So trägt sie leichthin ihre Frist auf Erden,
denn ihren Frieden hat sie längst gefunden -
und alles Weitere wird sich enthüllen.

juli 01.06.2016 08:59

Hallo eKy,

Hierzu muß ich sofort etwas sagen!

Es erinnert mich an meinen Schwiegervater.:Herz::Kuss

Jedes Wort.:):Blume::):Blume:

Ich weiß ich werfe hier mit Smileys, aber sie sollen ausdrücken, daß ich dein Gedicht wunderbar finde.

Begeisternde Grüße sy

:Blume::Blume::Blume:

Erich Kykal 01.06.2016 13:17

Hi Sy!

Nicht jedem ist es vergönnt, in Würde zu altern oder überhaupt alt zu werden.
Es ist immer etwas, das wir von uns schieben, bis es uns ereilt, zustößt - oder geschenkt wird, wenn man es anders herum betrachtet.;):)
Der menschliche Körper, so sagen Wissenschaftler, ist theoretisch ausgelegt auf eine Lebensdauer von ca. 300 Jahren, aber die Welt, auf der wir leben, tut offenbar alles, um diese Zeit abzukürzen!
Selbst der lebensnotwendige Sauerstoff ist im Grunde ein Zellgift - jeder Atemzug ist zugleich Leben und Tod! Was wir essen, erhält uns und tötet uns gleichzeitig langsam. Umwelt aller Art setzt uns zu, Klima, Krankheiten und Schwerkraft tun ein Übriges ...
Der Körper altert rasch - in der Steinzeit hatten wir eine durchschnittliche Lebenserwartung von um die 30 Jahren - das reichte, um dem Fortpflanzungs- und Arterhaltungsauftrag zu genügen.
Wie lang hat es gedauert, uns aus der durch die Lebensumstände aufgezwungenen kulturellen Bewusstlosigkeit zu lösen - und wie leicht kann dieses Kartenhaus der Zivilisation wieder in sich zusammenstürzen!
Heute töten wir uns selbst durch Gifte aus eigener Produktion, die Krebs und Allergien schüren, koten sozusagen ins eigene Bett, während wir bis zum Hirntod darin schlafen und von Größe und Bedeutung träumen!
Bedenkt man all dies, ist würdig altern zu dürfen wirklich ein seltenes Geschenk! Also ohne Demenz, Alzheimer oder Bettlägrigkeit!

Vielen Dank für deine freundlichen Worte!:)

LG, eKy

Dana 01.06.2016 18:08

Lieber eKy,

wenn jeder so würdevoll altern dürfte wie Du es verdichtet hast, dann könnte man gelassener alt werden. Jedoch hat man das nicht in der Hand. Deine Antwort an syranie ist eine gute "Aufklärung".
Trotz körperlicher Schwierigkeiten stehen in Deinem Sonett Alter und Geist in Harmonie.
Mit der letzten Strophe schließt Du wunderschön ab.:Blume:

Liebe Grüße
Dana

Erich Kykal 01.06.2016 18:52

Hi, Dana!

Vielen Dank für die wohlmeinenden Worte!:)

Bedenkt man meine Lebensführung und meine Krankheit, wird sich die Problematik hohen Alters für mich höchstwahrscheinlich ohnehin nicht stellen.;)

LG, eKy

Falderwald 19.06.2016 06:59

Servus Erich,

der Text gefällt mir ausgesprochen gut und die Beschreibung der alten Frau ist gelungen.

Sie scheint in Würde gealtert und trotz ihrer altersbedingten körperlichen Gebrechen mit dem Leben zufrieden zu sein, denn die Erfahrungen ihres langen Lebens schenken ihr den eigentlichen Reichtum.

Wer mit sich selbst so in Frieden leben kann, der wird auch eines Tages genau so gehen.

Das ist ein sehr gelungenes Sonett, einzig die erste Zeile des ersten Terzetts macht mir betonungsmäßig etwas Schwierigkeiten:

"...und wollte doch um kein Deut jünger werden,"

Es fällt mir sehr schwer, "Deut" als Substantiv an dieser Stelle unbetont zu lesen, zudem müsste es ja eigentlich "keinen Deut" heißen, so dass mir die Verkürzung zu "kein" auch nicht so besonders zusagt und den sonst durchweg verwendeten guten Sprachstil ein wenig mindert.

Jetzt habe ich mal recherchiert und dabei folgendes herausgefunden, den der Duden sagt:

er ist [um] keinen Deut besser

Man braucht also das "um" nicht unbedingt, wenn man diese Phrase verwenden will, denn genau so geht:

er ist keinen Deut besser

Und in diesem Fall könnte man die o.a. Zeile wie folgt ändern, so dass sie metrisch einwandfrei wird und auch die besagte Abkürzung vermieden wird:

"...und wollte keinen Deut doch jünger werden,"

Meines Erachtens funktioniert das so. Kannst ja mal drüber nachdenken.


Gern gelesen und kommentiert...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald



Erich Kykal 19.06.2016 12:07

Hi Faldi!

Danke für Kommi und Lob!

Dank auch für die Recherche bezüglich der fraglichen Phrase. Das "doch" ist hier aber im inhaltlichen Sinnzusammenhang sehr wichtig, als nachgestelltes Wort verliert mir das zu sehr an Präsenz. Ich überlege mir, ob ich das Risiko eines Sprachfehlers in Kauf nehme und mich auf die lyrischen Freiheiten berufe, die gewisse Sprachregeln aufweichen können - oder ob ich die Stelle anders umschreibe, statt "Deut" mit "Jahr" beispielsweise.

LG, eKy


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