Gedichte-Eiland

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Archimedes 09.09.2011 15:56

In Welten
 
Im Internet gibt es ein Spiel,
da baut man Städte und führt Kriege.
Für einen Feldzug brauchts nicht viel.
Man hofft, man führt ihn stets zum Siege.

Wird man erobert, ist man weg,
kann neu in andrer Welt beginnen.
Man baut erneut nur für den Zweck:
Will Stadt, dann Land und Welt gewinnen.

Ich spiele gleich in vielen Welten,
probier hier dies, dort andres aus.
In einer bin ich wer, kann ich was gelten,
dort geht es schief, führt zum Garaus.

So lässt sich’s leben im Versuch,
mit Risiko, das nur gering.
Schön, wenn’s, bei Welten zu Besuch,
im Leben manchmal auch so ging.

Stimme der Zeit 10.09.2011 09:57

Hallo, Archimedes,

ich spiele ganz konsequent nie ein Internetspiel, mir genügt mein Lyrikforum. Aber es ist so, dass diese Spiele immer komplexer werden und einen derart hohen Zeitaufwand erfordern, um sie wirklich "richtig" zu spielen, dass viele dadurch süchtig werden und in jeder freien Minute nichts anderes mehr tun ... :rolleyes:

Zitat:

Im Internet gibt es ein Spiel,
da baut man Städte und führt Kriege.
Für einen Feldzug brauchts nicht viel.
Man hofft, man führt ihn stets zum Siege.
Beim Nachdenken über die Anziehungskraft dieser Spiele kam ich zu dem Schluss, dass es einem im "wirklichen" Leben vielleicht "erfolglosen" Menschen fast zu einem "Gott" machen kann. Er bestimmt, was geschieht, stampft Städte aus dem sprichwörtlichen Boden und beherrscht die Schicksale ganzer "virtueller Nationen". Es muss das "Machtgefühl" sein, das hier den Reiz ausmacht. Der Spieler entscheidet über die Schicksale der "virtuellen Menschen" wie ein PC-Gott, er entscheidet über Krieg und Frieden, bestimmt willkürlich Armut und Reichtum ...

Zitat:

Wird man erobert, ist man weg,
kann neu in andrer Welt beginnen.
Man baut erneut nur für den Zweck:
Will Stadt, dann Land und Welt gewinnen.
Der "Vorteil" im Vergleich zum echten Dasein. Der Spieler kann überhaupt nicht "sterben", er selbst ist ja "außerhalb". Also "erschafft" er sich (gottgleich) alles "neu", nach Bedarf wieder und wieder eine "neue Welt". Man kann immer wieder von Vorne beginnen, kann eigentlich nur ständig "gewinnen", da ein "echtes" Scheitern unmöglich ist.

Zitat:

Ich spiele gleich in vielen Welten,
probier hier dies, dort andres aus.
In einer bin ich wer, kann ich was gelten,
dort geht es schief, führt zum garaus.
Das selektiv nach Wunschvorstellungen gerichtete Denken dieser Spieler gibt ihnen ein Gradmaß von "Freiheit", das so in der Wirklichkeit ebenfalls nicht existiert. Ich bin mir im Grunde genommen fast sicher, dass ein "Garaus" geflissentlich ignoriert wird - Mist, schnell ein neues Spiel starten - wogegen der Sieg, das "Ich-bin-der-Größte"-Gefühl sicher als "real", da den eigenen Wünschen entsprechend, angesehen wird. Dieses "Thriumph-Gefühl" ist sicher der ursächliche Faktor der Spielsucht, jedenfalls sehe ich das so. Herr oder Herrin einer unbegrenzten Zahl an Welten zu sein, für viele Menschen sicher "das Größte".

Zitat:

So lässt sich’s leben im Versuch,
mit Risiko, das nur gering.
Schön, wenn’s, bei Welten zu Besuch,
im Leben manchmal auch so ging.
Ja, so lässt es sich hervorragend "pseudo-leben", denn das Risiko ist sehr gering. Vielleicht ein kurzer Moment Ärgerlichkeit, mehr wohl kaum, denn dann beginnt man einfach "neu".

Ob es aber in der Wirklichkeit ernsthaft, auch nur manchmal, schön wäre, wenn die Dinge so liefen? Der Mensch macht Fehler und Dummheiten genug, ich denke, gäbe es nun auch noch einen "Neustart-Knopf", würde das zu einer Katastrophe und zum blanken Chaos. Als Beispiel: Sicher, keiner würde wirklich tot sein, aber am laufenden Meter sterben bzw. leiden, jeder würde ... Ach so, wir haben das ja schon im "echten Leben" auch - nur der Tod ist "real" ... :p

Formal noch ein bisschen etwas als Anmerkung:

Zitat:

In einer bin ich wer, kann ich was gelten,
Keine Kritik, ich wollte nur feststellen, dass ich die zwei Silben mehr bemerkt habe, hier sind es fünf Hebungen. Es fügt sich im durchgehenden Metrum (vierhebiger Jambus mit alternierenden Kadenzen) aber rhythmisch gut ein, "stört" (vorsichtshalber: mich;)) also überhaupt nicht.

Ein ganz klein wenig muss ich aber "kritteln". Persönlich finde ich 6x "man" in den beiden ersten Strophen ein wenig "viel". Der Übergang von "man" zu "ich" dagegen gefällt mir gut, die "Anonymität" wird zum "Dabeisein".

Als Letztes: Garaus in Strophe 3, Vers 4 bitte groß, und es wird auch Garaus, d. h. Xx betont. Das ist, soweit ich es sehe, der einzige, kleine "Lapsus" im ansonsten einwandfreien Metrum, was ich ebenfalls erwähnen möchte.

Lieber Archimedes, ein kluges und wahres Werk von dir, das auch gut geschrieben ist und bei mir einen "Nerv" getroffen hat. :)

Sehr gerne gelesen und kommentiert.

Liebe Grüße :)

Stimme http://www.smilies.4-user.de/include..._devil_006.gif

Erich Kykal 10.09.2011 18:06

Hi, A.!

Was meine Vorschreiberin unerwähnt ließ, auch wenn SIE "Garaus" richtig - nämlich groß - schrieb, ist ebenjener zuletzt erwähnte Umstand!

Also bitte - "zum Garaus"....zu dem = hauptwörtlich gebraucht.

Das Gedicht selbst ist von lustiger Kurzweil, knackig und in klarer Sprache formuliert.
Gern gelesen!

LG, eKy

Archimedes 12.09.2011 12:17

Hallo Stimme der Zeit,
dein Essay über das Gedicht hat meine Intension total getroffen. Ich bin mir der Scheinwelten durchaus bewusst; leider sind es andere nicht. Die führen dann den Kampf im richtigen Leben weiter, oftmals mit schrecklichen Folgen.
Auch für die formale Analyse und Anerkennung danke ich dir.

Hallo Kykal,
so ein blankes Lob ohne sprachliche Nuancenkritik kann ich mir, glaube ich, einrahmen.

Ich danke euch und grüße
Archimedes ...der den Garaus umkreist

Erich Kykal 12.09.2011 19:07

Da denkst du verkehrt rum, Archimedes!

Je besser mir ein Text gefällt, desto mehr Arbeit mache ich mir damit, sprich Verbesserungsvorschläge und andere Tipps.

Daher: Kurzer Text - war mit zumindest einen Kommi wert.;)
Langer Text - da kannst du dir gratulieren!:)

LG, eKy


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