Gedichte-Eiland

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Erich Kykal 21.02.2009 13:51

Einschau
 
So nehm ich denn mein liebes Leben,
an dem verloren, totgeboren
noch hungrige Gedanken kleben,
zerfahren, nackt, wie schlichte Toren;
und reich es aus den Zellenwänden
vertaner Tage vor mich hin,
um wie mit ungebrauchten Händen
nach mehr zu tasten, als ich bin.

Ich finde nichts, woran zu halten
sich letzten Endes ernstlich lohnte;
vielleicht ein Haar noch, das zu spalten
ich nie mich überwinden konnte.
So wird es meinen lichten Stunden
erbärmlich Nacht, und daraus winkt
der blasse Stern, der - nie gefunden -
von spät bis später tiefer sinkt!

Leier 21.02.2009 14:11

Oh nein!

Lieber Erich Kykal -

Du treibst mich mit diesen Zeilen in eine ähnliche selbsterkennde Nacht, als hätte ich mit meinen Düsterkeiten nicht genug zu tun.
M i c h wolltest Du ob trüber Gedanken leicht tadeln?
Was soll ich dann zu Deinen sagen?

Daß ich bedaure, sie selbst nicht soo schreiben zu können.
Zuerst gefiel mit das "Haar" nicht, aber jetzt sehe ich es zumindest doppeldeutig, weil ein Damokles-Schwert nicht nur über Dir hängt - und dieses Har zu spalten...
Welcher Mut gehört dazu!

Ich bin, soll ich's verschweigen? -
wieder hingerissen.
Inhalt, Worte, Form:
kongruent.

Lieben Gruß
von
cyparis

Erich Kykal 21.02.2009 14:30

Hi, cypi!

Tut mir leid, wenn meine Bittersüße dich hinabgezogen hat.
Weißt du, ich bin bei aller intellektuellen Abgeklärtheit, mit der ich gerne hausieren geh, doch wie alle ein Sklave meiner Hormonschwankungen und Stimmungswechsel. Diese allerdings wechseln bei mir relativ rasch.
Die eine Stunde noch depressiv, die nächste gelöst und heiter. Das ist jetzt etwas überspitzt gezeichnet, aber längere Dauertiefs habe ich glücklicherweise selten - so wie letzten Monat...
Nach der Niederschrift dieses Gedichtes ging's mir auch gleich besser, als hätte ich mich so dieser Gedanken entledigt. Dennoch ist ein gutes Reimwerk dabei herausgekommen, das ich der Welt - der Foren - nicht vorenthalten will.
Es wird in Band 4 zu lesen stehen, der irgendwann mal erscheint.

LG, eKy

Dana 21.02.2009 21:38

Lieber eKy,
ich kenne "Himmelhochjachzend - zu Tode betrübt" nur zu gut und liebe beides.
Du hast die Gabe "zu Tode betrübt" lyrisch so zu verdichten, dass man sich darin suhlen kann.
Weltuntergangsstimmungen sind die Rückseite der Glückmedaille. Beide wollen gelebt und angenommen sein.
Du hast die Rückseite zum Lesegenuss verarbeitet - woran man erkennt, wie bedeutsam diese ist.
Ein sehr gutes Gedicht. Ich pinne es mir an die Wand.
Liebe Grüße
Dana

Archimedes 22.02.2009 23:28

Gewiss der Hoffnungslosigkeit
suchst du hier noch verzweifelt Leben,
um schemenhaft ihm schlicht zu geben,
was jenem Ziel nur war Geleit:

Den Weg zu finden zu dem Ende,
dass sich nun auftut meeresweit,
als Abgrund der Gelegenheit,
sich dir nie bot zur Schicksalswende,

zur Sinnerfüllung, fröhlich Singen,
Gedankensprünge lustvoll reiten.
Doch wird sich dies kaum unterbreiten,
nur "Deckel zu" kann noch gelingen.

War es so gemeint als "Einschau" in das Grab?
Gern gelesen und damit beschäftigt
Gruß Archimedes ...dessen Kreise nicht die Umrahmung der Gruft sind

Erich Kykal 23.02.2009 09:09

Hi, Archimedes!

Nein, nicht Grab, aber ein sinnentleertes Dasein ohne wahren Bezug, ohne Inhalt und Aufgabe, das sich nun neigt und den Protagonisten desillusioniert und verbittert zurückzulassen sich anschickt.
Solche Werke sind eine Art Frustbewältigungsmechanismus für mich. Wenn ich sie mir von der Seele geschrieben habe, geht's mir schon besser!

Hi, Dana!

Vielen Dank für deinen lieben Zuspruch!


LG, eKy

Archimedes 23.02.2009 13:53

Hallo eKy

Möglich, wenn hier diese Foren
einige sich auserkoren,
ihre Werke vorzuweisen,
damit andere sie preisen,
haben sie nur nicht bedacht,
dass hier keiner hat die Macht,

an Verlage zu vermitteln,
in der Presse groß zu titeln,
denn das Streben nach Gewinn,
das ist nicht des Dichters Sinn.

Er schwebt über allen Dingen,
wenn sie ihm nur recht gelingen,
hofft, dass er ganz unverzagt
seine Meinung hat gesagt.

Doch damit tut man sich schwer:
Gedichte liest fast niemand mehr.

Ich versuche den Grund für den "desillusionierten Protagonisten" einzukreisen. Gib doch mal nen Tipp, ob ich auf dem richtigen Weg bin.
Gruß Archimedes ...der seine Kreise hat, um die Welt auszuhalten

Erich Kykal 23.02.2009 15:50

Oh, das betrifft eher meine gesamte Existenz. Ich hatte vor einem Monat noch eine gewaltige Depression zu bewältigen: Winter, Midlife und berufl. Burnout!
Sowas sind dann die Nachwehen davon.
Meine Gedichte publiziere ich übrigens auf Selbstverlegerbasis bei einem kleinen Linzer Nischenverlag: Vlg Denkmayr.
Zum Vergleich: Das danach eingestellte Gedicht "Das Leben der Wunder" unter Denkerklause ist alles andere als negativ! Übrigens eins meiner besseren, wenn ich mal so vermessen sein darf...

LG, eKy

norbert 23.02.2009 18:17

"Ich finde nichts, woran zu halten
sich letzten Endes ernstlich lohnte;"

...hach, diese künstler, die sich - gänzlich unphilosophisch - willenlos ihren eitlen worten hingeben...
mensch, schau mal in deinen kühlschrank - jeder adlige hätte sich noch vor 200 jahren die finger geleckt, hätte er lebensmittel in dieser vielfalt und qualität ZU DIESEM PREIS zur verfügung gehabt....dein dach ist dicht, deine heizung funktioniert, das bike steht bereit...und du weißt nicht, woran du dich halten kannst?

im ernst: der preis ist hoch: überforderung, überinformiertheit, glaubensverlust, entindividualisierung, - burnout...

meisterlich ausgedrückt - wie von dir nicht anders zu erwarten...

liebe grüße
burnoutbert

ginTon 23.02.2009 18:39

hallo lieber erich kykal,

ich kann mich hier den anderen nur anschließen...die erste Strophe hat es mir sehr angetan und ich könnte diese immer wieder lesen...die binnenreime verschaffen einem Vers immer eine Art,wie soll ich es ausdrücken, wie eine Art Schwungrad, ..durch welches man hindurchgezogen wird oder selbst Schwung bekommt...

gefragt habe ich mich zunächst, was es mit der Überschrift auf sich hat, ist damit ein Einblick in sich selbst gemeint? wie gesagt ich frage nur augrund meiner Unwissenheit des Wortes...

die zweite Strophe beherbergt ein altes Sprichwort, wodurch die Strophe eine höhere Aussagekraft erreicht ...keine Haarspalterei ; das ist Haarspalterei ; oder haarspalterei betreiben...

hier ist es als Synonym für keinen gewinn bringend oder sich nicht überwinden zu können o.ä eingesetzt worden, wodurch die Strophe eine sagen wir sehr tiefe Erkenntnisbereicherung zwar offenbart, doch keine Erlösung stattfinden kann, vllt auch gar nicht muss? da ja auf "lichte Stunden" zurückgeschaut wird, vllt sogar als Zufluchtsort?

hat mir sehr gefallen das Werk

LG basse


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