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Blaugold 18.02.2011 18:17

... wenn du entschwunden bist.
 
Wenn ich beim schönsten Sonnenuntergang
dessen Farben nur sehe
durch den Vorhang meiner Gedanken,
die sich dazwischen drängen,

und die einbrechende Dämmerung
es nicht vermag,
das Bild von Dir zu verdunkeln,
das sich in mir lichtet,

so daß ich noch nicht mal die Sterne
in ihrer Vielfalt erblicke,
wie sie durch meine Pupillen
auf dein Bild treffen,

schließe ich meine Augen nie,
um nicht zu erblinden,
gegenüber dem, was bleibt,
wenn du vollends in mir entschwunden bist.

Dana 19.02.2011 21:30

Lieber Blaugold,

bevor ich über Sprachmelodie und -harmonie rede, will ich dir das Bild beschreiben, das beim Lesen entsteht. (Ich habe mehrmals gelesen, um eine evtl. Veränderung zu beobachten - es gelang mir nicht.)

Ich sehe einen Vater, der nur "scheinbar" einen Feierabend, eine Mußestunde genießt. Er steht, sitzt irgendwo in weiter Flur, am See, auf der Terrasse oder auf dem Balkon und schaut. (Der Ort ist nicht entscheidend)

Er sieht sein Kind (Tochter?), das evtl. keines mehr ist, sich aber hinter dem Vorhang seiner Gedanken immer wieder zeigt. Es sind unauslöschbare, liebende Erinnerungen. Das, was Kinder bleiben, auch wenn sie längst erwachsen sind. Sie blenden Sonne und Sterne aus, bzw. steht ihr Leuchten darüber und kein Licht kann uns darüber erblinden lassen.

Es gefällt mir, weil ich darin eine Interpretation für meine Kinder (die keine mehr sind ;)) fand. (Ich will es so.:o)

Ein "Kritteln" ist hier unsagbar schwer, weil das Gedicht aus einem Satz besteht. Der Leser erkennt und bestaunt.

Trotzdem bringe ich mich ein wenig mit meinen Erinnerungen ein:


Wenn ich beim Sonnenuntergang,
trotz seiner glühend Farben,
durch den Vorhang meiner Gedanken,
die sich dazwischen drängen,

und über die einbrechende Dämmerung,
die einfach nicht vermag
das Bild von Dir zu verdunkeln,
das sich in mir lichtet,

so daß ich nicht einnmal die Sterne
in ihrer Vielfalt erblicke,
wie sie durch meine Pupillen
auf dein Bild treffen,

schließe ich meine Augen nie,
um nicht zu erblinden,
gegenüber dem, was bleibt,
wenn du vollends in mir entschwunden bist.

Liebe Grüße
Dana

Blaugold 28.02.2011 00:40

Hallo Dana

Zuerst möchte ich dir Zustimmung aussprechen, du hast den Inhalt bis auf eine kleine Komponente sinnig konsequent und auch in sich logisch interpretiert. Leider ist dies aber nicht meine eigentliche Intention. Mir ist und war sehrwohl bewusst, dass mein Text im Grunde sehr subjektiv, also aus der Sicht von mir und des LyrIch's, verdichtet ist.
Ja, LyrIch steht vielleicht vor einem Sonnenuntergang, lange, fast bis zur vollkommenen Dunkelheit. Und im Gegensatz zu deiner Interpretation möchte es seine Gedanken an das LyrDu nicht im Vordergrund sehen!
Ich habe lang überlegt, in welcher Rubrik ich das Gedicht stellen soll, dass es hier steht, könnte für Verwirrung gesorgt haben.
Vielleicht verstehst du, warum, wenn ich meine Intention erläutere:
LyrIch will vergessen! Doch das Bild der gemeinten Person drängt sich immer wieder in den Vordergrund.
Seine Gedanken daran verhindern eine Achtsamkeit der Gegenwart gegenüber.
In der letzten Strophe teilt Li seine Absicht mit, nicht an den Erinnerungen zu verzeifeln, an etwas, das Vergangenheit ist (aber in Gedanken/Erinnerungen gefangen gehalten wird).
Ein Wahn kann auch eine Illusion sein, die der Wirklichkeit vorgezogen wird! Wer im Wahn lebt, sieht nicht mehr das Tatsächliche; im Liebeskummer z.B., der schon auch leicht wahnhaft sein kann.
Der Sonnenuntergang und die Sterne z.B. sind von Bestand, sie sind unabhängig von Wünschen, Träumen, Hoffnungen, Hadern, von "in der Vergangenheit leben"!

Ich persönlich verstehe den Begriff "Freiheit" in der Seele auch so, dass ich nicht an Vergangenem gebunden bin, wenn ich es nicht will!
Auch die sogenannte "Ewige Liebe" ist für mich nicht das, was man eben im Wahn (daher kommt "sich wähnen") als Erinnerung festhält. Oft wird sie traurigerweise gleichgesetzt mit einer Obsession, die das "Ich" besetzt!!
Klar, wir möchten schöne Erinnerungen gern behalten, oft daran denken. Doch weniger erbauliche sind ebenso schwer zu vergessen.
Eine enttäuschte Liebesbeziehung besteht aber aus schönen und negativen Erinnerungen. Beide verhindern allerdings u.U. den Menschen ohne diese eigenen gemachten Erfahrungen, was Urteile sind, zu sehen und ihm "von Neuem" und unbefangen (das heisst ohne die Urteile der Vergangenheit) zu begegnen.
Liebe ist für mich nur dann frei, wenn sie im Individuum unbedingt ist, also in jedem Augenblick neu, wie z.B. ein Sonnenuntergang, der sich ja visuell stetig ändert und nicht statisch in einer Fixierung hängenbleibt!
Das LI weiss also, dass die Erinnerung irgendwann verblasst sein wird, ja, es hält sich nicht krampfhaft daran fest, denn solange der Geist nicht frei (davon) ist, hat er auch keine Klarheit für das Wesentliche. Das Wesentliche ist immer das Tatsächliche, oder?

Die erste Zeile der letzten Strophe in deiner Version sagt mir sehr zu und ich habe das Gedicht dahingehend geändert.

Ich danke dir für deine Beschäftigung mit dem Gedicht. :)

Blaugold


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