Gedichte-Eiland

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Meishere 11.06.2016 03:39

Wenn du gehst
 
Wenn du gehst, dann wird die Dunkelheit gewinnen,
dann werd' ich fallend stehen, wo ich damals stand,
nicht mehr wissen, wo ich hinsoll oder herkam,
in meiner Sanduhr fällt dann leis' der letzte Sand.

Jede Stunde und Minute und Sekunde
meines Lebens werd' ich an dich denken müssen,
werde dich mit jedem Herzschlag und Gedanken
immer wieder und erneut so sehr vermissen.

Nur das Denken daran ist schon quälend schmerzhaft,
Realität kann rettend tödlich dann nur sein,
in meiner Seele wüten Stürme, toben Kriege
und du allein errettest mich aus dieser Pein.

Wenn du gehst, verliert mein Herz das größte Stück
und bleibt für sich allein im dunklen Traum zurück.

Lailany 11.06.2016 05:08

Kia ora Meishere,
erstmal ein herzliches Willkommen am Eiland. :)

Einen sehr schönen Text legst du uns hier vor, der besonders durch seine Innigkeit besticht. Liebesfreud und Leid gelungen eingefangen und wiedergegeben.

Z2 ist ein bisschen ungelenk ausgedrückt... "gehen" ist so ein schwächelnder Allerweltsausdruck. In Z1 passt er gut ins Wortgefüge, in Z2 umso weniger.
Vllt magst du da nochmal den Stift zücken.
"schon mal" ist sprachlich gar nicht schön, nicht für ein romantisches Werk.
Hier würde "einstmals" lyrischer klingen.

Was hältst du von:

dann werd ich wieder stehen, wo ich früher (oder einstmals) stand ?

Das Komma nach "Lebens" in S2 Z2 gehört weg.

Sehr gern gelesen und mich damit beschäftigt.

HG von Lai :Blume:

Sidgrani 11.06.2016 13:01

Hallo Meishere,

ja, der Text hat Tiefgang. Ich habe sofort gedacht, bis zu Ende lesen, was ich nicht immer tue. Manchmal verliere ich schon nach zwei, drei Zeilen das Interesse, weil mich der Text überhaupt nicht anspricht. Hier ist das anders.

Lailanys Anmerkung ist gut, wie wäre es denn so oder ähnlich?

Zitat:

Wenn du gehst, dann wird die Dunkelheit gewinnen,
und mich nach dorthin ziehen, wo ich schonmal stand,
Herzlich willkommen, viel Spaß hier und einen lieben Gruß
Sid

Meishere 11.06.2016 14:22

Hallo Lai, hallo Sid,

Ich danke euch für die textliche Anmerkung, in der Hoffnung meine Korrektur liest sich besser ;)

Außerdem natürlich meinen Dank für die Positive Kritik und dir Willkommensgrüße.
Es freut mich, dich "eingefangen" zu haben, Sid, vor allem, wenn dies kein allzu leichtes Unterfangen ist :D


Liebe Grüße,

Marcel

Erich Kykal 11.06.2016 15:01

Zitat:

Zitat von Meishere (Beitrag 95223)
Wenn du gehst, dann wird die Dunkelheit gewinnen,
dann werd' ich fallend stehen, wo ich damals stand,
nicht mehr wissen, wo ich hinsoll oder herkam,
in meiner Sanduhr fällt dann leis' der letzte Sand.

Jede Stunde und Minute und Sekunde
meines Lebens werd' ich an dich denken müssen,
werde dich mit jedem Herzschlag und Gedanken
immer wieder und erneut so sehr vermissen.

Nur das Denken daran ist schon quälend schmerzhaft,
Realität kann rettend tödlich dann nur sein,
in meiner Seele wüten Stürme, toben Kriege
und du allein errettest mich aus dieser Pein.

Wenn du gehst, verliert mein Herz das größte Stück
und bleibt für sich allein im dunklen Traum zurück.


Hi Meishere!

Ein Shakespeare-Sonett mit 6 Hebern pro Zeile, allerdings mit je nur einem Reim pro Quartett.
Weniger flüssig die teils betonten Auftakte und die beliebig wechselnden Kadenzen.

Wenn ich darf:

Sobald du gehst, wird meine Dunkelheit gewinnen,
dann werd ich fallend stehen, wo ich damals stand Apostroph bei Verkürzungen unnötig.
und nicht mehr wissen, wo ich hinsoll oder herkam,
in meiner Sanduhr fällt dann leis der letzte Sand. Apostroph überflüssig, beunruhigt nur das Schriftbild.

In jeder Stunde und Minute und Sekunde
des Lebens werd ich weiter an dich denken müssen,
und werde dich mit jedem Herzschlag und Gedanken
erneut und immer wieder ach so sehr vermissen.

Allein das Denken daran ist schon quälend schmerzlich,
die Wirklichkeit kann rettend tödlich dann nur sein,
in meiner Seele wüten Stürme, toben Kriege
und du allein errettest mich aus dieser Pein.

Sobald du gehst, verliert mein Herz das größte Stück
und bleibt für sich allein im dunklen Traum zurück.


So hättest du durchgehend unbetonten Auftakt, was gerade beim Sonett wichtig ist, beim rhythmisch weichen Sichwiegen der Sprachmelodie. Die Kadenzen habe ich hier nun nicht angeglichen, das wäre zuviel der Eingriffe gewesen, nur das harte "schmerzhaft" habe ich weicher gestaltet.

Gern gelesen und bearbeitet! :) Nimm, was dir brauchbar erscheint.

LG, eKy

Meishere 12.06.2016 01:26

Hi eKy!

Interessanterweise ergab sich die Form erst während des Schreibens und ich war recht stolz auf mich, dass mir ohne Plan ein englisches Sonett erschien :D

Dass Auftakte und Kadenzen durcheinander sind, war mir bewusst und ich danke dir sehr für deine Anmerkungen/Verbesserungen.

Ich kann das im Grunde auch besser, ich denke da gibt es auch passende Beispiele, jedoch bin ich momentan oft mental nicht in der Lage an der Form der Gedichte zu feilen.
Das ist auch der Grund, warum ich es gerne so belasse, ohne deine Vorschläge abwerten zu wollen.
Ich denke, dass man, wenn man die Gedichte eines Künstlers durchstöbert dabei ruhig Rückschlüsse auf die jeweilige Verfassung des Dichters ziehen darf.
Und so finde ich sogar Gefallen an der Unvollkommenheit, spiegelt sie doch meinen seelischen Zustand viel besser wider als es eine perfekte Form könnte.

Ich merke mir jedoch jede Anmerkung und jeden Hinweis, um mit späteren Gedichte daraus zu lernen!

Daher nochmals meinen Dank ;)


Liebe Grüße,

Marcel

Erich Kykal 12.06.2016 11:55

Hi Meishere!
(Heißt das "me is here" - sinngemäß übersetzt "Mein Ich ist hier" oder "Ich bin hier" in englischem Slang? Ich bin u.a. Englischlehrer ...)

Um diese Einstellung beneide ich dich! Ich korrigiere meine Werke noch Jahre später, wenn ich drüber stolpere, denn ich sehe die Arbeiten als abgeschlossene Einheiten, von denen jede wie eine Visitenkarte von mir sein kann - da will man immer das bestmögliche Ergebnis antreben!

Ich denke nicht, dass ein späterer Leser sich bei deinem Werk das Datum der Entstehung merken wird, nur um darauf Rückschlüsse auf deine allgemeine Verfassung zu diesem Zeitpunkt ziehen zu können!
Nein, er wird es einfach lesen und danach beurteilen, ob es sich da um einen weiter lesenswerten Dichter handelt oder nicht. Fertig.

So gesehen bewundere ich die Lockerheit, mit der du mit deinem Werk umgehst.:)

LG, eKy

Meishere 12.06.2016 14:16

Hi eKy!

Tatsächlich hast du meine Nickname richtig entziffert, was den wenigsten gelingt ;)

Ich denke, der Umgang und die Einstellung zur eigenen Kunst gehören zum Künstler und sind genauso individuell, wie die Kunst selbst.
Daher respektiere ich deine Ansicht da vollsten, kann sie auch nachvollziehen und würde nie behaupten meine sei in irgendeiner Form besser ;)

Vielleicht ist meine Einstellung besser nachzuvollziehen, wenn ich sage, dass alle meine Gedichte für mich im Grunde eine Art Ersatz für ein Tagebuch sind.
Daher ist es zumindest für mich wichtig, dass ich sie nicht allzu sehr verändere, denn sonst geht vielleicht das Persönliche verloren, was ein Tagebuch ausmacht.

Ich habe selbst Löcher gebraucht, um diese Ansicht zu entwickeln, aber sie gefällt mir inzwischen gut und hilft mir sogar.

Und wenn ein späterer Leser sich wirklich ernsthaft mit einem meiner Werke befassen will, warum auch immer, so würde es theoretisch selbstverständlich dazugehören, auch andere meiner Werke zu studieren.
Ob es jemals dazu kommen kann, sei mal dahingestellt :p

Doch was wären beispielsweise Analysen der Kunst Picassos, wenn er sich zbsp. In seiner blauen Episode gedacht hätte, dass das mit dem blau irgendwie albern ist :D


Danke für den Denkanstoß ;)

Liebe Grüße,

Marcel

Erich Kykal 12.06.2016 15:08

Hi Meishere!

Entschuldige, wenn ich mich dazu nochmals äußere -

Für mich sind meine Gedichte das Vermächtnis, das ich der Welt hinterlasse, da ich mich anders nicht fortgepflanzt habe und es auch nicht mehr zu tun gedenke.
Dabei ergebe ich mich insoweit der eigenen Hybris, dass ich davon ausgehe, dass meine Werke es tatsächlich wert sind, überliefert und erhalten zu werden.
Ein nicht unerheblicher Teil meines Selbstwertgefühls hängt an dieser Tatsache: an diesem Bilde, wie in 100 Jahren sprachverliebte Menschen durch meine Texte streifen und sie genießen, so wie ich es heute mit jenen eines Rilke tue, bedauernd, dass ich diesen bewunderten Menschen nie persönlich kennenlernen durfte.
Dass Lyrik kein Weg zu Ruhm zu eigenen Lebzeiten ist, ist mir schon klar, und das ist auch gar nicht meine Motivation, aber was mich - außer dem Faible für schöne Sprache - bei der Stange hält, ist eben diese romantische Vorstellung, die meine (doch leicht) enttäuschte Eitelkeit tröstet und mir das Herz erwärmt.

Daher meine Frage -

Du also betrachtest dein Schaffen als eine Art lyrisches Tagebuch - eine mir gänzlich neue Sicht, wie ich zugeben muss. Da drängt sich mir nun die Frage der Motivation auf: Tust du das aus einer inneren Ruhe und Gelassenheit heraus, die einfach tut, was sie will, ohne sich um ein Urteil der Jetzt- oder Nachwelt zu kümmern - oder hältst du dein eigenes Schaffen ursächlich für ohnehin zu wenig wertig, um extra noch groß daran herumdoktern zu wollen?
Ich unterstelle weder das eine noch das andere - mich interessiert bloß, wie man zu so einer Einstellung dem eigenen Werk gegenüber kommt, und diese beiden möglichen Erklärungen sind die für mich plausibelsten.

Ich hoffe, ich dringe nicht zu sehr in dich ...

LG, eKy

Meishere 12.06.2016 19:46

Hi eKy,

keinesfalls fühle ich mich gestört durch deine Fragen und Erläuterungen!
Viel mehr ist dies einer der vielen Gründe, warum ich so viel Spaß an Kunst habe. Der Austausch, der auch mal weit über das einzelne Werk hinausgehen kann.

Nun zu deinen Ausführungen.
Deine, wie du sie nennst, romantische Sicht, kann ich verstehen.
Auch ich gebe mich diesem Gedanken manchmal hin und es gäbe sicher kaum etwas größeres, als wenn es mal dazu kommt.
Nur unsere Ansätze sind hier verschieden.

Ja, meine Texte dienen mir dazu, ungesagtes auf anderem Wege zu sagen. Eine Art Tagebuch, dass ich unter anderem veröffentliche, um angesprochene Personen auf Umwegen eventuell zu erreichen, da der direkte Kontakt bei bestimmten Themen, warum auch immer, vielleicht nicht möglich ist.

Dennoch sehe ich selbst schon im kreativen Prozess oft andere Interpretationen, als das was mich selbst zu jenem Text getrieben hat.
Was im Kopf des einen das Kaputtgehen einer Beziehung ist, kann leicht im Kopf eines anderen mit dem Tod zu tun haben, beispielsweise.

Ich weiß, dass man in meinen Werken, hätte man die Zeit und das Interesse, Kontinuität in den gewählten Bildern finden kann, unabhängig von der Form.
Und auf diesen Aspekt bin ich bspw. insgeheim sogar stolz, weil er zumindest mir selbst viel bringt, denn ich weiß auch nach längerer Zeit noch genau, warum ich einige der Bilder so gewählt habe.

Und wenn ich ein Gedicht beendet habe und mich bewusst dazu entschließe die Form ungeschliffen zu lassen, dann ist das eine Entscheidung, die, wie das Auswählen der Bilder, meine Emotionen einfängt und in dieses Stück Kunst integriert.

Das heißt nicht, dass es immer so ist. Sicherlich passieren mir Formfehler auch in Gedichten, deren Form ich perfektionieren wollte. Und da doktor ich dann auch im Nachhinein herum.

Und so passt mein Ansatz dennoch zu deiner Vorstellung.
Wenn jemand sich in 100 Jahren mit meinem Gesamtwerk befasst, wird er sich vielleicht fragen, weshalb einige Sonette formvollendet (falls man diesen Begriff überhaupt benutzen darf :p) und andere scheinbar recht rudimentär sind.
Und ich überlasse gerne diesem Leser die Interpretation des Ganzen und zieht er dadurch Rückschlüsse auf das zugrunde liegende Talent, so ist es mir dann nicht vergönnt auch in 100 Jahren noch gelesen zu werden.
Doch damit kann ich leben und weiß, dass ich zumindest meiner Linie treu geblieben bin ;)

Kunst ist für mich ein sehr krasser Ausdruck meiner Emotionen und ich habe bis heute kaum ein Gedicht geschrieben, dass nicht etwas aus meinem Innersten nach draußen trug. Das mag den meisten Lesern, oft auch allen, nicht immer auffallen, mir ist es aber stets bewusst.
Daher ist es für mich manchmal einfach nicht möglich ein Werk zu einer perfekten Form hin zu bringen, da dadurch oft ein wesentlicher Teil der emotionalen Aussagekraft verloren gehen würde.

Was ich damit nicht sagen will, ist, dass perfekt geformte Gedichte nicht genauso emotional sein können.
Es kommt einfach sehr auf den Künstler an und das worauf er wert legt.
Und genauso wie ich die Form manchmal etwas sehr fließen lasse, habe ich auch Spaß daran ein Werk zu verbessern.

Für mich tatsächlich alles eine Sache der zugrundeliegenden Emotionen :)


Es mag sein, dass dieser am Stück geschriebene Fließtext etwas verwirrend ist, aber ich freue mich auch auf einer Nachfragen, falls etwas unklar ist :)


Liebe Grüße,

Marcel


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