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Thomas 15.11.2011 17:23

Der Handschuh - Aus der Sicht des Fräulein Kunigunde
 
Der Handschuh - Aus der Sicht des Fräulein Kunigunde

Von Jana B. (12 Jahre) 6.12.2009

Da saß er. Drei Plätze weiter. Verfolgte schweigend die Vorstellung. Ritter Delorges, der mir erst vor wenigen tagen seine Liebe offenbart hatte. Jetzt fragte ich mich – wie viel taugte er?
Eine etwas genauere Beschreibung meiner Lage?
Es war Anfang Mai, die Blumen blühten, als ob sie dafür bezahlt würden. König Franz hatte zu einer Darbietung im Löwengarten eingeladen. Ich saß deswegen nun auf einem der Ränge und schaute ein paar Kätzchen beim Spielen zu. Mitte nächsten Monats sollte ich heiraten – ganz genau, und innerhalb der nächsten Tage musste ich den geeigneten Mann gefunden haben. Delorges schien mir nicht schlecht zu sein, doch ich kannte ihn kaum, hatte ja auch nie Gelegenheit gehabt, ihn näher kennen zu lernen. Aber Heirat ist keine Sache, die man mal eben wieder rückgängig machen kann und bevor jemand auf die Idee kam, uns miteinander vermählen zu wollen, musste ich genau wissen, wer er war.
Er musste mutig sein, ein bisschen Intelligenz wäre auch nicht schlecht und er musste mich wirklich und aufrichtig lieben.
Während ich in meine Grübeleien versunken war, ließ ich meinen Blick umherschweifen und blieb schließlich an dem umherspringenden Tiger unten in der Mange hängen. Eine Idee flackerte in mir auf und ich überlegt nicht lange –
Kurzerhand streifte ich meinen linken Handschuh ab und ließ ihn über den Rand des Balkons nach unten fallen. Ein guter Wurf – er landete genau zwischen dem Tiger und dem ebenfalls unter herumlaufenden Löwen. Mit einem Lächeln wandte ich mich an Delorges:
„Wenn Ihr beweisen wollt, dass Ihr mich so liebt, wie Ihr behauptet, dann hebt mir den Handschuh auf!“
Ich sprach nicht ohne ein gewisses Maß an Spott in der Stimme, schließlich sollte er begreifen, dass es mir ernst war, wollte ihn herausfordern, und er sollte nicht denken, es sei nur die schüchterne Frage eines naiven Fräuleins.
Ich muss zugeben, ich kam nicht umhin, ein wenig stolz auf mich zu sein. Meine von mir erdachte Aufgabe war nämlich gleichermaßen zum Beweisen von Mut, Liebe und Ehre. Die Eigenschaften, die ein Ritter haben sollte.
Mit zufriedenem Blick registrierte ich, wie Delorges nach unten stieg. Er hatte nichts in Frage gestellt, für den Anfang sah es gut aus. Er war mutig genug, es zu versuchen und er tat mir ohne zu zögern einen Gefallen.
Jetzt war er bei den Raubkatzen angelangt.
Keine Spur von Furcht war zu erkennen, kein Zittern, kein Stocken, nicht, während er den Handschuh aus der Mitte der gefährlichen Tiere nahm.
Delorges war eine gute Wahl, ich war sicher. Und schon war er auf dem Rückweg, kletterte über die Brüstung und stieg dann über die Treppen nach oben. Zügig, ohne Hast.
Schneller als ich je erwartet hätte, hatte er seine Aufgabe gemeistert, selbstverständlich, fast schon nebenbei. Er war großartig.
In überschwänglicher Freude und umso stärker erwachter Liebe schaute ich zu ihm empor, um ihm zu danken, um ihm zu sagen, was ich von ihm hielt und was für ein einzigartiger, unvergleichlicher Ritter er war.
Doch bevor ich irgendetwas tun konnte und bevor ich es so recht wusste, wie mir geschah, traf mich fest und schmerzhaft etwas im Gesicht. Erschrocken und völlig aus dem Konzept gebracht sah ich zu, wie der Handschuh nun vor mir auf die Erde fiel, nachdem er von meiner Stirn abgeprallt war.
Mit vor Entsetzen geöffnetem Mund hob ich den Kopf und starrte zu Delorges. Der aber verzog keine Miene und sagte mit ausdrucksloser Stimme:
„Den Dank, Dame, begehr’ ich nicht!“
Dann drehte er sich um - und ging. Ich verstand es nicht. Ich konnte es einfach nicht verstehen. Unser Glück hätte vollkommen sein können – und er stellt mich bloß und zerstörte alles. Ohne Grund.
Fassungslos und von unbeschreiblicher Enttäuschung und Demütigung erfüllt, sank ich in mich zusammen und wurde kurz darauf von heftigen Schluchzern geschüttelt. Durch einen Tränenschleier konnte ich den Handschuh erkennen und aus irgendeinem Grund machte mich sein Anblick furchtbar wütend. Von einem verzweifelten Aufschrei begleitet, trat ich danach und zerstörte ihn unter meinem Absatz. Als schmutzige Fetzen segelten sie lautlos durch die Ritzen und landeten sachte irgendwo unten auf dem Platz.


Jana hat mir erlaubt, den Text hier einzustellen. Der Text ist ihr Eigentum.

Thomas

tardyhardy 17.11.2011 10:55

Der Handschuh - Aus der Sicht des Fräulein Kunigunde[
 
Zitat:

Zitat von Thomas (Beitrag 56334)
[B]Der Handschuh - Aus der Sicht des Fräulein Kunigunde[/B

Von Jana B. (12 Jahre) 6.12.2009

Da saß er. Drei Plätze weiter. Verfolgte schweigend die Vorstellung. Ritter Delorges, der mir erst vor wenigen tagen seine Liebe offenbart hatte. Jetzt fragte ich mich – wie viel taugte er?
Eine etwas genauere Beschreibung meiner Lage?
Es war Anfang Mai, die Blumen blühten, als ob sie dafür bezahlt würden. König Franz hatte zu einer Darbietung im Löwengarten eingeladen. Ich saß deswegen nun auf einem der Ränge und schaute ein paar Kätzchen beim Spielen zu. Mitte nächsten Monats sollte ich heiraten – ganz genau, und innerhalb der nächsten Tage musste ich den geeigneten Mann gefunden haben. Delorges schien mir nicht schlecht zu sein, doch ich kannte ihn kaum, hatte ja auch nie Gelegenheit gehabt, ihn näher kennen zu lernen. Aber Heirat ist keine Sache, die man mal eben wieder rückgängig machen kann und bevor jemand auf die Idee kam, uns miteinander vermählen zu wollen, musste ich genau wissen, wer er war.
Er musste mutig sein, ein bisschen Intelligenz wäre auch nicht schlecht und er musste mich wirklich und aufrichtig lieben.
Während ich in meine Grübeleien versunken war, ließ ich meinen Blick umherschweifen und blieb schließlich an dem umherspringenden Tiger unten in der Mange hängen. Eine Idee flackerte in mir auf und ich überlegt nicht lange –
Kurzerhand streifte ich meinen linken Handschuh ab und ließ ihn über den Rand des Balkons nach unten fallen. Ein guter Wurf – er landete genau zwischen dem Tiger und dem ebenfalls unter herumlaufenden Löwen. Mit einem Lächeln wandte ich mich an Delorges:
„Wenn Ihr beweisen wollt, dass Ihr mich so liebt, wie Ihr behauptet, dann hebt mir den Handschuh auf!“
Ich sprach nicht ohne ein gewisses Maß an Spott in der Stimme, schließlich sollte er begreifen, dass es mir ernst war, wollte ihn herausfordern, und er sollte nicht denken, es sei nur die schüchterne Frage eines naiven Fräuleins.
Ich muss zugeben, ich kam nicht umhin, ein wenig stolz auf mich zu sein. Meine von mir erdachte Aufgabe war nämlich gleichermaßen zum Beweisen von Mut, Liebe und Ehre. Die Eigenschaften, die ein Ritter haben sollte.
Mit zufriedenem Blick registrierte ich, wie Delorges nach unten stieg. Er hatte nichts in Frage gestellt, für den Anfang sah es gut aus. Er war mutig genug, es zu versuchen und er tat mir ohne zu zögern einen Gefallen.
Jetzt war er bei den Raubkatzen angelangt.
Keine Spur von Furcht war zu erkennen, kein Zittern, kein Stocken, nicht, während er den Handschuh aus der Mitte der gefährlichen Tiere nahm.
Delorges war eine gute Wahl, ich war sicher. Und schon war er auf dem Rückweg, kletterte über die Brüstung und stieg dann über die Treppen nach oben. Zügig, ohne Hast.
Schneller als ich je erwartet hätte, hatte er seine Aufgabe gemeistert, selbstverständlich, fast schon nebenbei. Er war großartig.
In überschwänglicher Freude und umso stärker erwachter Liebe schaute ich zu ihm empor, um ihm zu danken, um ihm zu sagen, was ich von ihm hielt und was für ein einzigartiger, unvergleichlicher Ritter er war.
Doch bevor ich irgendetwas tun konnte und bevor ich es so recht wusste, wie mir geschah, traf mich fest und schmerzhaft etwas im Gesicht. Erschrocken und völlig aus dem Konzept gebracht sah ich zu, wie der Handschuh nun vor mir auf die Erde fiel, nachdem er von meiner Stirn abgeprallt war.
Mit vor Entsetzen geöffnetem Mund hob ich den Kopf und starrte zu Delorges. Der aber verzog keine Miene und sagte mit ausdrucksloser Stimme:
„Den Dank, Dame, begehr’ ich nicht!“
Dann drehte er sich um - und ging. Ich verstand es nicht. Ich konnte es einfach nicht verstehen. Unser Glück hätte vollkommen sein können – und er stellt mich bloß und zerstörte alles. Ohne Grund.
Fassungslos und von unbeschreiblicher Enttäuschung und Demütigung erfüllt, sank ich in mich zusammen und wurde kurz darauf von heftigen Schluchzern geschüttelt. Durch einen Tränenschleier konnte ich den Handschuh erkennen und aus irgendeinem Grund machte mich sein Anblick furchtbar wütend. Von einem verzweifelten Aufschrei begleitet, trat ich danach und zerstörte ihn unter meinem Absatz. Als schmutzige Fetzen segelten sie lautlos durch die Ritzen und landeten sachte irgendwo unten auf dem Platz.


Jana hat mir erlaubt, den Text hier einzustellen. Der Text ist ihr Eigentum.

Thomas

Hallo Jana,
das ist wirklich ein sehr gut nacherzähltes Gedicht, mit großer Ausdruckskraft und spannender Beschreibung des Seelenzustandes des verliebten Fräuleins. Zusammen mit deiner Schilderung aus der Sicht des Ritters hast du hier einen eindrucksvollen Beweis deiner Erzähl-und Schreibkunst erbracht.
Mach weiter so!
tardyhardy

Thomas 20.11.2011 20:22

Hallo tardyhardy,

da Jana nicht im Forum ist, und ich Ihren Text eingestellt habe, möchte ich mich stellvertretend für deinen netten Kommentar bedanken und eine zusätzliche Bemerkung anfügen.

Ich finde es nämlich auch sehr interessant, wie Jana Schillers 'Der Handschuh' ließt, nämlich genau so, wie man es lesen sollte: Durch die Augen der Helden des Gedichts! Nicht nur durch die eigenen Augen (des Betrachters). Ich wurde z.B. bei der Lektüre von Janas Beschreibung angeregt, auch einen Bericht des Löwen zu verfassen. Ja, man könnte den Spaß noch weiter treiben, und z.B. schildern, wie sich die Geschichte aus der Sicht des Handschuhs darstellt. Ich mache diese Bemerkung auch deswegen, weil ich glaube, dass eine derartige aktive Beschäftigung mit Gedichten in der Schule, sicherlich junge Menschen zum Schreiben und Dichten anregen könnte.

Viele Grüße
Thomas


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