Gedichte-Eiland

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Dana 20.08.2010 22:39

Schweigen
 
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So mancher Tag und manches Jahr sie mögen
uns sinnentleert wie Sand aus Händen gleiten.
Zu oft geschieht, dass wir in solchen Zeiten
uns selbst entfremdet in ein Schweigen hüllen
und nächtens nur die Seele aus dem Leibe weinen.

In solchen Stunden wird es keinem Freund gelingen,
auch nicht dem Seelenheiler und der Mutterliebe,
dass wir gestärkt durch ihre Worte uns erheben.
Wir geben vor, solang sie bei uns sind, zu leben,
bedanken lächelnd uns und wollen, dass sie gehen.

Es geht um andre Leiden, jene ohne Namen,
uns mitgegeben, ohne dass wir sie erkennen.
Und keine Träne, keine Tat kann sie benennen,
sie sind für uns gedacht und nehmen uns gefangen.
Dass wir nicht helfen können, ist oft schon vorgekommen.
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Chavali 21.08.2010 17:08

Liebe Dana,


das alles spricht mir aus der Seele.
Ich finde momentan keine anderen Worte für meine Zustimmung zu deinem wunderbar tiefgängigen Text.

Es gibt ein Leid, dass von niemandem verstanden wird, was wir auch gar nicht wollen.
Es ist tief in uns und kommt manchmal raus.
Dann will man nur allein sein.


Dein Gedicht ist zum Vielmalslesen, am besten auswendig Können und Verinnerlichen.


Mit lieben Grüßen,
Chavali

ginTon 21.08.2010 20:37

hallo liebe dana, ich finde das werk auch super gut geschrieben, ich finde gerade
dieses nicht benennen können interessant herausgearbeitet und dieses in sich
selbst sein ohne zu wissen wer man eigentlich ist, mitunter ist selbst dieses nicht
benennen können um vieles älter und deswegen findet man im leben nur schlecht
zugang dazu, das unbewusste eben...insofern sehr schönes werk
und in einem guten metrum geschrieben...

LG wa Bash

Dana 29.08.2010 18:20

Liebe Chavali,

was soll ich dir antworten? Wenn mir ein "Seelengespräch" gelungen ist, meine Liebe, dann können wir nur noch vertrauen.
Ich freue mich über deine Zustimmung - sie ist mir ein Zeichen zur Brücke über jene Weiher.

Lieber wa Bash,

danke für dein schönes Lob.
Die unaussprechbaren Momente fangen uns immer wieder ein. "Leidensmomente", die nicht benannt werden können und auch nicht wollen.
Solche Momente gilt es zu erfassen und zu akzeptieren, für sich und für andere.

Der Titel ist nicht von ungefähr gewählt.

Ganz liebe Grüße euch beiden,
Dana

Lena 31.08.2010 07:24

Liebe Dana.

"Schweigen, ist der optimale Titel.

Ich habe dein Gedicht schon oft gelesen doch jedes mal verließ ich es ohne Kommentar. Hier werde ich einfach von meiner Trauer überwältigt.

Lesen,..Spüren..und akzeptieren. Ein freies "ich kann" hier bei uns, ein Muss im wahren Leben.

Schweigen, das werde ich jetzt auch,

nicht aber ohne dir zu sagen:

Sehr gerne gelesen

Lena :) die endlich über ihren Schatten gesprungen ist.

Dana 02.09.2010 21:33

Liebe Lena,

Tucholski sage einst: "Das Leben ist gar nicht so, es ist ganz anders."

Jedes Leben ist individuell, was zugleich das Leben ausmacht. Das individuelle, das eigene Leben, lässt sich trotz Erfahrung und Gegebenheiten nicht in Regeln, nicht in vertraute, vorgegebene Gefühle einordnen.
Immer und immer wieder geschieht etwas, was persönlich betrifft und selbst durchlebt werden will. Momente, die unaussprechbar werden. Das Schweigen erhält seine Bedeutung.

Ich weiß, dass du verstanden hast - wir müssen nicht reden.

Liebe Grüße
Dana

Falderwald 05.09.2010 21:39

Liebe Dana,

dies ist ein ernster und tiefgängiger Text, der auch eine traurige Einsicht mitbringt.

Zitat:

Zitat von Dana
So mancher Tag und manches Jahr sie mögen
uns sinnentleert wie Sand aus Händen gleiten.
Zu oft geschieht, dass wir in solchen Zeiten
uns selbst entfremdet in ein Schweigen hüllen
und nächtens nur die Seele aus dem Leibe weinen.

Mancher lebt in einer ausweglosen Situation, aus der er sich nicht mit eigener Kraft befreien kann.
Vielleicht erlauben es auch andere Umstände nicht.
So bleibt letztlich nur ein stummes Erdulden der Lage über Tag und Jahre, die ihm völlig sinnlos erscheinen.
Die nächtlichen Tränen sind die Folge.

Zitat:

Zitat von Dana
In solchen Stunden wird es keinem Freund gelingen,
auch nicht dem Seelenheiler und der Mutterliebe,
dass wir gestärkt durch ihre Worte uns erheben.
Wir geben vor, solang sie bei uns sind, zu leben,
bedanken lächelnd uns und wollen, dass sie gehen.

Gute Ratschläge von Bekannten oder aus der eigenen Familie nützen da leider auch sehr wenig. Vielleicht können sie ein wenig Trost spenden, doch für die Gesamtsituation müssen sie letztendlich wirkungslos bleiben.
Manchmal ist es dann wohl so, daß der Betroffene gute Miene zum bösen Spiel macht und froh ist, wenn die Ratgeber wieder von dannen ziehen.

Zitat:

Zitat von Dana
Es geht um andre Leiden, jene ohne Namen,
uns mitgegeben, ohne dass wir sie erkennen.
Und keine Träne, keine Tat kann sie benennen,
sie sind für uns gedacht und nehmen uns gefangen.
Dass wir nicht helfen können, ist oft schon vorgekommen.

Jeder Mensch hat Träume und Wünsche, wie sein Leben aussehen soll.
Nur wie soll er sie formulieren?
Das ist immer das Schwerste an der ganzen Sache. Er weiß zwar, daß er so nicht glücklich wird, aber wie es eigentlich sein sollte, kann er auch nicht definieren. Und das betrifft jeden Menschen individuell, weshalb es auch keine wirklichen Ratschläge (s.o.) geben kann.
Wie oft hat man selbst schon versucht mit Worten und Ratschlägen anderen zu helfen und gemerkt, daß das nicht funktioniert.
Und das trifft leider auch für die eigene Situation zu.

Sehr schön an diesem Gedicht finde ich, daß es nicht belehrend daherkommt.
Er zeigt zwar auf, was alle anderen versuchen, doch zugleich auch, daß man selbst in solchen Situationen nicht anders handelt.
Es ist wohl eine menschliche Eigenschaft, anderen Menschen aus seinem direkten Lebensumfeld in schwierigen Situationen helfen zu wollen.
Das Traurige daran ist, daß dies meistens nicht gelingt.
Es ist und bleibt nämlich immer die eigene Entscheidung, an der eigenen Situation etwas zu verändern.
Das ist wohl der Wunsch vieler, doch die wenigsten schaffen es dann auch, dies in Tat umzusetzen.
So bleibt es oft bei diesem Wunsch.

Leider ist dir in der letzten Zeile eine metrische Unebenheit unterlaufen.
Alle Verse sind einheitlich im Jambus geschrieben. Manche im 5-hebigen, die meisten jedoch sind 6-hebig.

Dass wir nicht helfen können, ist oft schon vorgekommen.

An der markierten Stelle sitzt der Stolperer.

xXxXxXxXxxXxXx

Vorschläge:

Dass wir nicht helfen können, ist schon vorgekommen. (Das wertet allerdings den zweiten Teil des Satzes ab, weil das "oft" nun fehlt.)

Dass wir nicht helfen können, ist schon oft geschehen. (Ist natürlich auch keine schöne Lösung, weiß ich.)

Vielleicht etwas in dieser Art:

Auch unsre Hilfe ist schon oft nicht angekommen.

Egal, wie immer du dich entscheidest. Diese eine überschüssige Silbe muss weg.
Ich denke, du machst das schon...:)


Ein sehr schönes Gedicht, daß mich von der Sprache her sehr an Hesses "Stufen" erinnert.
Du hast das Thema gut umgesetzt. Es hat mich berührt.


Gerne gelesen und kommentiert...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald

Onkie IIV 12.09.2010 17:14

Liebe Dana,

nach Leichtigkeit klingt das nicht ;) aber nach etwas gelungenem. :)

Die erste Strophe gefällt mir sehr.

Dort bin ich gestolpert:
Wir geben vor, solang sie bei uns sind, zu leben,
(die verkürzte form von solange kam zu überraschend ;))
Und bei dieser schon angesprochenen Stelle:
ist oft schon vorgekommen

Von jedem Menschen tropft ein wenig Schatten.

lg
onkie

Dana 21.09.2010 20:07

Lieber Faldi,

vorab ganz lieben Dank für die treffende Interpretation, also auch für ein intensives Hineindenken in den Textinhalt.

Ebenso für den Hinweis auf den Holperer.
Lass mir noch etwas Zeit, da ich den Vers noch klarer verfassen möchte. Du hast zwar richtig interpretiert, aber beim Vorlesen (außerhalb des Forums) fiel mir auf, dass einige den letzten Vers erklärt haben wollten.

Ich wollte sagen, dass wir an uns selbst messen sollten - dort, wo unsere Ratschläge, unsere Hilfe nicht angenommen werden. (Manchmal reagiert man fast betroffen.) Dass wir dabei bedenken sollten, jenen erginge es ähnlich oder genau so, wie hier dem lyr. Ich.

Nochmals lieben Dank
und liebe Grüße
Dana


Lieber Onkie IIV,

so viel zur sofort angesetzten Leichtigkeit. ;) Jedoch geht es hier um das lyr. Ich.

Bei "solang" muss ich bleiben, denn nur so stimmt die Metrik. Aber davon abgesehen. Wir Nordlichter benutzen solang meist ohne "e".
Der andere "Holperer" wird noch verschlimmbessert s.o.

Auch dir lieben Dank für deine Stimme zum Gedicht.

Liebe Grüße
Dana

Archimedes 22.09.2010 21:39

Liebe Dana, dein Verzweiflungs-Gedicht hat mir sehr gefallen. Ich schließe mich da den Belobigungen an. Mein Kommentar folgt später. Eine Kleinigkeit möchte ich anmerken:
Zitat:

Dass wir nicht helfen können, ist oft schon vorgekommen.
.
Wenn du damit die anderen meinst, dann hast du in der zweiten Strophe schon die Sinnlosigkeit beschrieben. Wenn du aber damit uns selber meinst, dann ist in den vier Zeilen vorher schon alles gesagt
Zitat:

Es geht um andre Leiden, jene ohne Namen,
uns mitgegeben, ohne dass wir sie erkennen.
Und keine Träne, keine Tat kann sie benennen,
sie sind für uns gedacht und nehmen uns gefangen.
Ich würde die Zeile weglassen und so die wunderschöne Strophe mit ihrer Verklärung ausklingen lassen. Wenn es unbedingt noch eine Zeile sein muss, würde ich "im Schweigen." als fünfte Zeile anfügen.

Melancholie, der Wegbegleiter,
die Traurigkeit der zarten Seelen,
sie zweifelt, weiß oft nicht mehr weiter.
Was soll sie nur zum Leben wählen?

Erkenntnis, Ratio, ist das eine,
das zur Gestaltung eingeführt,
genügt oft nicht, so wie ich meine,
dies sie im Innern nicht berührt.

So klagt die Seele im Gefängnis
aus Schmerz und Leid, Hilflosigkeit,
gerät zunehmend in Bedrängnis,
da Heilungsaussicht ist so weit.

Kann man den Gram mit Liebe wärmen,
wenn längst erfroren sie schon scheint,
mit jugendlichem Lachen, Schwärmen
man's immer doch nur gut gemeint?

Das Schweigen scheint nicht angebracht
in einer hoffnungslosen Zeit.
Doch dies Verständnis in der Nacht
hilft warten, bis sie ist bereit.

Lieben Gruß Archimedes ...der mit den schweigenden Kreisen


Alle Zeitangaben in WEZ +1. Es ist jetzt 02:57 Uhr.

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