Gedichte-Eiland

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chichi 12.06.2009 20:51

Nur ein Spiel
 
Ich rief nach einem Wunder und es kam.
Ich suchte nach einem Weg und fand ihn.
Ich liebte eine Figur auf dem Brett und vernahm,
wie die Götter mit uns Menschen spieln.

Und laufend und springend aufs nächste Feld
und eine andere Richtung eingeschlagen,
bis man unausweichlich in die Hände des Feindes fällt.
Doch an dir, kleiner Bauer, wird das System nicht versagen!

Ein anderer hat schon deinen Platz eingenommen,
ein Spieler wie du, auf der Palette des Lebens.
Doch war da noch der Läufer der Zeit gekommen,
verwischte die Kreatur der Armseligkeit. Doch vergebens!

Der Läufer verlief sich in die Ewigkeit,
seine Spuren verrieten nur noch nacktes Erbarmen.
Die Dame stolperte über ihre Hochmütigkeit
in die Fänge der Leprakranken. Gott beschütze dich, Amen!

Und Türme zerbrachen wie die morschen Knochen der Bauern.
Pferde galoppierten ins gegnerische Gatter.
Springer sprangen in den Tod. Und mit Bedauern
spielte der schwarze König Leichenbestatter!

Mit Krone und Kreuz in die blutige Schlacht.
Weiß besiegt schwarz. Schach!
Und der König starb…
Verlor nicht nur Thron, Reichtum und Macht,
sondern auch die Seele im kalten Grab.

Ich rief nach einem Wunder, doch dem Echo folgte nur Einsamkeit.
Ich suchte nach einem Ausweg, doch die Mauern waren aus Stahl.
Und so gefangen im Strom der Zeit,
erkannte ich den Lebenssinn – der Götter bester Wahl!

Falderwald 13.06.2009 01:09

Hallo chichi,

ich glaube, wir zwei kennen uns noch nicht.
Aber was nicht ist kann ja noch werden und so möchte ich dich herzlich auf dem Eiland begrüßen und willkommen heißen. :)

Zuerst bin ich durch deine Zeilen gestolpert, doch nach dem zweiten Lesen musste ich feststellen, daß sie sich ausgezeichnet vortragen lassen.
Auch wenn die Metrik hier scheinbar ziemlich wirr durcheinander geht, konnte ich den Lesefluss herstellen und ich muss sagen, es hat mich fasziniert.

Sehr schön verbindest du das Schachspiel mit dem wahren Leben und überträgst die Figuren auf die Gesellschaft.
Die Bilder sind zum Teil sehr anschaulich, das Spielfeld wird zum Schlachtfeld.
Vielleicht zum Kriegsschauplatz oder eben zum Schlachtfeld der Gefühle.
So sind die Menschen, ob Bauer, ob Springer, Dame oder König, alles hat seine Ordnung und alle sind zu ersetzbar.
Die Götter steuern und beherrschen das Spiel. Ihre beste Wahl: Der Mensch.

So würde ich das für mich interpretieren. Das Lyrische Ich stellt die Fragen und gewinnt Erkenntnisse.

Hat mir gut gefallen, trotz der uneinheitlichen Metrik (s.o.)


Gerne gelesen und kommentiert...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald

lingua 15.06.2009 11:21

Oh - Hi Chichi,

interessante, leidenschaftliche Zeilen. Letztlich sind wir alle Gambits (Bauernopfer), das ist wohl wahr.
Was ich nicht verstehe, ist die Auflösung dieses Dilemmas. Führt die in eine Art 'Spiritualität'? Ich frage wegen der 'Götter'.
Vom Empfinden her denke ich: Ein bisschen weniger Eindeutigkeit in den Aufzählungen und weniger polemisch - das würde dem Gedicht sicher gut zu Gesicht stehen.
Das ist mein Ersteindruck.

Gruß
L.

Klatschmohn 16.06.2009 20:17

Hallo Chichi,

mir kommt das Bild, wie der Protagonist vor seinem Schachspiel sitzt und er plötzlich so etwas wie eine Vision hat vom Spiel des Lebens durch den Spiegel der Apokalypse. Beeindruckend und beängstigend, eine Vision die so wenig Hoffnung bietet.
Spannend, düster und mystisch erscheinen mir Deine Zeilen und traurig.
Liebe Grüße,
Klatschmohn

chichi 18.06.2009 13:17

Hallo Ihr Lieben,

ich bitte um Verzeihung für die späte Antwort, aber ich habe mich in den Weiten des Netzes verirrt und nicht mehr hergefunden. Ich bin älteren Semesters und der Umgang mit Computern fällt mir manchmal schwer. Mein lieber Enkel war mir nun behilflich. Ein Goldjunge. :)

Nun zu Euren Kommentaren. Erst einmal vielen lieben Dank dafür.

@Falderwald

Nein, wir kennen uns vermutlich noch nicht. Danke für das herzliche Willkommen. :)

Ja, du hast Recht, mit Metrik habe ich mich bisher nur am Rande befasst. Mir kommt es auf den Inhalt an, und daher freue ich mich, dass du dem Gedicht - trotz der handwerklichen Mängel - etwas abgewinnen konntest, denn das Verdichtete fußt auf jahrzehntelanger Erfahrung, die ich in meinem Leben sammeln konnte. Ich bin begeisterte Schachspielerin, was mich letztlich dazu verleitete, einen derartigen Text zu verfassen. Und gerade die Spielfiguren passen ja hervorragend, wenn man sich an einem gesellschaftlichen Thema versucht.

Ja, deine Interpretation deckt sich nahezu mit meiner Intention. Ich glaube, nie ein tiefsinnigeres Gedicht geschrieben zu haben, wenn ich das mal so unbescheiden sagen darf. Vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren.

@lingua

Genau, Spiritualität! Das hat mich schon immer interessiert; ich lege auch Karten und ging schon einmal zu einem Wahrsager. Das mag verrückt klingen, aber ich bin nicht nur fromm gottes-, sondern auch sehr abergläubig. Ob das ein Unterschied ist, weiß ich selbst nicht, aber es macht mich glücklich. :)
Mit der Aufdringlichkeit und Polemik magst du wohl Recht haben.

@Klatschmohn

Ach, traurig sollten meine Zeilen eigentlich nicht wirken. Ich empfand beim Schreiben eher ein erhebendes Gefühl, weil das lyrische Ich den Sinn des Daseins für sich erkannte und benannte.

LG
chichi


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