Gedichte-Eiland

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a.c.larin 07.08.2009 13:19

Wir fallen
 
Wir fallen, fallen wie die Sterne
und tragen Licht aus der Unendlichkeit
zu andern hin, ein Leuchten aus der Ferne
in deren Nacht und deren Einsamkeit.

Wir fallen - fallen wie der Regen,
vom Himmel, der mit Gleichmut uns verliert,
und finden doch auf vielen tausend Wegen
zurück zu dem, das uns ins Eine führt.

Wir fallen so wie Laub fällt, von den Bäumen,
wenn Herbstwind es verführt mit Ignoranz:
Und während wir noch Friedensträume träumen,
versammelt uns die Zeit zum Totentanz.

So fallen, fallen heimlich unsre Tränen
im Herzen nur, an ganz geheimem Ort:
Nimm Abschied, wenn es Zeit ist, ihn zu nehmen,
und geh dann leise und für immer fort....

norbert 07.08.2009 13:38

liebe larin,
ich kommentiere nur wenig, weil es mir an zeit mangelt (ich komme kaum dazu, auch nur einen bruchteil aller gedichte zu lesen).
zumindest versuche ich, mir von den meisten dichtern hier ein bild zu machen.
von deinen dichterischen fähigkeiten gehörst du hier im forum zur "champions-league", keine frage.
auch hier hast du dein thema formal wie inhaltlich absolut "im griff" - mich stören einzig zwei zeilen:
"und finden doch auf vielen tausen Wegen
zurück zu dem, dem Lob und Preis gebührt."
ich denke, wir sollten - das setzt jedoch historisches bewusstsein voraus - mehr auch die positiven dinge unseres vergänglichen lebens wahrnehmen...

ansonsten ist dein text meisterhaft geschrieben, am beeindruckendsten finde ich:
"Und während wir noch Friedensträume träumen,
versammelt uns die Zeit zum Totentanz."

liebe grüße
norbert

a.c.larin 07.08.2009 13:59

lieber norbert,

vielen dank für deinen kommentar ( trotz zeitknappheit),
muss derzeit etwas trauriges verdauen, daher dieses gedicht.

ich kann leider nicht nachvollziehen, auf wechem wege du zu dem ergebins gelangt bist, dass das "zurückfinden auf tausend wegen" etwas negatives sein könnte....
mir käme da die "ignoranz des herbstwindes" schon schlimmer an - aber menschen interpretieren unterschiedlich, weil bei jedem unterschiedliches anklingt.

es ist ja auch das fallen selbst nicht grundsetzlich von übel - nur: verdammt weh kann es halt manchmal tun, schwierig kann es sein......
den rückweg in den "himmel" zu finden wäre dann für mich schon (fast) eine erlösung. noch erlösender wäre aber wohl der austieg aus dem auf -und ab...

nochmals danke,
larin

Leier 07.08.2009 14:17

Liebe larin,

allmählich werden meine Elogen langweilig, denn mir fallen keine neuen Superlative mehr
ein.
Du hast mich einmal mehr hingerissen.
Großes Lob!


Lieben Gruß
von
cyparis

norbert 07.08.2009 14:18

liebe larin,
was immer der anlass für dein gedicht ist, ist mir nicht wichtig.
allein entscheidend ist die dichterische qualität, die aus diesem anlass sichtbar wird.
"zurück zu dem, dem Lob und Preis gebührt" finde ich deshalb schwach, weil dem, der für dein leid verantwortlich ist, nicht lob und preis gebühren darf - es sei denn, du bist masochistisch veranlagt. was "findest" du denn?
liebe grüße
norbert

a.c.larin 07.08.2009 16:47

lieber norbert,
nun kann ich nachvollziehen, was du meinst. danke fürs erklären.
ich sehe es vielleicht ein stück anders - hab da keinen vorwurf (oder etwa doch?) an den "himmel, der uns mir gleichmut verliert" - das wort gleichmut ist nämlich nicht gleichbedeutend mit "gleichgültigkeit".
in dem "gleichmütig fallen" lassen steckt (zumindest für mich ) ein stück sicherheit und ruhe darin. wirklich mit gleichmut verlieren kann nur jemand/etwas das über / hinter / tief im innersten der dinge steht.
(so würd ichs mir halt zusammenreimen).

trauer/enttäuschung hat schon auch einen tieferen sinn - der kommt in diesem text nicht vor - hier wollte ich mich mehr auf den schmerz einlassen.
du hast mir vielleicht meine (unbewusste) empörung widergespiegelt - die wohl auch irgendwo da ist.
fakt aber ist: wir reifen nicht nur durch das glück (was angenehmer ist), wir reifen auch durch das unglück. dazu braucht man kein masochist zu sein.
manche dinge geraten aber erst durch ein gewisses leiden in bewegung!
und möglicherweise ist diese tatsache auch dem universum nicht ganz unbekannt....
wo du sicher recht hast , ist dieses: die sache mit "lob und preis" hat man oft und oft schon anderswo gehört! na, vielleicht fällt mir ja noch was gescheiteres ein!

danke dir nochmals recht schön!

liebe cyparis,
lass dich berühren , lass dich verführen - wenn sogar tiefe trauer dich zum schweben bringt, dann hat es wohl seinen sinn, soll so sein, muss so sein...
ich weiß deine anerkennung zu schätzen!

liebe grüße an beide,
larin

Leier 07.08.2009 18:23

Liebe larin,

wenn das Wehmütige eine tröstliche Botschaft enthält (und so lese ich hier), kann es mich wirklich zum Schweben bringen.
Ist man in meinem Alter, werden einem die Begriffe Gleichmut, Haltung und Demut mit Sinn gefüllt.
Von daher sehe ich keine wirkliche tristesse in Deinen Strophen.

Lieben Gruß
von
cyparis

a.c.larin 07.08.2009 19:51

liebe cyparis,
nein, ich glaube auch nicht, das tristesse darinsteckt - vielmehr eine mutprobe: den schmerz zuzulassen, in seiner vollen intensität.
habs diesmal gewagt - sogar öffentlich.
was sollte daran trist sein?

wir sollten noch viel mutiger werden.
und wenn das der weg dahin war, so nehme ich es gerne an.
eine ruhige, friedvolle nacht wünsch ich dir!

larin


ps:
lieber norbert,
ich habe die von dir bemängelte textstelle geändert - ich denke, jetzt ists wohl wirklich besser!

Chavali 09.08.2009 08:32

Liebe larin,

das Leid schreibt die schönsten, berührendsten Gedichte.
So auch hier.
Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr mich dein Text angesprochen hat.

Eine Interpretation möchte ich gar nicht vornehmen, da auch schon viel darüber geschrieben wurde.
Ich weiß nur, die Quintessenz oder auch die Schlussfolgerung des Lebens der Tod ist.
Und wer nicht lange genug gelebt hat, der wurde vom Schicksal wahrlich nicht verwöhnt.
Das empfindet man oft als ungerecht und diese deine Empfindung kann ich total nachvollziehen.

Ein schönes Gedicht - wie alle aus deiner Feder.


Lieben tröstlichen Gruß,
Chavali

a.c.larin 09.08.2009 09:10

liebe chavali,

wobei, vom standpunkt der unendlichkeit betrachtet, es kein "lange genug" gibt. zeit spielt darin keine rolle. wesentlich ist nur, ob die jeweilige lebensaufgabe erfüllt wurde. und der, dem diese meine traurigkeit gilt, hat es getan, voll und ganz!

die trauer entsteht aus der schwierigkeit, das verlorene loszulassen, zu transformieren, es als geburt von wieder neuem zu betrachten.
ach, wir kennen das alle....

danke auch dir für anteilnahme und anteilgabe!
larin

Louis Lazar 09.08.2009 21:10

Bonsoir Larin,


"Wir haben nie gelernt, den anderen zu halten, wenn er fällt..."
So lautet eine Zeile aus dem Lied "Du siehst aus wie immer" von Janus und eigentümlicherweise klang sie in meinem Ohr, während ich deine wunderbaren Verse las. Wirklich kaum zu glauben, zu welcher Volkommenheit die Bilder in meinem Kopf gelangen und wie gekonnt du die Sprache verwendest. Die Doppelung von "fallen" in der ersten Zeile jeder Strophe passt m.E. nach herrvoragend in dieses Gedicht, weil es - ich weiss nicht genau, wie ich es ausdrücken soll - mir eine feste Struktur gibt...und während dem Lesen überkommt mich der Drang, die genannten Passagen herauszuschreien. Aber vermutlich geht es nur mir so.

Wie dem auch sei, auf jeden Fall ein herrausragendes, traurig-schönes Gedicht.

Liebe Grüsse,
Louis Lazar

a.c.larin 10.08.2009 06:10

louis lazar,
dass du am liebsten schreien möchtest, liegt vielleicht daran , dass dieses schreien zwischen den zeilen mitschwingt ( unausgesprochen), vielleicht, weil ich den fallenden selber noch gerne beim fallen gehalten hätte -und das nicht möglich war....
das gedicht von janus kenne ich leider nicht , aber es wird wohl auch ein sehr berührendes sein.
die doppelung von "fallen" wurde kaum bewusst gesetzt - es gibt gedanken, die aus großer tiefe kommen und einfach aus uns herausfließen wie harz aus den bäumen - ich hab nur darauf geachtet, sie zu variieren, damit es nicht langweilt......

liebe grüße
auch an dich,
larib

Erich Kykal 07.01.2018 13:09

Hi Larin!

Zufällig hierüber gestoplert, offenbar nie von mir gelesen und kommentiert - was ich nun nachholen möchte, weil mir dieses Werk so gut gefällt.

Es erinnert an Rilke's berühmtes Gedicht vom Fallen - und Gottes Hand, darein wir es tun.
Auch deine Zeilen tragen diese Ahnung mit dem "Einen", aber bei weitem nicht so klar - oder aufdringlich, wie man will.

Sprachlich feinst elaboriert, klingend und fließend, strömen deine philosophischen Gedanken hier ins Weise, Stille: Eine wahre Sinnesweide, es zu lesen! :Kuss:Blume:

Allergernst gelesen! :)

LG, eKy


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