Gedichte-Eiland

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Erich Kykal 17.12.2016 11:22

Reifgestalten
 
Da draußen liegt der Reif in meinem Garten
wie in der Nacht zerstoßnes Bleikristall
auf Halm und Zweig, auf Stein und überall -
als könnte er zu funkeln kaum erwarten,

wenn sich die schweren Nebel endlich lichten.
Ein seltsam Ding, in Dunkelheit geboren,
im Lichte glühend, doch darin verloren,
wenn Wintersonnenstrahlen es vernichten.

Es scheint mir zu verlaufen wie ein Leben:
Ein Ursprung in verschwiegnen Finsternissen,
der Kindheit sanfte Nebel bald zerrissen,

ein kurzes Glitzern, wo die Winkel passen -
um allzu bald, wenn sich die Schatten heben,
im allzu Hellen haltlos zu verblassen.

Thomas 17.12.2016 18:37

Lieber Erich,

dein Gedicht gefällt mir. Was hälts du davon, in der letzten Zeile an die Stelle des "haltlos" einfach einen Gedankenstrich zu setzten, sozusagen eine Jambus als Pause. Ich fände das interessanter, will dich aber nicht zu Ungebührlichem verleiten. :D

Liebe Grüße
Thomas

Erich Kykal 17.12.2016 19:18

Hi Thomas!

Ungebührlich ist das nicht, und ich verstehe deine Intention, indes - ich bevorzuge eine obstruktionsfrei fließende Sprachmelodie. Man kann solche Stellen auch durch Verlangsamung oder Modulation der Lautstärke ausreichend akzentuieren - so zumindest meine Meinung.

Vielen Dank für deine Gedanken! :)

LG, eKy

Thomas 17.12.2016 20:53

Lieber Erich,

habe ich mir es doch gedacht.

Liebe Grüße
Thomas

Dana 18.12.2016 18:50

Lieber eKy,
wunderschön als Naturbildnis und als Vergleich zum Leben.
In der Sprachführung vom "Anbeginn" ideal, gekonnt und bezaubernd erfasst.

Zitat:

Zitat von Erich Kykal
wenn sich die schweren Nebel endlich lichten.
Ein seltsam Ding, in Dunkelheit geboren,
im Lichte glühend, doch darin verloren,
wenn Wintersonnenstrahlen es vernichten.

Es scheint mir zu verlaufen wie ein Leben:
Ein Ursprung in verschwiegnen Finsternissen,
der Kindheit sanfte Nebel bald zerrissen,

Es gefällt mir ungemein.:Blume::Blume::Blume:

Liebe Grüße
Dana

Erich Kykal 18.12.2016 20:06

Hi Dana!

Vielen Dank für deine Begeisterung! :)

LG, eKy

juli 19.12.2016 11:38

Lieber Erich,

Ich teile die Begeisterung!:Blume::Blume::Blume:

Man könnte auch den Titel: "Reifgestalten" wörtlich nehmen und es auf Menschen übertragen. ;)

Für mich ein wunderbar nachdenkliches Naturbild mit Tiefsinn.

Liebe Grüße sy

:Blume::Blume::Blume:

Erich Kykal 19.12.2016 16:30

Hi Sy!

Genauso wie von dir avisiert habe ich den Titel ja gemeint, spricht doch das Gedicht in den Terzetten selbst diesen Vergleich an. ;)

Vielen Dank für deine Begeisterung! :)

LG, eKy

Angelika 20.12.2016 06:07

Sehr schön, deine Winterzeilen, Erich. Besonders gefällt mir das 1. Quartett, weil du hier sehr irdisch bist. Aber der Titel sagt es schon: Reifgestalten. Der Vergleich mit dem Leben des Menschen - nun ja. Alles hat einen Anfang und ein Ende. Nichts bleibt außer Erinnerung.

Angelika

Erich Kykal 20.12.2016 18:54

Hi Angelika!

Nicht bleibt als Erinnerung - und nicht mal die für lange! Otto Normalverbraucher ist spätestens drei Generationen weiter vergessen, die zeitnahen Celebrities nach wenigen Jahrzehnten (wer unter den Teenagern kannte wohl noch die Gabor?), und die wirklich großen Berühmtheiten überdauern auch nur ein paar Jahrhunderte. Ganz wenige Namen werden über Jahrtausende weitergereicht, aber mehr sind sie dann auch nicht mehr: Nackte Namen, mit denen man ein Klischee oder einen speziellen Inhalt verknüpft. Der einstige Mensch dahinter spielt selbst keine Rolle mehr.

Wir sollten endlich diese ewige und unselige Suche nach Bedeutung aufgeben - wer ernstlich darüber nachdenkt, kann diesbezüglich eigentlich nur enttäuscht werden. Das Leben muss keinen anderen Sinn haben als den, eben einfach zu sein! Den Tieren ist das allemal genug! Für die Menschen könnte ein Zusatz heißen: "... und sich selbst zu erweitern." Aber wofür? Mit dem Tod endet alles - nur wer seine Weisheiten aufschreibt und weitergibt, erfüllt sein Leben mit so etwas wie Zweck, zumindest einem kurzfristigen, denn wenn dereinst die Menschheit endet, wird spätestens auch das obsolet - sofern das überlieferte Geschreibsel überhaupt überliefernswert war!

Für mich selbst bedeutet es: Der eigenen Neugier folgen und sie befriedigen, die künstlerischen Fähigkeiten zu verfeinern und zu erweitern, und ab und zu irgendwem auf die Nerven gehen mit meiner Klugscheißerei, bei dem ich das Gefühl habe, es könnte sich bei diesem als sinnvoll erweisen. Ansonsten das Leben mit allen Sinnen genießen, ohne mich allzu sehr anzustregen oder zu stressen. Was von mir bleibt? Ein paar Bilder, ein paar Gedichte - das ist auch genug! Ruhm ist nur eine Krücke für die innerlich Schwachen - und bestenfalls ein zweischneidiges Schwert!

LG, eKy

Angelika 21.12.2016 06:05

Lieber Erich, immer wieder schön, wenn du ein paar Nachdenklichkeiten aufschreibst, die uns gewöhnlichen Menschen oftmals schon gar nicht mehr in die Gedanken kommen. Wozu lebt der Mensch? Um zu leben, klar. Aber ich frage mich öfter mal, warum soll etwas von ihm bleiben? Wenn er Kinder hat, lebt er in ihnen weiter, auch wenn es schwerfällt, das bei manchen von ihnen zu glauben. Gedichte unserer Liga der Namenlosen, lieber Erich, wer wird sich schon darum kümmern? Ich weiß, dass ich für den Container schreibe. Es macht Spaß (oder auch nicht), sich selbst in der Phalanx der Dichtergrößen zu wähnen, das hebt den ganzen Menschen, aber wenn man ehrlich zu sich selber ist, weiß man, man ist die kleine Dichtergröße, nach der die Hähne nicht krähen werden. Natürlich habe ich über dieses Problem auch schon nachgedacht, sogar zwei, drei Gedichte dazu geschrieben, aber auch sie werden im Container landen. Seien wir realistisch.

Angelika

Erich Kykal 21.12.2016 16:18

Hi Angelika!

Manchmal denke ich - das letzte, was der Mensch will oder braucht, ist Realität!
Wie anders wären Religionen, Welterklärungsmodelle nach dem Wissensstand der Epoche oder selbstgefälliges Verhalten erklärbar??? :D:rolleyes::Aua

Auch ich tröste mich zuweilen gern mit der Illusion, dass meine Bücher quasi meine Kinder sind - das, was ich der Welt hinterlasse, und das irgendwann die Wertschätzung erfahren wird, die ihm nach meiner persönlichen Illusion bezüglich meines Talentes zukommt. :rolleyes::o

Das nackte (nettes Wortspiel!:D) Weitergeben meiner Gene ist mir als primärer Kopfmensch und quasifunktionaler Teilsoziopath suspekt - das Ergebnis ist, wie du selbst erwähnst, zumindest mitunter zweifelhaft bis undefinierbar. Zudem habe ich zum Teil deshalb auf direkte Fortpflanzung verzichtet, weil ich die gentische Disposition meines Leibes keinem anderen fühlenden Wesen bewusst antun möchte!
Da erscheint mir die Weitergabe meiner Gedankeninhalte als wesentlich klarer, vorhersehbarer - und vor allem bin ich nicht bloß zu 50% daran beteiligt! :cool:

LG, eKy


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