Gedichte-Eiland

Gedichte-Eiland (http://www.gedichte-eiland.de/index.php)
-   Ein neuer Morgen (http://www.gedichte-eiland.de/forumdisplay.php?f=8)
-   -   Ich glaube nicht (http://www.gedichte-eiland.de/showthread.php?t=11925)

Narvik 28.05.2014 05:54

Ich glaube nicht
 
Ich glaube nicht

Ich glaube nicht, dass wir uns wiedersehen,
die Zeit vergeht und kehrt nicht wieder,
mein Herz will es noch immer nicht verstehen,
ihm klingen noch die alten Lieder.

Verzweifelt bin ich hier zurückgeblieben,
versteinert in mir selbst und hinter
der Maske weinte still ein leeres Lieben
sich tränenweiß in meinen Winter.

Wie lange habe ich mich selbst betrauert
im Kerker meiner Welt, die Zelle
besaß kein Fenster und war zugemauert
im Zentrum jener Kältequelle.

Ein kleiner Keim des Lebens aber drängte
durch der Gefühle enge Gassen
ans Licht aus dem Verlies, dass ihn beengte,
und hat die Mauern brechen lassen.

Ich glaube nicht, dass wir uns wiedersehen,
doch einmal endet alles Klagen,
darum will ich durch diese Welt jetzt gehen
und dich im Herzen bei mir tragen.

---

Chavali 28.05.2014 11:25

Hallo Narvik,

das ist ein schönes, gut klingendes, im Kreuzreim und unbetonten Auftakten geschriebenes Gedicht.
Der Inhalt ist klar verständlich, ohne jede Verkryptung :)
Und doch wissen die Metaphern mir zu gefallen.

Durch die klare Ausdrucksweise fällt es nicht schwer, sich in das LI zu versetzen
und seine Gedanken nachzuvollziehen.

Das LI beschreibt seine Trauer, seine phasenweise Verzweiflung.
Es ist ein schwerer Schritt, sich klar zu machen, dass man sich niemals mehr wiedersehen wird.

Schön, dass ein hoffnungsvoller Abschluss gefunden wird und deswegen passt der Text auch gut in diese Rubrik.

Bitte noch einen Punkt in die letzte Zeile der vorletzten Strophe setzen.


Gern gelesen!

Lieben Gruß,
Chavali


Justin 28.05.2014 15:31

Hallo Narvik,

Dein Gedicht drückt den Verlust einer wahrscheinlich nicht mehr wiederkehrenden Liebe bzw. starken Zuneigung aus und die Gedanken, die sich daraufhin einstellen. Neben der einprägsamen Tragik sind in den beiden letzten Strophen aber auch Anzeichen erkennbar, die der Hoffnung einen Raum lassen.

Und noch ein anderer Eindruck drängt sich mir auf. Hier liegt ein Gedicht vor, daß man gut vertonen könnte. Schon beim Lesen der ersten Zeile wird es einem bewußt: "Ich glaube nicht, daß wir uns wiedersehen". Ein solcher Liedtext würde ganz bestimmt gut angenommen werden.

Das verleiht Deinem Gedicht einen zusätzlichen Reiz.

Liebe Grüße

Justin

Narvik 30.05.2014 08:22

Hallo Chavali,

es dauert eine ganze Weile, die Gefühle zu verarbeiten, die beim Verlust eines geliebten Menschen entstehen. Aber es ist eine unumstößliche Tatsache, nichts kann diese ungeschehen machen. Es ist, als falle man in ein tiefes Loch, aus dem es keine Wiederkehr mehr gibt. Es ist das eigene, innere Gefängnis, in das man einfährt, und aus dem ein Entkommen unmöglich scheint.
Die Erinnerungen aber streben immer wieder ans Licht und wollen sich ihre Bahn brechen. Wenn man sie annimmt, wird es leichter und das eigene Leben geht ja nun mal weiter. Man sollte dankbar sein für die Zeit, die man hatte.
Vielen Dank für deine netten Worte. Den Punkt habe ich gesetzt.

Herzliche Inselgrüße

Narvik

---

Hallo Justin,

ja, es geht um den endgültigen Verlust einer geliebten Person. Da Schlimme daran ist, nicht die Liebe ging verloren, sondern der geliebte Mensch.
Die Hoffnung lebt im Herzen weiter, auch wenn man sich mit den Tatsachen abfinden muss.
An ein Lied hatte ich dabei gar nicht gedacht, aber man könnte sicherlich eines daraus machen.
Sei bedankt für deinen netten Kommentar.

Herzliche Inselgrüße

Narvik

Dana 30.05.2014 19:45

Hallo Narvik,

um bei Justins Idee zu bleiben: Ein sehr schönes Gedicht in Moll, das in den letzten zwei Sätzen einen leisen Auftakt bekommt.
Die Verdichtung ist wunderschön, die "Geschichte" berührt, so dass man mit dem "vertrauten" Trost gar nicht kommen mag: "Das Leben geht weiter."

Bei deinem Gedicht ist mir der Wert dieses Spruchs erst richtig bewusst geworden. Oft benutzt aber kein bisschen abgenutzt.
Das Leben geht weiter und weil es so einmalig ist, sollte es lichtumflutet weiter gehen.

Sehr viele Gedanken kreisten in meinem Kopf. Unser Leben ist ein Teil der Natur. Dieses Streben nach Licht kann man besonders gut bei Pflanzen beobachten. Aus Schatten, aus Mauern und aus Asphalten - alles rankt zum Licht hin und will leben.

Sehr gern gelesen und mit ein paar Gedanken bedacht.

Liebe Grüße
Dana

Narvik 01.06.2014 08:32

Hallo Dana,

ein Lied ausschließlich in Moll wirkt sehr eintönig und langweilig, so sollte ein Abschluss in Dur eigentlich die logische Konsequenz sein. Der Trost von außen mag hilfreich sein, doch das innere Gleichgewicht muss jeder für sich selbst erst wieder herstellen.
Das gelingt, wenn man das kleine Licht am Ende des Tunnels wahrzunehmen bereit ist und es sich zum Ziele setzt, es auch zu erreichen. Denn wem nützt letzten Endes das Trauern? Weder dem Trauernden noch dem Betrauerten.
So geht es weiter, ob man will oder nicht, das ist die Natur der Dinge.
Vielen Dank für deine freundlichen Worte.

Herzliche Inselgrüße

Narvik

poetix 12.06.2014 11:00

Hallo Narvik,
dein Gedicht ist an ein lyrisches Du gerichtet. Offenbar besteht theoretisch noch die Möglichkeit des Wiedersehens, denn das lyrische Ich weiß nicht um die Unmöglichkeit, es glaubt nur nicht daran.
HTML-Code:

Ich glaube nicht, dass wir uns wiedersehen
Der Verlust einer geliebten Konstellation ist schmerzhaft und ein Weg, damit umzugehen, ist der von dir aufgezeigte: die Erinnerung an das Gewesene zu bewahren und den Kontakt zum Lyrischen Du abzubrechen. Ein anderer Weg, der hier nicht erwähnt wird, wäre, neue Konstellationen zu probieren, sich auf eine Entwicklung mit ungewissem Ausgang einzulassen.
Eine interessant Situation hast du geschildert.
Viele Grüße
poetix

Narvik 13.06.2014 12:45

Hallo poetix,

deine Interpretation ist sehr schön und prinzipiell optimistisch ausgelegt, lässt sie doch einen möglichen Ausweg offen. Doch hier geht es um den endgültigen Verlust eines Menschens und die Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, die im Zurückgebliebenen dadurch ausgelöst wurde. Es hat lange gedauert, dass er sich aus dieser Situation befreien konnte, bis er wieder neuen Lebensmut gefasst hatte und damit umgehen konnte.
Es ist immer schwierig, einen geliebten Menschen zu verlieren und so ginge diese neue Konstellation nur ohne ihn.
Einfacher gesagt: Das Leben geht weiter. Bis man das aber in einer solchen Situation begreift, muss ein wenig Zeit vergehen.
Vielen Dank für deinen netten Kommentar.

Herzliche Inselgrüße

Narvik

Erich Kykal 13.06.2014 20:38

Hi, Narvik!

Ein sprachlich höchst gelungenes Elaborat aus deiner würdigen Feder! Was sofort auffällt sind die gleichmäßig wechselnden Zeilenängen: Heberzahl in den Strophen 5-4-5-4.

Die "zu kurzen" Zeilen unterstreichen kongenial die durch den gegangenen Menschen entstandene Lücke - man hat während des Lesens, auch wenn an diesem Rhythmus ja nichts falsch ist, doch immer den Eindruck einer Leere, vor allem wenn ein Satz am Ende einer vierhebigen Zeile endet.
Das fehlende Element - die letzten Heber in den Zeilen 2 und 4 - wühlt zwar die Sprachmelodie auf, aber auch das korreliert wunderbar mit dem emotionalen Ungleichgewicht des LyrIch.
Kurz: Auch wenn ich persönlich kein allzu großer Freund solcher Wechsel der Hebungszahlen bin - hier passt es und wirkt mit an einem wunderbar eindringlichen Bild erst verzweifelter, dann stiller Trauer, die endlich in ein gelöstes Sichabfinden mündet. Kein Vergessen wohlgemerkt: Ein würdiges Im-Herzen-Tragen des geliebten Wesens, in einem Herzen, das nicht zerfressen ist von Gram, sondern erfüllt von liebendem Angedenken, in dem es - gestärkt von den Erinnerungen an das Gemeinsame - aufgeht und Kraft findet für den neuen Lebensabschnitt.

Sehr gelungen! Sehr gern gelesen!

LG, eKy

Lailany 14.06.2014 07:33

Hallo Narvik,
ein sehr berührender Text, wunderbar sanft und poesievoll geschrieben.
Ich liebe gelungene Enjambements und hier komme ich auf meine Kosten.
Mit dem schwermütigen Inhalt versöhnt die letzte Zeile.
Den geliebten Menschen für immer im Herzen tragen. Niemand kann ihn dort herausreissen und es liegt am Hüter, ob er die Türe jemals wieder öffnen möchte, sodass jemand dort eintreten und vllt Platz nehmen kann.

Sehr gerne gelesen und darüber nachgedacht.

Ein angenehmes WE wünscht und
lG schickt
Lailany

Sidgrani 14.06.2014 13:15

Hei Narvik,

Kein Verlust kann größer sein, als der eines geliebten Menschen. Es ist, als ob ein Stück von einem selbst mitgegangen ist. Verzweiflung und Trauer müssen zu Anfang ihren Platz im Körper des Zurückgebliebenen bekommen, nur so können sie sich selbst aufzehren. Irgendwann kann dann Neues auf Basis des Alten entstehen.

Dein Gedicht beschreibt sehr einfühlsam diese Phasen. Wie schön, wenn ein geliebter Mensch nicht nur im Herzen weiterlebt, sondern ebenso in einem Gedicht, das ihm gewidmet ist.

Über Form und Technik ist schon alles gesagt worden, du beherrscht das Handwerk, was ich oft an deinen fundierten Kommentaren feststellen konnte.

Ich habe dein Gedicht aufmerksam gelesen und es hat mich berührt.

Lieben Gruß
Sid

Narvik 15.06.2014 09:48

Hallo Erich Kykal,

es freut mich sehr, deine lobenden Zeilen zu diesem Gedicht zu lesen, weil es mir besonders am Herzen liegt. Ich bilde mir nicht ein, mit euch "jungen Dichtern" noch mithalten zu können, doch ich versuche, mir Mühe zu geben, dem hier vorgegebenen hohen Niveau Rechnung zu tragen.
Es liegen noch viele Entwürfe in meiner Schublade, doch bin ich kein Freund von schnellen Veröffentlichungen, denn m.M.n. sollten Gedichte reifen, wie ein guter Wein, zumindest habe ich mir das für meine eigenen Verse vorgenommen.
Du hast den Inhalt sehr gut erfasst und ebenso schön mit den Zeilenlängen verknüpft, obwohl ich zugeben muss, dass die Form einfach so entstanden ist. Umso erfreulicher empfinde ich, wenn das äußere Gewand dann auch dem Inhalt entspricht.
Vielen Dank für deinen netten Kommentar.

Herzliche Inselgrüße

Narvik

---

Hallo Lailany,

das hast du sehr schön geschrieben. Ich mag es auch, wenn Sätze in den nächsten Vers übergreifen, damit wird m.M.n. verhindert, dass sich die Zeilen aufzählend anhören.
In der Tat ist das Gedicht zunächst sehr schwermütig, doch es sollte auch die Erkenntnis zeigen, dass sich mit Betrübtheit auf die Dauer schlecht leben lässt, denn das Leben geht ja nun mal weiter und nimmt keine Rücksicht auf etwaige Befindlichkeiten.
Nein, die Türe ist nicht verschlossen, aber der Raum dahinter ist gefüllt mit Liebe und Erinnerungen. Und trotzdem ist wieder Platz für neue Freundschaften und Lebensmut gegeben. Man sollte zwar niemals nie sagen, doch ich glaube, eine wirklich neue Liebe wird sich dort nicht mehr etablieren können. Das aber ist wohl eher altersbedingt und liegt nicht an der fehlenden Bereitschaft.
Über deinen Kommentar habe ich mich sehr gefreut und wünsche dir auch auch noch einen schönen Sonntag.

Herzliche Inselgrüße

Narvik

---

Hallo Sidgrani,

du hast es zutreffend beschrieben. Solch ein Verlust hinterlässt eine große Lücke, die nur sehr schwer wieder zu schließen ist. Das braucht seine Zeit und völlig wieder zuwachsen wird sie niemals. Man kann nur lernen, damit umzugehen und sie mit Erinnerungen aufzufüllen. Aber erst wenn man erkennt, dass der Raum für neue Dinge nicht durch die Erinnerungen alleine blockiert werden darf, dann geht es weiter und man kann den Blick vorwärts richten.
Das ist nicht leicht, wie jeder, der einen solchen Verlust hinnehmen musste, mit Sicherheit nachvollziehen kann. Das sollten meine Zeilen beschreiben und wie ich sehe, ist das auch annähernd gelungen.
Deshalb freue ich mich auch über deine lobenden Worte sehr und bedanke mich für deinen Beitrag.

Herzliche Inselgrüße

Narvik

juli 18.06.2014 09:15

Hallo Narvik
 
Mehrfach habe ich Dein Gedicht gelesen, und hatte auch schon angefangen einen Kommentar zu schreiben, doch mir fehlten die Worte.

Du beschreibst mit innigen, doch klaren Worten die Trauer von Jemandem,der einen geliebten Menschen verloren hat. Die Zeit verändert die Sichtweise, am Ende hast Du geschrieben, das der Zurückgebliebene den Verstorbenen in Gedanken bei sich trägt, auf Immerdasein. Die Rubrik ist die Richtige.

Dein Stil ist es, den Leser mitzunehmen durch die Gefühle.:)

Sehr, sehr gerne gelesen.
sy

Narvik 19.06.2014 06:00

Hallo syranie,

das ist eine sehr schöne und zusammenfassende Interpretation meiner Zeilen uns spiegelt meine Absichten zutreffend wieder. Die Trauer braucht ihre Zeit und ihren Raum, um verarbeitet und wieder zu Lebensfreude umgekehrt zu werden.
Es ist schön, dass dich mein Gedicht auf diese Art mitnehmen konnte und ich bedanke mich für deinen netten Kommentar.

Herzliche Inselgrüße

Narvik


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 13:53 Uhr.

Powered by vBulletin® (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.

http://www.gedichte-eiland.de

Dana und Falderwald

Impressum: Ralf Dewald, Möllner Str. 14, 23909 Ratzeburg