Gedichte-Eiland

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Medusa 09.07.2009 13:16

Der Kirschbaum
 
Versuch, eine Sestine zu schreiben.


Im Juli, wenn die Winde stehen still,
die Schwalben schießen kreischend durch die Luft,
das Thermometer schnell gewinnt an Höh,
der Mensch enthemmt sich kleidungsmäßig dreist,
dann glänzen Kirschen knackig rot am Baum.
Vergiss zur Ernte Leiter nicht noch Korb.

Befüll mit Köstlichkeiten deinen Korb,
greif zu und koste, pflücke, halt nicht still,
genieße diese süße, würzig Luft.
Die schönsten Kirschen wachsen in der Höh.
Steig auf, sei fröhlich, nützlich, vielleicht dreist.
Befreie von der Last den reichen Baum.

Behandle mit viel Liebe deinen Baum
Er füllte dir mit Großmut deinen Korb.
Verharre nun, und schweig ein wenig still,
betrachte ihn und atme seine Luft.
Lass los den Stamm, die Äste bis zur Höh,
schau hin, sei dankbar, glücklich, nicht zu dreist.

Trag fort die Ernte, sei nicht allzu dreist.
Von seiner Fracht befreit ist nun dein Baum.
Halt achtsam fest den wohlgefüllten Korb,
verliere keine Kirsche, halt ihn still.
Schau keineswegs wie Hans nur in die Luft,
auch nicht zu oft zur lichten, fernen Höh.

Dein Weg ist hier, er liegt nicht in der Höh.
Behüte jede Frucht und sei nicht dreist,
er gab sie ohne Lohn, der stolze Baum.
Verschütte nicht die Pracht aus deinem Korb.
Nun geh ins Haus, gemächlich, frei und still,
gib allen Kirschen Raum und freie Luft.

Denn ausgebreitet an des Hauses Luft,
verführt ihr Duft die Nas, steigt in die Höh.
Doch dann verspeise sie mit Wonne, dreist!
Bedanke dich bei deinem treuen Baum.
Er füllt dir reichlich Jahr für Jahr den Korb,
erwartet nichts, beschenkt dich und steht still.

So steht er still, braucht frisches Wasser, Luft.
Er strebt zur Höh , nur ohne Schnitt recht dreist.
Verehr den Baum, bewahre deinen Korb.

a.c.larin 09.07.2009 14:34

oh ja, medusa, nun hast du's geschafft!
bezwangst wie siegfried einst den bösen drachen,
so ist das eben beim sestinen-machen:
sie kosten unsre ganze dichterkraft!

willst du das gedicht nicht auch beim gedichte -wettbewerb einstellen?
oder hast du schon?
mir gings beim lesen deiner sestine ähnlich wie dir bei meiner:
irgendwann bei strophe vier sinds plötzlich sooo viele dreiste, stille kirschen im korb...
bis dahin aber: gelungene story!
ich schicke dir demnächst die eichendorff'sche sestine per pn (nur zum schmökern)

liebe grüße
larin

Medusa 10.07.2009 14:09

Liebe Larin,

nicht nur beim Lesen, auch beim Dichten "funzt" die Sestine nicht, sie ist viel zu lang und das Herumreiten auf den immer gleichen Wörtern ist total ermüdend und quälend; zudem bringts nichts. Einen Kirschbaum könnten wir kürzer, treffender und eindringlicher schildern, stimmts?

Irgendwo schreibst Du, es sei ein gutes Training, das kann ich unterstreichen, mehr bringt es aber auch wirklich nicht :).

Ja, ich habe es Bastian geschickt, Chancen, aufs Treppchen zu kommen, hat es sicher nicht!

Ich freue mich auf den Eichendorff!

Herzliche Grüße und Danke für Deinen Kommentar,
Medusa.

Helene Harding 10.07.2009 17:39

Liebe Medusa, was bewundere ich doch dein Talent, Bilder in klassischer Form zu umschreiben. Die Vorstellung von einem prall mit Kirschen befülltem Baum ist einfach zu herrlich. Und ja, ganz oben, da warten die leckersten, die süßesten Früchte :)
Ich hoffe sehr, dass dein Gedicht eine hohe Bewertung bekommt, meine Stimme hast du auf jeden Fall.

alles liebe, Helene

forelle 10.07.2009 18:07

Der Kirschbaum
 
Liebe Medusa,

also, das ist hier ein so schönes Kirschgedicht. Ich finde es niedlich-tragisch, dass du trotz so viel Lobes dieses Gedicht selber so runterspielst. Vielleicht durch die enorme Länge etwas weniger verdichtet, aber sonst ...... will ich jetzt Kirschen ......:D

grüßt dich "kirschkernpul" forelle

.

Medusa 10.07.2009 19:36

Liebe Helene,

ich freue mich sehr über Deine lobenden Worte.

Ja, ein Kirschbaum, an dem die Früchte leuchten und zum Kosten verführen ist etwas Herrliches. Im Alten Land, in der Nähe von Bremen, kannst Du jetzt kilometerweit lustwandeln und pflücken, genießen, schauen ....... (es gibt aber jede Menge Wespen :eek:).

Danke auch für Deine Stimme :).

Herzliche Abendgrüße,
Medusa.




Liebe Forelle,

nein, ich will es nicht runter spielen; es ist schon eine tolle Leistung, über die vielen Strophen bei der Sache zu bleiben; ich habe lange daran geknabbert. Nur empfinde ich die Aussage als zu sehr in die Länge gezogen. Hat Dich das nicht gelangweilt?

Larin hat auch eine Sestine geschrieben und ein besseres Thema gewählt.

Ich danke Dir für Dein Lob und freue mich sehr, Deinen Appetit auf Kirschen geweckt zu haben; ich liiiiebe sie!

Ich danke Dir für Deinen Kommentar und schicke Dir liebe Abendgrüße,
Medusa.

Leier 10.07.2009 22:54

Liebe Medusa,

hab noch nicht kapiert, was eine Sestine ist - da muß mir Wikipedia weiterhelfen.
Das Thema soll innerhalb der Strophen sowohl weitergeführt als auch sechsmal wiederholt werden?
Da bin ich Tumber Tor !
Abgesehen von den anfänglichen Inversionen
ist es in meinen Augen ein schönes Lobgedicht auf Kirsche/Kirschbaum.
Ich habe es sehr gern gelesen!

Lieben Abendgruß
von
cyparis

a.c.larin 11.07.2009 09:37

liebe medusa,
wärs nicht jetzt an der zeit, in der eiland-schule einen faden aufzumachen : sestine-schreiben , leicht gemacht.

( für alle, die sich auch gerne mal den kopf an sowas zerbrechen wollen :D )

larin

Medusa 11.07.2009 10:13

Guten Morgen Cyparis,

aber nein, Du bist kein tumber Tor! Ich hatte bis vor einer Woche noch nie etwas von einer Sestine gehört, Larin klärte mich auf! Meine Neugier auf alte Formen ist hinlänglich bekannt, so setzte ich mich halt dran und hielt durch.

NIE WIEDER! Ohne Inversionen gehts nicht. Wie willst Du die Endwörter sonst hinbekommen? Ich habe mehrere Tage dran gefeilt, gepusselt und überlegt, glaub mir!

Ich mag diese Form überhaupt nicht! Ein Thema über sechs (!) sechszeilige (!) Strophen auszuquetschen, ist laaaangweilig bis zum Gehtnichtmehr, sowohl für die Leserin als auch für die Dichterin! ABER: Es war eine gute Übung!

Das Gedicht ist ja nicht schlecht, das Thema wäre jedoch besser kürzer, in einem Sonett beispielsweise, untergebracht.

Wie dem auch sei: Ich danke Dir für Deine Überlegungen und Deinen Kommentar!

Noch einmal ganz herzliche Grüße zum Ehrentag,
Medusa.




Liebe Larin,

ohne mich :eek:! "Leicht gemacht"? Das kann nicht Dein Ernst sein, hattest Du keine Mühe damit :confused:.

Mir gefällt Deine Sestine viiiiel besser. Die könntest Du einstellen und die Wiederholungen bunt markieren. Vielleicht finden sich neugierige "Kopfzerbrecher" und interessierte Dichter?

Herzliche Wochenendgrüße nach Wien,
Medusa.

RiffRaff 11.07.2009 10:56

Hallo Schlangenhaupt,

so ganz kann ich deine Meinung nicht teilen, dass es nur eine Übung ist. Es ist allerdings sauschwer, was vernünftiges rauszuholen und ja, ich spreche aus ERfahrung. Die hier könnte dir vielleicht gefallen, ist kein Copyright mehr drauf:


A. Swinburne

I saw my soul at rest upon a day
As a bird sleeping in the nest of night,
Among soft leaves that give the starlight way
To touch its` wings but not its` eyes with light;
So that I knew as one in visions may,
And knew not as men waking, of delight.

This was the measure of my souls delight;
It had no power of joy to fly by day,
Nor part of the large lordship of the light;
But in a secret moon-beholden way
Had all its will and dreams of pleasant night
And all the love and live that sleepers may.

But such life`s triumph as men waking may
It might not have to feed ist faint delight
Between the stars by night and sun by day
Shut up with green leaves and a little light;
Because its way was as a lost star`s way,
A world`s not wholly known of day or night

All loves and dreams and sounds and gleams of night
Made it all music that such minstrels may,
And all they had they gave it of delight;
But in the full face of the fire of day
What place shall be for any starry light
What part of heaven in all the wide sun`s way?

Yet the soul woke not, sleeping by the way
Watched as a nursling of the large-eyed night,
And sought no strength nor knowledge of the day,
nor closer touch conclusive of delight
nor mightier joy nor truer than dreamers may,
nor more of song than they, nor more of light.

For who sleeps once and sees the secret light
whereby sleep shows the soul a fairer way
between the rise and rest of day and night,
shall care no more to fare as all men may;
But be his place of pain or of delight
there shall he dwell, beholding night as day

Song have thy day and take thy fill of light
before the night be fallen across thy way;
sing while he may, man hath no long delight.

Medusa 11.07.2009 11:50

Hallo Riffraff,

ich freue mich immer sehr über Deine Kommentare!
Schau mal, ich habe mir die Mühe gemacht, ein paar Wiederholungen zu markieren: bei "night" stimmts schon mal nicht, bei "day" auch nicht und so gehts weiter!

Mir gefällt sehr, dass sich die Verse reimen. Das zeigt, dass eine Sestine ausbaufähig ist. So gefällt sie mir auch, da spielt die Länge keine Rolle mehr.

Du hast ein wunderbares Beispiel ausgewählt, ich danke Dir herzlich dafür! Hier wirkt auch das Thema keineswegs breit gequetscht, sie ist einfach nur schön!

A. Swinburne

I saw my soul at rest upon a day
As a bird sleeping in the nest of night,
Among soft leaves that give the starlight way
To touch its` wings but not its` eyes with light;
So that I knew as one in visions may,
And knew not as men waking, of delight.

This was the measure of my souls delight;
It had no power of joy to fly by day,
Nor part of the large lordship of the light;
But in a secret moon-beholden way
Had all its will and dreams of pleasant night
And all the love and live that sleepers may.

But such life`s triumph as men waking may
It might not have to feed ist faint delight
Between the stars by night and sun by day
Shut up with green leaves and a little light;
Because its way was as a lost star`s way,
A world`s not wholly known of day or night

All loves and dreams and sounds and gleams of night
Made it all music that such minstrels may,
And all they had they gave it of delight;
But in the full face of the fire of day
What place shall be for any starry light
What part of heaven in all the wide sun`s way?

Yet the soul woke not, sleeping by the way
Watched as a nursling of the large-eyed night,
And sought no strength nor knowledge of the day,
nor closer touch conclusive of delight
nor mightier joy nor truer than dreamers may,
nor more of song than they, nor more of light.

For who sleeps once and sees the secret light
whereby sleep shows the soul a fairer way
between the rise and rest of day and night,
shall care no more to fare as all men may;
But be his place of pain or of delight
there shall he dwell, beholding night as day

Song have thy day and take thy fill of light
before the night be fallen across thy way;
sing while he may, man hath no long delight.


Ich schicke Dir viele liebe Wochenendgrüße,
Medusa.

RiffRaff 11.07.2009 12:26

Hallo medusa,

interessant, einen Großen "ertappt" zu sehen, wie er die Form zugunsten des Inhalts geopfert hat. Ich nehme an du meinst mit den Wiederholungen, dass Swinburne die nicht entsprechend dem vorgegebenen Schlüssel verwendet hat?

Hier ist noch eine - übersetzte - von Elizabeth Bishop. Die hat auch eine sehr imponierende Villanelle geschrieben "The Art of Losing". Weiß nicht ob du die kennst, falls nein, solltest du sie mal googeln. ICh wette die gefällt dir.

Septemberregen fällt aufs Haus.
Im Zwielicht sitzt die alte Oma
dort in der Küche mit dem Kind
neben dem kleinen Wunderherd,
liest Witze aus dem Almanach
lacht, spricht, und überspielt die Tränen.

Sie denkt dass ihre Sonnwendtränen,
dem Regen gleich, der`s Dach drischt und das Haus
verzeichnet war`n im Almanach,
doch dass man das nur weiß als Oma.
Der Eisenkessel singt dort auf dem Herd.
Sie schneidet Brot auf, sagt zum Kind

dass Teezeit sei, jedoch das Kind
sieht nur des Kessels kleine harte Tränen
wie irre tanzen auf dem heißen Herd,
so wie der Regen auf dem Haus.
Beim Säubern hängt die alte Oma
am Faden auf den schlauen Almanach.

Dort flappt er vogelgleich, der Almanach
halb aufgeschlagen über`m Kind
flappt über der alten Oma
und ihrer Tasse voll bräunlicher Tränen.
Sie fröstelt, sagt, ihr fühle sich das Haus
so kalt an, legt mehr Holz noch nach im Herd.

„So musst` es kommen“ sagt der Wunderherd,
„ich weiß das, was ich weiß“ der Almanach.
Mit Kreiden malt das Kind ein starres Haus,
davor –gewunden- einen Weg. Es malt das Kind
ins Haus den Mann mit Knöpfen wie aus Tränen,
und präsentiert das Bild voll Stolz der Oma.

Doch insgeheim als noch die Oma
zugange ist mit jenem Herd
fallen die kleinen Monde wie Tränen
herab aus den Seiten des Almanachs
und in das Blumenbeet. Das hat das Kind
ganz achtsam angelegt vorm Haus.

„Jetzt Tränen pflanzen“ sagt der Almanach,
die Oma singt eins für den Herd,
das Kind malt noch ein undeutbares Haus.

Medusa 11.07.2009 13:40

Hallo Riffraff,

ja, genau so meine ich es :)! Streng genommen stimmt Mr. Swinburnes Sestine nicht (für unsere Sprache!) mit den gestrengen Regeln überein. Vielleicht hat er sogar die schwierigere Variante gewählt? Das übersehe ich aber nicht, ich habe einfach zu wenig Ahnung, aber sie gefällt mir, sehr sogar!

Die Sestine von Elisabeth Bishop gefällt mir nicht; ich kann nicht erklären, warum. Vielleicht fehlt mir die Phantasie, mich darauf einzulassen? Für mich sind zu viele Bilder drin, die ich nicht verstehe.

Aber ich habe mir die Villanelle durchgelesen - sie ist wunderbar! Da stimmt alles: Inhalt, Klang, Wiederholungen, Reime ..... Danke, dass Du mir den Tipp gegeben hast, ich kannte diese Dichterin nicht.

Es bereitet mir viel Freude, mich mit Dir auszutauschen!
Viele liebe Grüße,
Medusa.

a.c.larin 11.07.2009 14:17

Hallo Riffraff,

Ich glaube auch, dass bei Elizabeth Bishops Sestine die Sache mit dem fünfhebigen Jambus nicht stimmt - da holpert es doch , allein bei der Zeilenlänge!

In meinem Verslehre -Büchlein steht auch, dass Sestinen im Englischen und Französischen eher verbreitet sind, das Reimen und das Einhalten des Metrums sind dort weniger schwierig.
(Charles Swinburne und Ezra Pound werden dort als Beispiele genannt)

Eigentlich stammt die Sestine von dem provenzalischen Troubadour Arnaut Daniel (Ende 12.-Anfag 13 Jh.), ist also ein sehr alte Form, kein Wunder ,
dass wir "Heutigen" uns dran die Zähne ausbeißen...

Die ( angeblich) schwierigere Form hat foglendes Schema:
1.Str. 1 2 3 4 5 6
2.Str: 6 1 5 2 3 4
3.Str: 4 6 1 2 5 3
4.Str: 3 4 5 6 1 2
5.Str: 2 3 4 1 6 5
6.Str: 5 2 3 6 4 1

Terzine: 1 5 3

Liebe Grüße
Larin

Medusa 11.07.2009 15:00

Liebe Larin,

kopiere doch bitte Deine schöne Blumenwiesen-Sestine hier herein, ja? Sie passt so gut! Außerdem sind wir die einzigen Inseldichterinnen, die sich da heran gewagt haben!

Wenn Du nicht weißt, wie es mit dem Kopieren geht, dann kann ich das mit Deiner Erlaubnis auch machen :).

Erwartungsvolle Grüße,
Medusa.

RiffRaff 11.07.2009 15:11

Hallo Medusa,

ich schätze mal, dass das mit dem Jambus Absicht war, dass sies gekonnt hätte, wenn sies gewollt hätte, daran hab ich keinen Zweifel.

Hier ist noch ein schönes STück: Kipling:

Speakin' in general, I 'ave tried 'em all,
The 'appy roads that take you o'er the world.
Speakin' in general, I 'ave found them good
For such as cannot use one bed too long,
But must get 'ence, the same as I 'ave done,
An' go observin' matters till they die.

What do it matter where or 'ow we die,
So long as we've our 'ealth to watch it all --
The different ways that different things are done,
An' men an' women lovin' in this world --
Takin' our chances as they come along,
An' when they ain't, pretendin' they are good?

In cash or credit -- no, it aren't no good;
You 'ave to 'ave the 'abit or you'd die,
Unless you lived your life but one day long,
Nor didn't prophesy nor fret at all,
But drew your tucker some'ow from the world,
An' never bothered what you might ha' done.

But, Gawd, what things are they I 'aven't done?
I've turned my 'and to most, an' turned it good,
In various situations round the world --
For 'im that doth not work must surely die;
But that's no reason man should labour all
'Is life on one same shift; life's none so long.

Therefore, from job to job I've moved along.
Pay couldn't 'old me when my time was done,
For something in my 'ead upset me all,
Till I 'ad dropped whatever 'twas for good,
An', out at sea, be'eld the dock-lights die,
An' met my mate -- the wind that tramps the world!

It's like a book, I think, this bloomin' world,
Which you can read and care for just so long,
But presently you feel that you will die
Unless you get the page you're readin' done,
An' turn another -- likely not so good;
But what you're after is to turn 'em all.

Gawd bless this world! Whatever she 'ath done --
Excep' when awful long -- I've found it good.
So write, before I die, "'E liked it all!"

RiffRaff 11.07.2009 15:19

Da war es wieder, dieses leise Ahnen
von etwas altvertrautem, aber flüchtig
ein Tropfen Schatten fiel auf Nervenbahnen
bedrohlich kratzend, seltsam eifersüchtig
als wollte mich ein Etwas drängend mahnen
da hinter dir liegt was, das ist nicht richtig.

Beim Lesen eingeschlafen gestern, richtig
so wars, ein Buch mit Sagen uns`rer Ahnen
von Heimdalls Horn von Ragnarök, ein Mahnen
dass alles endlich ist, unendlich flüchtig,
das Schicksal unaufhaltsam, eifersüchtig
sich eig`ne Wege durch die Welt wird bahnen.

Die Tram verschluckt mich, fährt in gleichen Bahnen
wie immer pünktlich taktend, richtig, richtig
die Türen atmen fauchend, eifersüchtig,
sekundengeil, ob sie Verspätung ahnen?
Die Frau von neulich, unser Blick kreuzt flüchtig
dann blecht`s vom Band “Ihr nächster Halt“, Ermahnen….

Die Treppen klacken laut, die Uhren mahnen
mich zu beeilen, durch die Menge bahnen,
der Anschluss ist knapp kalkuliert und flüchtig
schießt`s durch den Kopf, ist, was ich tue, richtig?
Geschafft, der Zug fährt an, als würd`er ahnen
dass ich gezweifelt habe, er kreischt eifersüchtig.

Gerammelt voll, ich schaue eifersüchtig
auf jeden vollen Platz, Plaketten mahnen
„Missbrauch ist strafbar“; wieder dieses Ahnen
im Nacken..... als sich Kontrolleure bahnen
den Weg durch volle Gänge, „Danke, richtig“
die Karte lochen, Nicken kurz und flüchtig.

Da vorn ist Raucher, lockend, blau und flüchtig
zieht`s her zu mir, ich sauge eifersüchtig
an diesem Hauch, ich rauch` zwar nicht mehr, richtig
weil Arzt und Bronchien mich ständig mahnen
doch spüre ich wie sich die Hände bahnen
den Weg zu etwas, was sie tastend ahnen.

Ganz flüchtig höre ich das leise Mahnen
hell, eifersüchtig dringt das Licht in Bahnen
durch falsche Schatten, Richtig? Falsch? Ein Ahnen……

Medusa 11.07.2009 15:45

Lieber Riffraff,

das sag ich doch immer: Nur wer die Grundlagen beherrscht, kann sich Freiheiten erlauben! Und dies gilt nicht allein für den Jambus!

Bei der Sestine von Elisabeth Bishop ist es auch nicht die Technik, die mir nicht behagt, ich bin sicher, sie hat sie beherrscht; es ist der Inhalt, dem ich nicht folgen kann.

Kiplings Sestine musste ich mehrmals lesen, bevor ich die vielen Auslassungen gedanklich schließen konnte :D. Ich sehe schon, ich müsste noch lange üben, um solche Geschlossenheit im Text hinzukriegen!

Und die zweite Sestine? Wer hat sie geschrieben? Ich bin begeistert! Auch hier wieder schöne Reime, die das Durchhalten bei der Länge viel kurzweiliger gestalten, obwohl sie laut Lehrbuch nicht zur Sestine gehören. Der Inhalt gefällt mir sehr gut. Er wirkt überhaupt nicht breit getreten oder in die Länge gezogen sondern kommt absolut leichtfüßig daher.

Für alle Sestinen gilt: Sie richten sich nicht eindeutig nach den gestrengen Vorgaben; das ist gut so und lockert auf sehr angenehme Weise auf.

Herzliche Dank,
Medusa.

(Hast Du die zweite Sestine geschrieben :))

a.c.larin 11.07.2009 17:28

ja medusa,
du könntest meine sestine gern hier reinstellen....
grüße
larin

Medusa 11.07.2009 18:33

Das Lied der Blumen (Sestine)
von a.c. larin


Ich liebe euch, ihr zarten, süßen Blumen,
wie ihr die Welt verschönt mit bunten Farben!
Und eure Düfte füllen Wald und Wiesen,
verschenken immer wieder neue Träume.
Wo längst kein Hoffnungsschimmer wirkt im Herzen,
seid ihr die Boten himmelsnaher Freude!

Es bliebe jedem Menschen diese Freude,
zu spürn: Natur erweckt Gefühl wie Blumen,
dass ihm Gedanken sprießen, froh an Farben,
die seine Seele weit und frei, gleich Wiesen
sich öffnen lassen. Keine Schattenträume
verstörn den Geist! Vergangnes ruht im Herzen.

So hört ein Mensch die Botschaft gern, von Herzen!
Ist Gott die Quelle dieser klaren Freude?
Es dienen Ihm in Demut all die Blumen
und künden seinen Lobpreis durch die Farben,
als flögen Engel zärtlich über Wiesen
und ihre Flügel säten Blütenträume....

Ich wandre, stille lauschend, durch die Träume
und ihrer Fülle Klang, er geht zu Herzen:
Verliere nie den Sinn für diese Freude,
die dir gewährt ist durch das Lied der Blumen.
So nährt der Himmel mit der Kraft der Farben.
Erhalte, Mensch, die wunderbaren Wiesen!

Wie duften zart und lieblich alle Wiesen!
Es ist, als wär ich Erbe meiner Träume.
Oh Welt, wie dank ich dir aus ganzem Herzen
für diesen Sommertag voll Lebensfreude!
Ich liebe euch, ihr sanften, stillen Blumen,
wie ihr die Seele wiegt in euren Farben!

Das Lied der Blumen ist das Lied der Farben:
Da geht ein Raunen durch die Sommerwiesen,
es flüstert wie Verführung Liebesträume -
und zärtlich neigen zu sich manche Herzen.
Das Lied der Herzen ist das Lied der Freude.
Sieh an! Es naht der Liebste sich mit Blumen!

Das Lied der Farben ist das Lied der Blumen -
Das Lied der Freude ist das Lied der Herzen -
So streuen Engel über Wiesen Träume....

RiffRaff 21.07.2009 11:00

Hallo MEdusa, vielleicht geht es so besser mit dem Kipling-Text?

Landläufig ausgedrückt, ich kenn sie alle,
die Straßen, die uns führen um die Welt,
landläufig ausgedrückt, sie warn ganz gut,
für mich, der stets nen neuen Schlafplatz braucht,
schnell weiterzieht, wie ich’s gehalten habe,
der Dinge sehen will bis ganz zu Ende.

Wen kümmert, wenn er reisen kann, sein Ende,
ist die Gesundheit noch nicht richtig alle?
Gut, dass man anderswo stets andres braucht,
dass es noch Liebe gibt auf dieser Welt;
wir Risiken eingehn, trotz unsrer Habe,
und fehlen Chancen, schwindeln ’s ginge gut..

Ob Bares oder Pump, nö, beides ist nicht gut,
du brauchst das Fieber, s wäre sonst dein Ende,
außer du lebst bloß einen Tag. Dann braucht
man keine Vorahnung, Gefühle, alle
Fäden wärn dann gekappt mit dieser Welt,
„ ich möchte“ so egal wie ein „ich habe“.

Gott, gibt’s was, das ich noch nicht getan habe?
Hab alles fast probiert, es ging ganz gut
egal an welchen Winkeln dieser Welt.
Ich sag, wer nicht mehr schafft, dem winkt sein Ende,
doch stets die gleiche Schicht taugt nicht für alle,
da wird das Leben viel zu schnell verbraucht.

Von Job zu Job, und wurd’ ich auch gebraucht
hielt mich kein Geld, wars Zeit zu gehn. Ich habe
den Drang im Kopf,, der treibt, er macht mich alle
bis ich dann alles hinschmeiß, nix für ungut,
auf See zum Pier zurückblick, Lichtaus, Ende,
mein’ Kumpel treff, den Westwind um die Welt.

Ist wie ein Buch, die große weite Welt,
das kann ich lesen, lieben, trotzdem braucht
es wenig und ich fühl, es geht zu Ende,
wenn ich die Seite nicht bald fertig habe,
ne neue aufschlag und ist die nicht gut,
was solls, ich will sie alle lesen, alle.

Gott segne diese Welt, ich schreib -ich habe,
hat’s nicht zu lang gebraucht, stets alles gut
gehabt – zum Ende hin, : Ich mochte alles, alle.

Medusa 22.07.2009 12:35

Hallo Riffraff,

ich glaub, das ist eine wunderbare Übersetzung und ich danke Dir ganz herzlich dafür.

Von Kipling habe ich wenig gelesen, nur die wirklich bekannten Romane "The Man who would be King", "Kim" und natürlich "The Jungle Book". Das ist schon lange her aber ich erinnere die Schwierigkeiten, die ich beim Lesen hatte; ohne mein Oxford Dictionary wäre ich nicht sehr weit gekommen...... Ich glaube, um ihn wirklich zu verstehen, müsste ich ein "native Speaker" sein :).

Mal sehen, vielleicht bekomme ich eine zweite Sestine hin. Die dann allerdings mit den notwendigen Freiheiten ;).

Ich grüße Dich herzlich,
Medusa.

RiffRaff 22.07.2009 13:18

Hallo Medusa,

Kipling hat auch einen dicken Bestand an Gedichten hinterlassen, mit den gesammelten Werken, die ich habe, könnte man einen Einbrecher erschlagen. Es lohnt sich, mehr von ihm zu lesen. Er war der erste Engländer überhaupt, dem der Nobelpreis für Literatur verliehen wurde und ist ganz zu Unrecht meist nur wegen Walt Disneys cineastischem und kaufmännischem Genie bekannt.

lG

RiffRaff

Medusa 22.07.2009 13:29

Hallo RiffRaff,

wenn ich mich recht erinnere, war Kipling hier und in England für lange Zeit aus politischen Gründen nicht wohl gelitten. Erst durch die Disney-Verfilmung wurde er posthum (?) wieder bekannter, oder irre ich mich?

Ich kenne keine Gedichte von ihm, bis auf dieses, das Du eingestellt hast. Es ist jedoch ein guter Tipp von Dir, mich mal damit zu beschäftigen.

Viele liebe Grüße,
Medusa.

RiffRaff 22.07.2009 15:53

Hallo Medusa,

Kipling hat sich vor allem mit seinem Gedicht "A White Mans Burden" ein sehr unrühmliches Denkmal gesetzt. Als "Kind" seiner Zeit war er Imperialist und überzeugt davon, dass Weiße den Eingeborenen ihre Zivilisation aufs Auge drücken müssten. Außerdem war er eine Zeitlang verdächtig, mit Nazis im Bund zu sein. Das deshalb, weil er auf einigen seiner Bücher eine Swastika aufdrucken ließ. Allerdings hat die in eine andere Richtung gedreht als das Hakenkreuz der Nazis und stand auch nicht auf der Spitze. Vielleicht weißt du, dass Hakenkreuze in Indien und Pakistan sehr verbreitet sind als Schutzzeichen bzw. in Kiplings 'Zeit waren? Das Hakenkreuz ist ein uraltes Symbol, das haben die Nazis sich nur als "arisches Gut" unter den NAgel gerissen.

Gruß

RiffRaff

Take up the White Man's burden—
Send forth the best ye breed—
Go bind your sons to exile
To serve your captives' need;
To wait in heavy harness,
On fluttered folk and wild—
Your new-caught, sullen peoples,
Half-devil and half-child.

Take up the White Man's burden—
In patience to abide,
To veil the threat of terror
And check the show of pride;
By open speech and simple,
An hundred times made plain
To seek another's profit,
And work another's gain.

Take up the White Man's burden—
The savage wars of peace—
Fill full the mouth of Famine
And bid the sickness cease;
And when your goal is nearest
The end for others sought,
Watch sloth and heathen Folly
Bring all your hopes to naught.

Take up the White Man's burden—
No tawdry rule of kings,
But toil of serf and sweeper—
The tale of common things.
The ports ye shall not enter,
The roads ye shall not tread,
Go make them with your living,
And mark them with your dead.

Take up the White Man's burden—
And reap his old reward:
The blame of those ye better,
The hate of those ye guard—
The cry of hosts ye humour
(Ah, slowly!) toward the light
“Why brought he us from bondage,
Our loved Egyptian night?”

Take up the White Man's burden—
Ye dare not stoop to less—
Nor call too loud on Freedom
To cloak your weariness;
By all ye cry or whisper,
By all ye leave or do,
The silent, sullen peoples
Shall weigh your gods and you.

Take up the White Man's burden—
Have done with childish days—
The lightly proferred laurel,
The easy, ungrudged praise.
Comes now, to search your manhood
Through all the thankless years
Cold, edged with dear-bought wisdom,
The judgment of your peers.

Medusa 22.07.2009 22:23

Ja, RiffRaff,

das mit der Swastika wusste ich (ich hatte nur die Bezeichnung vergessen :o). Ist er nicht noch vor dem Zweiten Weltkrieg gestorben? Ich meine, einen Vorwurf kann ihm doch darum keiner machen. Schließlich hat er lange in Indien (oder Pakistan?) gelebt.

Das Gedicht spricht allerdings eine andere Sprache und darum ist er wahrscheinlich auch später in negative Schlagzeilen geraten. Andererseits hat er nichts anderes zu Papier gebracht, als was die Briten damals dachten und wonach sie handelten.

Morgen bekomme ich den Gedichtband und werde anfangen, mich mit seinen Werken zu beschäftigen.

Liebe Abendgrüße,
Medusa.


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