Gedichte-Eiland

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Chavali 23.02.2009 16:27


Schutzlos


Sie kommen in Scharen
fallen über dich her
picken die losen Fetzen
entblößen dich bis
zur Nacktheit

Deine Haut ausgeliefert
schutzlos dem Schlagen
der Flügel und
gierig die Geier
krumm ihre Schnäbel
und scharf

Leg dir den Mantel um
schirme dich ab
dann ziehn sie von dannen
als wärst du nicht da
unsichtbar




Chavali 23.02.2009 19:36

Verlorenes Paradies
 



Niemals kann ich die alten Türen öffnen,
vor Jahren sperrte ich sie selber zu.
Ich ließ den Schlüssel in den Brunnen fallen
und ahnte, diese Zone ist tabu.

Mein neues Haus hat neue Türen,
sie schwingen weich und knarren nicht.
Die Flügel sind weit für mich geöffnet
und goldne Leuchter spenden helles Licht.

Doch ich vermiss die alten Türen,
das dunkle Holz, das leise zu mir spricht!
Kerzenschein erhellte uns die Fenster
und roter Mond, der durch die Wolken bricht.

Die grauen Steine fangen meine Tränen,
sie saugen rau und gierig Leben auf.
Und ich - muss ich das wirklich noch erwähnen -
trockne aus im Städteschlussverkauf.




Chavali 23.02.2009 19:49

Was bleibt
 


Wirst du dich fragen am Ende der Zeit,
ob alles so kam, so wie du es gewollt,
ob nicht noch ein anderes Leben bereit,
bevor unvermeidlich der Tod kommen sollt?

Wirst du dann an all jene Menschen denken,
die dich selbst im Elend noch heiß geliebt,
an die, die dir halfen, dein Dasein zu lenken,
an die, deren eigene Hoffnung getrübt?

So geh denn in Frieden mit uns und mit dir,
die Welt dreht sich weiter in alter Manier.
Auch wir müssen sterben und fragen uns dann,
warum diese Zeit bloß so rasend verrann.

Was bleibt denn von all unsren irdischen Tagen?
Sie sind wohl vergangen, vergraben, vergessen.

Warum also zeitenlang sinnlose Fragen -
ist all dieses Streben nicht unangemessen?




Chavali 23.02.2009 22:08


Großstadtmelodie

In vielen Sprachen singst du dein Lied,
in allen Häusern bist du zu Haus.
Verhüllst im Summen, was dort geschieht,
schmetterst es manchmal auch laut hinaus.

In vielen Augen sieht man die Noten,
die sich zu Simfonien vereinen,
alles erlaubt, nichts ist verboten,
alles bejahen, den Takt nicht verneinen.

Aus vielen Mündern Bass und Sopran,
gewaltiges Stimmengemenge!
Dazwischen trompetiges Hupen der Bahn,
der Fahrzeuge verschiedener Klänge.

Alles zusammen und doch allein
stehe ich in dem Menschengewirre.

Die gewaltige Oper macht mich irre:
Ich möchte auf einer Insel sein.




Chavali 24.02.2009 16:27

Entwirrung
 

Hier sitze ich und nichts will mir gelingen.
Die Tinte trocken, das Papier zu rau.
Gedanken eingesperrt im tristen Bau,
den weiße Fetzen alter Zeit umschlingen.

Soll ich mit unsichtbaren Geistern ringen?
Mir kleinem Menschen scheinen sie zu schlau.
Ich weiß kaum, ob ich Mann bin oder Frau -
was kann mir wirrem Geist Erleuchtung bringen?

Ich kämpf mit mir, mit alten Rollenspielen,
verwerf Versionen alter, düst'rer Macht,
versuch das Spiel der falschen Art zu glätten.

Mein Hirn beginnt sich im Erfolg zu sielen.
Ich spür die Ruhe mit Beginn der Nacht.
Bald wird sie mich und meine Seele retten.



Chavali 25.02.2009 18:29


Geliebt und gehasst



In staubigen Mündern fault grünwelkes Obst
und weißer Marmor blendet silbern.
Fischschwänze zucken in seltsamem Rhythmus,
geputzte Tannen neigen ihr Haupt.

Ein Einarmiger klaubt Reste vom Boden,
der Kies knirscht feudal unter breiten Reifen.
Wind trägt aus dem Bauch die Asche davon,
Klaviermelodien zeugen von Reichtum.

In Ketten und frei, so bist du, Paris!
Golden und nachtschwarz, geliebt und gehasst.
Du lebst und du stirbst am Tag tausendmal,
verflucht und vergöttert, ein glänzendes Grab.



Chavali 25.02.2009 18:30


Der Zeit weit voraus



Da liegen sie vor mir,
die Straßen,
der Zeit weit voraus

Ich gehe ein Stück
des Weges,
seh nicht den Fuß
der mich trägt

Erkenne das Ziel nicht
und kehre um,
ich find nicht zurück

Verirre mich
im Dickicht der
falschen Pfade



Chavali 25.02.2009 18:32


Auf dem Dach der Welt



Ich stehe auf dem Dach der Welt,
den Blick fest hin zum Tal gewandt.
Die blauen Gletscher sind zerschellt,
zerklüftet, gläsern ausgebrannt.

Man sprach mir von dem Mut zur Höh',
der Absturz fast unmöglich schien.
Doch Sturm trieb eine laue Bö
hinauf zu Berges Agonien.

Um Mitternacht geschah es dann:
Die Wand aus Eis zerbrach,
als Wasser stürzend niederrann,
mit mir und aller Schmach!

Ertrunken bin ich in dem Stolz,
der Würde meines Lebens.
Mein eigner Wille, er zerschmolz,
mein Aufstieg war vergebens.



Chavali 25.02.2009 19:09

Tödliches Schweigen


Das Schweigen gellt in die dunkle Nacht,
tanzt voll Lust und schaut sich nicht um,
es hat schon seit Monaten irre gelacht
und sucht für sich selbst ein Imperium.

Das Schweigen findet ein lichthelles Haus,
mit Lachen und frohen Liedern darin,
besetzt es, breitet sich spinnnetzig aus,
hat endlich gefunden für sich seinen Sinn.

Das Schweigen herrscht über Leben und Tod,
vernichtet all das, was in uns erklingt.

Einmal erwacht schwach das Morgenrot -
und Stille schweigenden Kanon singt.



Chavali 25.02.2009 19:10


Wort und Tat



Dein Mund spricht schöne Worte, sanft und tief und klar,
meine Seele nimmt sie auf und hält sie für wahr.
Dein Herz jedoch trägt Trauer, mit dunkelschwarzem Band,
es wird mich einst verlassen, noch eh wir uns gekannt.

Der Klang der Mannesstimme trägt mich hinauf zum Licht,
wie Wachs zerschmelzen Silben, ich aber spür es nicht.
Den Sturz der schönen Worte hält deine Lust nicht auf,
gebrochen deine Schwüre, die Tat hält Ausverkauf.



Chavali 25.02.2009 23:11

Gegen den Wind


Wer richtet darüber,
was gut ist, was schlecht?
Wer sagt uns, was falsch ist,
wer sagt uns, was recht?

Wer sagt, was wir tun soll'n,
wer sagt uns, was nicht?
Welch Schicksal uns wartet,
wer spielt da Gericht?

Ich lebe, wie ICH will.
Der Sturm, er beginnt.
Auch wenn es nicht RECHT ist.
Ich kämpf gegen Wind.




Chavali 01.03.2009 18:38


Baum des Schicksals

Am Baum des Schicksals wehen weiße Bänder,
für jeden Tag der vagen Hoffnung eines.
Es sind schon viele mit der Zeit geworden,
sie kamen her, aus aller Herren Länder.

Der alte Baum trägt keine grünen Blätter,
die Zweige sind aus Gold und reinem Silber,
die Äste ragen zum azurnen Himmel,
auf seinen Spitzen hocken kleine Götter.

Und wenn die Menschen neue Bänder bringen
von dort, wo andre mit dem Tode ringen,
dann weiß man einen reichen Tisch zu decken,
und Angst verliert allmählich ihren Schrecken.



Chavali 01.03.2009 18:40


Alle Farben meiner Welt


Leben will ich, niemals sterben,
möcht der Welten Farben sehn!
Rot will ich die Lippen färben,
leicht in blauen Wassern stehn;

mich an grünen Bäumen laben,
nicht am Himmelsweiß allein.
Habe Freude an den Farben,
nehm' die Welt in Augenschein.

Sternensilber hol ich mir,
flecht es in dein Haar hinein!
Gelbe Garben bind ich dir,
schenk dir ein vom goldnen Wein -

doch unerbittlich läuft die Zeit,
falb die Stunde, die uns bleibt,
das schwarze Tor ist nicht mehr weit,
wenn farbenlos das Leben schweigt.



Chavali 01.03.2009 21:52


In Lack und Leder


Ich gehe den ehrlosen Weg der Schande,
nichts hält mich ab und niemand zurück,
bewege mich nah an des Abgrunds Rande,
werf in die Tiefe den schmachvollen Blick.

Wer bist du? Die, die verurteilen will!
Was ist an dir besser, besser als ich?
In feiner Seide gehst du deinen Weg,
lässt deine Kinder dafür im Stich.

Erhobenen Hauptes dreh ich mich nicht um,
zu schauen, was hinter mir ist,
verleugnen werde ich mich deshalb nicht,
du aber, weiß ich, vergisst deine Pflicht.

In Lack und in Leder steh ich auf der Straße,
verächtliche Blicke nehm ich in Kauf;
ich habe zu essen, mehr brauche ich nicht,
und ich bin frei, doch du zahlst noch drauf.



Chavali 04.03.2009 08:39

Aus der Reihe:
 

Die Todsündengedichte



Hochmut (Todsünde Nr. 1)

Du schaust auf andre hernieder,
dein Blick ist eitel und stolz;
doch wisse: Dummheit und Hoffart
wachsen auf einem zerbrechenden Holz.

Dein Dünkel ist unerträglich,
vor Gott sind wir alle gleich;
das kleine Gehirn unbeweglich,
fixiert auf eig'nen engen Bereich.

Du bist mit dir selbst zufrieden,
erkennst nicht des Lasters Gefahr;
am Ende wirst du gemieden,
Vereinsamung ist längst absehbar.


Chavali 04.03.2009 08:40

Geiz (Todsünde Nr.2)



Der Geizhals zählt täglich sein gehortetes Geld
mit gierigen Augen in geschlossener Kammer.
Um ihn und sein Leben ist es traurig bestellt,
er hat nichts davon, ein Bild voller Jammer.

Er kann nicht teilen, hat niemals genug,
in Kargheit verlebt er die stummen Tage,
er trinkt nur Wasser zum trockenen Brot.
Die Familie verkümmert in Sorge und Not.

Beständig siegt Habgier über den Tod,
noch rafft er und schafft er die Taler herbei,
erblickt schon bald schwächelnd das Morgenrot,
ein Atemzug noch: Und dann ist er frei.



Chavali 04.03.2009 08:41


Neid (Todsünde Nr.3)



Sie geben sich locker und sind doch verkrampft
in ihrem eignen Begehren,
pro domo die Wahrheit wird einfach zerstampft,
wobei sie die Lügen vermehren.

Sie schleimen und flöten aus sicherem Loch,
scheinen dich ganz zu verstehn,
sie lächeln dich an und würden dich doch
am liebsten von hinten sehn.

Denn sie sind eitel wie nichts auf der Welt,
säh'n sich am liebsten ganz vorn,
der Neid zerfrisst sie und hat sie gefällt
und sticht und nährt ihren Zorn.



Chavali 04.03.2009 08:43


Zorn (Todsünde Nr.4)




Er frisst sich durch alle Menschenschichten,
lässt schorfige Wunden und Narben zurück,
er kann nicht auf Vergeltung verzichten
und bricht sich vom Kuchen der Rachsucht ein Stück.

Die Wut ist gewaltig und taubt den Verstand,
gräbt schwelende Löcher in den Hort der Vernunft,
sie quillt aus der Tiefe wie ein schwärender Brand
und setzt sich ein Denkmal der zerstörenden Zunft.

Der Zorn lässt den Menschen rücksichtslos sein,
ihm sind die Normen und Regeln egal,
er zürnt und wird ein gefühlloser Stein,
ihm bleibt bis zum Abgesang keine Wahl.



Chavali 06.03.2009 09:14


Wollust (Todsünde Nr.5)


In heißen Lüsten wälzen sie sich,
geben dem Drängen nach,
wann immer sie wollen, lagern sie sich
in jedes Schlafgemach.

Schuldgefühle kennen sie nicht,
auch keine Bedenken und Scham,
Triebe zügeln wollen sie nicht
und steigern sich in ihren Wahn.

Ruchlos und frevelnd ziehn sie durch das Land,
Keuschheit ist ihnen fremd,
sittenlos greifen sie nach der Vision,
die keinen Anstand kennt.

Verlogen scheint diese Institution,
die die Moral nach außen predigt,
wie immer trinken sie heimlich Wein.
Das Volk ist vom Wasser geschädigt.


Chavali 06.03.2009 09:15


Völlerei (Todsünde Nr.6)


Endlos und maßlos stopfen sie sich
gefräßig die gierigen Bäuche voll.
Selbstsucht und Egoismus treiben sie an,
die größte Wampe hat ohne Scham der Kaplan.

Der Völlerei wird unmäßig gefrönt,
nicht ein Gedanke wird dran verschwendet,
dass es eine Welt gibt voll Elend und Harm,
um Brot zu kaufen sind die meisten zu arm.

Doch die, die haben, geben nicht ab,
viel wichtiger ist deren eig'nes Befinden,
sie raffen alles, was ihrer habhaft scheint,
sie hören es nicht, wenn ein Hungerkind weint.

Im Überfluss laben ist hoch angesagt
in unsrer technisierten, modernen Welt,
wir kaufen und horten für unser Geld,
soziales Verhalten ist da nicht gefragt.


Chavali 06.03.2009 09:17


Trägheit (Todsünde Nr.7)


Träge und ehrlos ihre Tage zerfließen,
Arbeit und Mühen als Fremdwort begriffen;
Faulheit und Feigheit als Freude genießen,
Würde und Stolz sind schon lange vergriffen.

So vertun sie ihr Leben phlegmatisch und dumm,
ihr Wille getrübt, ohne Tatkraft und Mut;
die helfende Hand und das Wort bleiben stumm,
selbst wenn sie es könnten, bleibt kalt faules Blut.

Schwermut des Hirns wird dereinst sie zerfressen,
die Weggefährten wenden sich ab;
verkümmert mit ihnen, was sie einst besessen,
finden sie letzte Ruhe im Grab.




Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 20:54 Uhr.

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