Gedichte-Eiland

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norbert 23.03.2009 14:20

..sorry, klatschmohn, das habe ich nicht auslösen wollen...
danke dir, medusa!
ab dana werden die anmerkungen unterschiedlich, deshalb will ich mich differenzierter zu meinen intentionen äußern.
ganz konkret meine ich die materielle armut, ohne wenn und aber.
ich habe sie teils beobachtet, teils am eigenen leib erfahren.
in meiner kindheit in meiner familie, in meinem gedicht "wer?" habe ich mich dazu geäußert.
ab den späten 50gern in dem vorort, in den mein vater mit seiner großen familie zog. dort gab es noch die grün gestrichenen holzbaracken - provisorische "wohnungen" für die "armen leute" - ich habe als jugendlicher TODESÄNGSTE ausgestanden, wenn ich - was unvermeidbar war - durch die barackengegend gehen musste, denn mir drohte allein schon deswegen prügel, weil ich offensichtlich von "der anderen seite der straße" war. es war eine dumpfe, demütigende aggressivität, sprachlos, gemein - von gedemütigten ausgeübt.
es gab wenige, die mit großer energie versucht haben, ihrem "barackenschicksal" zu entkommen - sie hatten es doppelt und dreifach schwer, da ihnen der stallgeruch anhaftete.
"wenn der letzte schrei stirbt" ist keineswegs nur als metapher zu verstehen - er starb oft an der kraftlosigkeit der krankgerauchten lungen und der alkohlbedingten körperschwäche.
alrici, wenn ich dich recht verstehe, beschreibst du in deinem fall eine armut die "dich persönlich" betrifft/betroffen hat. die ist schlimm genug - viel schlimmer ist, wenn "der arme" familie hat, wenn seine "unschuldigen" kinder
automatisch davon mitbetroffen sind, wenn er von der eigenen familie verachtet wird, sei es (auch das habe ich in seinen üblen konsequenzen hautnah beobachtet), dass er seine kinder frühzeitig in die sklavenarbeit drängt, um die familie mitzuernähren, für deren materielle sicherheit ER doch zuständig ist - er zwingt damit nämlich den kindern das gleiche schicksal auf, unter dem er zerbricht, ich weiß, wovon ich schreibe.
(ich habe auch erst viel später die wut meine tante verstanden, als damals - noch zu sw-tv-zeiten - die sparkasse mit dem slogan "haste was, dann biste was!" warb...)
der wartesaal und die nicht tickende uhr meint folgendes: wenn ich im wartesaal sitze, dann "warte" ich auf einen zug, den ich besteigen will, eine orts-, situationsveränderung, ich schaue auf die uhr, um rechtzeitig am bahnsteig zu sein.
dass, wenn materielle not so vordringlich ist, dass man ihr nur noch mit alkohol, dumpfer aggression etc. kurzzeitig begegnen kann, die gedanken "schrumpfen", an den engstehenden schranken auch die kleinste bewegung zu schmerzhaften kollisionen führt, muss ich nicht näher erläutern.
ich habe nun etwas zu meinen gedanken geschrieben - mit geht sehr viel mehr dazu durch den kopf...
liebe grüße
norbert

Dana 23.03.2009 19:23

Lieber norbert,
danke, dass du aufgeklärt hast.
Ich habe ganz anders gelesen und hatte ein Bild der "geistig Verarmten", die nichts anderes gelten lassen, als ihre Sichtweisen. Jene, die ganz in sich verschlossen bleiben und mit der Zeit jede Chance verpassen, aus einer selbst geschaffenen Dunkelheit heraus zu kommen.

Das Bild, das du nun enthüllt hast, ist ein ganz anderes.
Arme Leute gibt es wieder und es werden immer mehr.
Es hilft ihnen nicht weiter, wenn man ihnen aufzeigt, dass es anderswo noch schlimmer ist und dass diese Menschen aber glücklicher sind.
Es ist nicht einzig die Armut, die weh tut. Das Abgestelltwerden, die menschenunwürdige Behandlung verursacht die von dir verdichteten Schmerzen.
Ich persönlich kenne ebenfalls die Armut und behaupte doch, dass es noch eine andere gewesen ist. Die knallharten Kontraste waren nicht gegeben, nicht so augenscheinlich, wie es heute ist.

Liebe Grüße
Dana

Helene Harding 23.03.2009 19:52

Hallo Norbert, ich kann mich den Vorrednern/Vorrednerinnen nur anschließen. Dennoch kann ich dir aus meinem Umfeld berichten, dass es durchaus auch lebensfrohe arme Menschen gibt. Andersherum jedoch auch, was für eine schmach, Sozialneid unter den sozial Schwachen, unglaublich. Tolles Thema und technisch ausgesprochen gut umgesetzt.

alles liebe, budina

norbert 24.03.2009 18:08

...tatsächlich glaube ich, dass männer meistens mehr unter armut leiden als frauen - sie passt nicht ins "beutejäger-schema", sie sehen sich selbst als versager.und verachten sich...
liebe grüße
norbert

Leier 27.03.2009 21:03

Lieber norbert,


ein starkes und wichtiges Gedicht!
Ein "de profundis".
Es ist eine Schande, daß es solche Armut gibt (und es g i b t sie!) auf der einen Seite, auf der anderen Seite Ackermänner hohnlachend das victory-Zeichen machen.
Da läuft mir immer wieder die Galle über.

Noch nicht einmal Lehrmittelfreiheit gibt es.
Wie tief ist dieses Land gesunken.
Auch moralisch.

Ich finde auch, daß dies eines Deiner besten Gedichte ist.

Deprimierten Gruß
von
cyparis

norbert 05.04.2009 12:25

danke, cyparis,
dennoch habe ich nachlangen jahren innerer emigration nun das gefühl, dass sich etwas ändert.
endlich machen die politiker den mund auf unn beginnen, ihrer aufgabe gerecht zu werden, dinge beim namen zu nennen...
vllt ist es ja endlich mehr als nur ein kurzlebiger -obama-effekt-...
liebe grüße
armbert


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