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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 24.08.2017, 19:39   #1
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heimkehrerin
 
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Standard kriegsschuld

kann sie nicht weglächeln
die leere in mir
konnte es noch nie
das weiß ich jetzt

doch zorn beherrsche ich nicht
als regung
ungreifbar bleibt er mir
und gut getarnt

fremd bin ich mir selbst
und unerforscht
und was ich für bewegung hielt
war doch nur flucht

vor dem schweigen
dem nicht-wissen
dem nicht-können-dürfen-wollen
dem stillstand

den ich schon immer so hasste
damals als kind
daheim
da fühlte ich noch

vier wände wie ein sarg
darin die lebenden
versteinert
verstummt

gefangen in leeren ritualen
im eigenen schweigen
aus lauter angst
vor dem fühlen

blind sollte ich sein
stumm sollte ich sein
lieb sollte ich sein
leicht zu ertragen

all das leid
im gesicht meiner mutter
schuld
allgegenwärtig

warum nur dachte ich
es wäre die meine?





.august_2017
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"Du musst, wenn du unser Glück beschreiben willst,
ganz viele kleine Punkte machen wie Seurat.
Und dass es Glück war, wird man erst aus der Distanz sehen.”

― Peter Stamm, Agnes
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Alt 25.08.2017, 09:33   #2
Kokochanel
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Beiträge: n/a
Standard

Liebe Fee,

dieses Werk ist schwer zu kommentieren ohne vielleicht übergriffig zu wirken, denn es zeichnet ein Psychogramm eines Menschen, hier eines Lyrikichs.

Kinder leiden immer sehr unter dem "Kiregsschauplatz Elternstreit", fühlen sich immer schuldig. Welche Zerissenheit und Problematik der Selbstidentifikation daraus entstehen können, zeigt dein Gedicht nachdrücklich und berührend.

LG von Koko
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Alt 25.08.2017, 10:40   #3
juli
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Beiträge: n/a
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Liebe Fee,

Dein Text ist intensiv, die freie Form erinnert - fast jede Strophe wie ein Tagebuchschnipsel, das meine ich nicht abwertend, denn ich kenne das von mir. "Tagebuchschnipsel" sind mit Gefühl geschrieben und hinterlassen dennoch tiefe Eindrücke, die man erlebt hat. Hier schreibt ein LI, das spürt, wie nah noch der letzte Krieg ist. Auch wenn die Bomben nicht mehr in unsre Cafes fallen, hat unsere Elterngeneration immer noch intensiv damit zu kämpfen. Und sie haben die Erinnerungen unbewußt in unsere Seelen vergraben.

Sich von dem Totschweigen der älteren Generation, zu befreien ist nicht einfach. Die Vergangenheit ist allgegenwärtig. Die Grabsteine der Eltern und Großeltern sind in uns gepflanzt.


Dein Text klagt nicht an, das finde ich gut, er erzählt und führt Abgründe vor Augen, Verzweiflung, Angst und unbewältigte Schuld.

Sehr gerne gelesen, denn der Text hat auch in mir Erinnerungen geweckt, denn meine Eltern waren Jg. 1913 & 1903.

Liebe Grüße sy

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Alt 25.08.2017, 12:30   #4
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heimkehrerin
 
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Beiträge: 389
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Danke für den bedachten Kommentar, Koko!


Ja - es ist immer ein Risiko, Texte in die Welt zu entlassen,
die eine persönliche Betroffenheit erkennen lassen oder - wie man hier gut sehen kann - eine Betroffenheit im Leser anstoßen. Dessen bin ich mir wohl bewusst und bin daher auch dementsprechend gewappnet gegenüber Kommentaren, die ev. als "übergriffig" zu empfinden wären. Bloß - sie sind es nicht. Denn jeder Leser liest - vorausgesetzt der Text gibt nicht zu stark vor, wohin die Reise genau geht - auch immer etwas Eigenes hinein. Daher zeigen auch Rezensionen stets etwas Persönliches - und als solches betrachte ich sie dann auch mit der nötigen Distanz und Behutsamkeit.

Dennoch danke, dass du so behutsam mit dem Text umgehst. Der Kriegsschauplatz aus meiner Sicht ist übrigens tatsächlich WWII - bzw. dessen Spuren in den Kriegskindern und Kriegsenkeln, die noch heute - meist unerkannt - in uns nachwirken. Aber natürlich kann man es auch so lesen, wie du es gesehen hast.




Liebe syranie!

Zitat:
Zitat von syranie Beitrag anzeigen
Auch wenn die Bomben nicht mehr in unsre Cafes fallen, hat unsere Elterngeneration immer noch intensiv damit zu kämpfen. Und sie haben die Erinnerungen unbewußt in unsere Seelen vergraben.

Sich von dem Totschweigen der älteren Generation, zu befreien ist nicht einfach. Die Vergangenheit ist allgegenwärtig. Die Grabsteine der Eltern und Großeltern sind in uns gepflanzt.


Dein Text klagt nicht an, das finde ich gut, er erzählt und führt Abgründe vor Augen, Verzweiflung, Angst und unbewältigte Schuld.
Tausend Dank für diesen empathischen Kommentar! Ja, genau das ist im Moment mein Thema und die Motivation für diesen Text. Das Schweigen zu brechen ist nicht einfach - doch ich denke, es ist nötig, um die gepflanzten Grabsteine endlich im richtigen (sanfteren) Licht wahrnehmen zu können. Dann kann man auch endlich vorwärts schreiten im eigenen Leben.

Schön, dass das bei dir so angekommen ist, wie ich es beim Schreiben gespürt und festzuhalten versucht habe! Danke!


Lieber Gruß euch beiden,
fee
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"Du musst, wenn du unser Glück beschreiben willst,
ganz viele kleine Punkte machen wie Seurat.
Und dass es Glück war, wird man erst aus der Distanz sehen.”

― Peter Stamm, Agnes
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