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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 25.06.2010, 11:00   #1
Walther
Gelegenheitsdichter
 
Registriert seit: 09.11.2009
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Beiträge: 3.210
Standard Kein Glück mehr spielen

Kein Glück mehr spielen
- In Memoriam Frank Giering -


Die Welt ist leeres Nichts, es zählt der Schein:
Man muss sich selbst und kann auch andre spielen.
Die Seele reibt sich dabei auf, hat Schwielen:
Man kämpft oft unter Tausenden allein.

Was nützt das Glänzen, was bleibt von den Zielen?
Man kann gigantisch sein und innen klein.
Die Einsamkeit schmeckt ungekeltert, rein:
Man ist nicht bei sich und doch unter vielen,

Und mancher Freund gibt das Charakterschwein.
Die Teufel in ihm, die ihn überfielen,
Verführten ihn. Betäubung stillte Schrein:

Sie wuchs als Gläserkelch auf schlanken Stielen.
Die Angst hing schwer um seinen Hals wie Stein:
Jetzt ruht er aus und muss kein Glück mehr spielen.
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Dichtung zu vielen Gelegenheiten -
mit einem leichtem Anflug von melancholischer Ironie gewürzt
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Geändert von Walther (13.07.2010 um 16:18 Uhr)
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Alt 11.07.2010, 18:46   #2
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Lieber Walther,

wer zum Teufel war Frank Giering?

Diese Frage habe ich mir gestellt und so habe ich natürlich Google um Informationen und Bilder bemüht.
Natürlich bin ich fündig geworden und konnte einiges über den Schauspieler Frank Giering in Erfahrung bringen.

Neben einigen anderen Rollen spielte er in dem Film "Baader" die Hauptrolle des RAF-Terroristen Andreas Baader. Er war aber auch ein Schauspieler, der sich auch für kleinere Rollen nicht zu schade war.

Am liebsten verkörperte er Charakterrollen, weil er den Menschen auch extremes Verhalten verständlich darstellen wollte.

Allerdings belasteten ihn im Privatleben auch Existenzängste, die ihn zu einem äußerst scheuen und misstrauischen Menschen machten.
Den Berichten zufolge verfiel er dem Alkohol, machte aber später einen Entzug in einer Klinik.
Danach lebte er recht spartanisch in Charlottenburg in völliger Einsamkeit.

Seine genaue Todesursache konnte ich nicht ermitteln.
Von Herzversagen über Alkoholvergiftung bis hin zur tödlichen Gallenkolik wurde alles geschrieben, auch daß die Polizei in seinem Fall ermittelte.

Das alles ist natürlich nur ein grober Abriss, doch ich finde es in den Zeilen deines Gedichtes wieder.

Ein ergreifendes Memorandum für Frank Giering, der im Alter von 38 Jahren Ende Juni in seiner kleinen Wohnung in Berlin einsam verstarb.


In diesem Sinne gern gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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Alt 13.07.2010, 08:05   #3
a.c.larin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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hallo walther,

zum inhalt hat ja falderwald schon eifrigst recherchiert - daher will ich miich damit jetzt nicht aufhalten.
ohne frank giering zu kennen hätte ich beim lesen deiner zeilen aber auch sofort auf einen schauspieler getippt: die dargestellte zerrissenheit, das aufgespaltensein zwischen sein und schein ist diesem beruf wohl immanent.
auch andere filmgrößen ( z.b.romy schneider ) sind schon daran zerbrochen!

ich betrachte dein sonett jetzt mal von der metrik her - ich denke , es sollten wohl jamben hier stehen? das ist aber nicht ganz durchgängig so.

schau mal:
Was nützt das Glänzen, was bleibt von den Zielen?
hier passts schon mal nicht ganz. wie wäre es daher mit:

Was nützt das Glänzen, bleibt uns von den Zielen? (wobei von immer noch nicht sehr betont erscheint)

da wieder:
Man ist nicht bei sich und doch unter vielen,

vielleicht besser so:
Man ist sich ferne, dennoch unter vielen. ( worin hier allerdings der von dir angedeutete widerspruch bestehen soll, weiß ich nicht).
vielleicht daher er doch so:
Man ist sich ferne , einsam unter vielen.
( jetzt müsste allerdings die Einsamkeit im vers davor auch noch abgeändert werden. eigentlich verstehe ich da auch nicht, weshalb ausgerechent ungekelterte einsamkeit "rein" schmecken sollte.....? ähnlich ergehts mir auch mit . Betäubung stillte Schrein? welchen schrein? oder hast du hier Schreien gemeint? dann fehlt aber zum verständnis das apostroph.)

die schlanken Gläserstiele würde ich mit ie schreiben!

alles in allem gefällt mir dein sonett sehr gut, nimmt ein ernstes thema aufs korn!
wenn ich nicht genau wüsste , dass dir auch daran liegt , den eigenen blick zu schärfen, hätte ichs nie und nimmer so zerpflückt!

liebe grüße,
larin

Geändert von a.c.larin (13.07.2010 um 08:26 Uhr)
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Alt 13.07.2010, 17:58   #4
Walther
Gelegenheitsdichter
 
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Lb. Falderwald,

der Schauspieler Frank Giering starb an den Spätfolgen seiner Alkoholsucht durch einen Aderriß. Das Gedicht ist die Reduktion der Nachrufe auf das Wesentliche. Ich habe einige Filme mit ihm gesehen und war sehr beeindruckt von ihm.

Nachdem heute so viel untergeht, habe ich dieses Sonett verfaßt, als mein Abschiedsgeschenk an einen armen und dennoch großen Menschen.

Danke und Gruß W.

Lb. larin,

gerne folge ich Deinem letzten Hinweis, weil er einen echten Schreibfehler beseitigt. Der Stil eines Stieles ist nun einmal etwas anderes als der Stiel eines Stils.

Deine Hinweise zum Metrum kann ich zwar nachvollziehen, ihnen aber nicht folgen. Die Verse können und sollen von den Betonungen her jambisch gesprochen werden: Du wirst sehen, daß dies auch den Sinn der Verse verändert, wenn man sie genau so spricht.

Lieben Dank und Gruß W.
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Alt 14.07.2010, 20:35   #5
Falderwald
Lyrische Emotion
 
Benutzerbild von Falderwald
 
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Beiträge: 9.908
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Guten Abend larin und Walther,

ich möchte nur kurz zur Metrik anmerken, daß ich keinerlei Schwierigkeiten hatte und habe, die vorliegenden Verse jambisch zu lesen.

Gerade in dieser Zeile kommt der ganze Pathos zum Tragen, wenn man das kleine Wörtchen "was" betont:

Zitat:
Was nützt das Glänzen, was bleibt von den Zielen
Auch hier muss ich Walther beipflichten, wenn er schreibt, die Lesart verändert die Bedeutung:

Zitat:
Man ist nicht bei sich und doch unter vielen
Wenn das "bei" betont ist, liegt der Eindruck besser bei der beabsichtigten Zustandsbeschreibung in dieser Zeile.

Man könnte jetzt natürlich argumentieren, daß in beiden Zeilen dann eigentlich unbetonte Worte wie 1. "von" und 2. "und" betont gelesen werden müssen. (s.o.)
Jedoch gibt es in der deutschen Sprache keine drei unbetonten bzw. betonten Silben hintereinander in einem Vers.
Im Zweifelsfalle wird dann die mittlere Silbe leicht betont/unbetont gesprochen.
Diese Voraussetzung wird in beiden Zeilen erfüllt, so daß ich es in einem Gedicht als legitim erachte, metrisch so zu arbeiten.


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
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Alt 27.07.2010, 10:54   #6
Walther
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Lb. Falderwald,

danke für Deine Unterstützung. Dem ist wirklich nichts hinzuzufügen!

LG W.
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