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Ausflug in die Natur Natur- und Tiergedichte

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Alt 20.02.2015, 07:52   #1
wolo von thurland
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Standard Die Bergfinken, ein epischer Schwarm

So sieht es aus, nachdem ich's nach Claudis Analyse überarbeitet habe:
Als die träumenden Vögel, von Eos geweckt, sich erhoben,
wurde der Himmel schwarz und Helios selber erbleichte,
bass erstaunt, welch Dunkel sein Kommen für einmal bewirkte.
Unten im Tale hörte man Rufe und Fragen von Menschen,
welche verwirrt und ohn‘ es zu fassen vom Tagewerk aufsahn.
Oh, wie erleichtert schnaufte man auf, als schließlich ein Mann mit
Fernglas am Auge beruhigend sprach: Bloß Bergfinken sind das.

Schnell gingen alle zurück an die eben begonnene Arbeit.
Helios selber erinnerte sich an die täglichen Pflichten.
Abends jedoch, da strömte viel Volk zusammen am Waldrand,
um das Spektakel der wiederkehrenden Finken zu sehen,
choreografisch verblüffend und in der Entstehung ein Rätsel,
Laute hellen Entzückens den Mündern der Menge entlockend.
Erst, als im Westen die letzten Streifen des schwindenden Tages
gänzlich verblichen, da krochen die eifrig schwatzenden Vögel,
einer dem anderen nach, in die Wipfel der schützenden Tannen.

Froh um ihr warmes Zuhause, verziehen die Menschen sich dorfwärts.


[So sah es aus vor Claudis Eingreifen:

Als die träumenden Vögel, von Eos geweckt, sich erhoben,
wurde der Himmel schwarz und Helios selber erbleichte,
bass erstaunt, welch Dunkel sein Kommen heute bewirkte.
Unten im Tale hörte man Rufe und Fragen von Menschen,
welche verwirrt und ohn‘ es zu fassen zum Hügel empor sahn.
Oh, wie erleichtert schnaufte man auf, als schließlich ein Mann mit
Fernglas am Auge beruhigend sprach: Nur Bergfinken sind es.

Schnell gingen alle zurück an die eben begonnene Arbeit.
Helios seinerseits widmete sich den täglichen Pflichten.
Abends jedoch, da strömte viel Volk zusammen am Waldrand,
um das Spektakel der wiederkehrenden Finken zu sehen,
choreografisch verblüffend, auch rätselhaft in der Entstehung,
Rufe hellen Entzückens den Mündern der Menge entlockend.
Erst, als im Westen die letzten Streifen des schwindenden Tages
gänzlich verblichen, da krochen die eifrig schwatzenden Vögel,
einer dem anderen nach, in die Wipfel der schützenden Tannen.

Froh um ihr warmes Zuhause, verziehen die Menschen sich bettwärts.

Geändert von wolo von thurland (02.03.2015 um 13:19 Uhr) Grund: Analyse von Claudi
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Alt 01.03.2015, 10:57   #2
Claudi
Senf-Ei
 
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Beiträge: 861
Standard

Hallo Wolo,

schönes Epos! Das lässt sich gut lesen. Ich hab den Text mal in Sinnfüße zerlegt, damit man die Versbewegung verfolgen kann. Da ist schon viel Abwechslung drin, besonders in den vorderen Vershälften. Weiter hinten schleichen sich öfter mal Amphibrachys-Ketten ein. Das scheint ein Phänomen der deutschen Sprache zu sein. Ganz ohne xXx-Sequenzen wäre so ein Text schrecklich unnatürlich. Andererseits muss man immer ein bisschen aufpassen, dass nicht zu viele aufeinander folgende Verse diesen Tanz aufführen. Hier ist das in V4-6 der Fall.

Sehr gut, und nicht immer leicht zu verwirklichen, machen sich Anapäste, weil sie genau die Gegenbewegung zum daktylischen Grundmuster vorgeben. Davon hast Du auch einige. Wenn es sich mit Deiner Vorstellung vom Text vereinbaren ließe, würde sich das hier, nach dieser kräftigen Zäsur auch anbieten:

Zitat:
Fernglas am Auge beruhigend sprach: Nur die Bergfinken sind es.
An den Versenden stelle ich erfreut fest, dass Du immer wieder mal schwerere Endsilben verwendest. Solche schwereren Silben, es dürfen auch ruhig mal richtig schwere sein, machen sich hin und wieder auch gut als Einfachsenkung. Aber das muss nicht sein. Wenn man darauf verzichtet, wird der Text insgesamt leichtfüßiger und schneller.

Die Doppelsenkungen hast Du weitgehend schön gleichmäßig mit leichten Silben gefüllt. Fehler konnte ich keine entdecken. Ich schreib noch ein paar Anmerkungen kursiv dazu.



Als die träumenden Vögel, von Eos geweckt, sich erhoben,
X xXxx Xx || xXxxX xxXx

wurde der Himmel schwarz und Helios selber erbleichte,
XxxXx X || xXxx Xx xXx

bass erstaunt, welch Dunkel sein Kommen heute bewirkte.
XxX | xXx xXx || XxxXx

Unten im Tale hörte man Rufe und Fragen von Menschen,
Xx xXx XxxXx || xXx xXx

welche verwirrt und ohn‘ es zu fassen zum Hügel empor sahn.
XxxX xX xxXx || xXx xXx

Oh, wie erleichtert schnaufte man auf, als schließlich ein Mann mit
X xxXx XxxX || xXx xXx

Fernglas am Auge beruhigend sprach: Nur Bergfinken sind es.
Xx xXx xXxxX || xXxx Xx


Schnell gingen alle zurück an die eben begonnene Arbeit.
X xxXxxX || xxXx xXxx Xx

Helios seinerseits widmete sich den täglichen Pflichten.
Xxx Xxx XxxX || xXxx Xx

Abends jedoch, da strömte viel Volk zusammen am Waldrand,
XxxX | xXxxX || xXx xXx

um das Spektakel der wiederkehrenden Finken zu sehen,
XxxXx xXx|Xxx || Xx xXx

choreografisch verblüffend, auch rätselhaft in der Entstehung,
XxxXx xXx || xXxx XxxXx

Betontes „in“ ist zwar möglich (auch eindeutig zu lesen), aber verglichen mit dem unbetonten „haft“ in „rätselhaft“ ein bisschen schwach.


Rufe hellen Entzückens den Mündern der Menge entlockend.
Xx XxxXx || xXx xXx xXx

Erst, als im Westen die letzten Streifen des schwindenden Tages
X xxXx | xXx Xx || xXxx Xx So wolltest Du es vermutlich haben?

Stimmt schon, „die letzten Streifen“ gehören sinngebend eng zusammen. Trotzdem ergibt sich metrisch gesehen hier für mich auch eine Mittelzäsur. Man könnte auch so lesen:
X xxXx xXx || Xx xXxx Xx Das wär nicht gut. Ich sag mal, hier muss der Rezitator aufpassen.



gänzlich verblichen, da krochen die eifrig schwatzenden Vögel,
Xx xXx || xXx xXx || Xxx Xx

einer dem anderen nach, in die Wipfel der schützenden Tannen.
Xx xXxxX || xxXx xXxx Xx

Froh um ihr warmes Zuhause, verziehen die Menschen sich bettwärts.
X xxXx xXx || xXx xXxx Xx


War mir eine Freude!

LG Claudi
__________________
.
Rasple die Süßholzwurzel so fein, dass es staubt, in den reichlich
Abgestandenen Quark; darüber verträufele Wermut,
Bis aus dem Rührwerk, Burps! endlich das Bäuerchen kommt.

Geändert von Claudi (01.03.2015 um 11:00 Uhr)
Claudi ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.03.2015, 13:19   #3
wolo von thurland
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hallo claudi

tausend dank für deine massgeschneiderte kritik. ich habe oben änderungen vorgenommen, auf die ich dank deiner ausführlichen besprechung gekommen bin.

vielleicht interessiert es dich, wie ich selber den (jüngeren) Text strukturiert sehe.

Als die träumenden Vögel, // von Eos geweckt, / sich erhoben,
(ungute Cäsur in Fuss 5, aber für mich klingt's o.k.)

wurde der Himmel schwarz // und Helios selber erbleichte,

bass erstaunt, / welch Dunkel (//) sein Kommen / für einmal bewirkte. (zu starke Cäsur in der Mitte?)

Unten im Tale / hörte man Rufe (//) und Fragen / von Menschen, (selbes Problem)

welche verwirrt / und ohn‘ es zu fassen / vom Tagewerk aufsahn.

Oh, / wie erleichtert schnaufte man auf, / als schließlich ein Mann mit

Fernglas am Auge / beruhigend sprach: / Bloß Bergfinken sind das. (Doppelpunkt+Langsilbe+Cäsur scheinen mir zu viel, um da noch einen Anapäst einzubauen)

Schnell gingen alle zurück // an die eben begonnene Arbeit.

Helios selber / erinnerte sich / an die täglichen Pflichten.

Abends jedoch, / da strömte // viel Volk zusammen / am Waldrand,

um das Spektakel / der wiederkehrenden Finken / zu sehen,

choreografisch verblüffend // und in der Entstehung ein Rätsel,

Laute hellen Entzückens // den Mündern der Menge entlockend.

Erst, (/) als im Westen / die letzten Streifen / des schwindenden Tages

gänzlich verblichen, / da krochen die eifrig schwatzenden Vögel,

einer dem anderen nach, // in die Wipfel der schützenden Tannen.

Froh um ihr warmes Zuhause, // verziehen die Menschen sich dorfwärts.
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Alt 04.03.2015, 11:09   #4
Claudi
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Hallo Wolo,

Zitat:
vielleicht interessiert es dich, wie ich selber den (jüngeren) Text strukturiert sehe.
klar interessiert mich das. Ich gehe mal auf einiges ein, schätze aber, dass die ganze Besprechung drüben (hatte es zu spät gesehen) weit ergiebiger sein wird und dort vielleicht sinnvoller ist?


Zitat:
Als die träumenden Vögel, // von Eos geweckt, / sich erhoben,
(ungute Cäsur in Fuss 5, aber für mich klingt's o.k.)
Für mich ist diese späte Nebenzäsur überhaupt nicht ungut, sondern richtig klasse. Solche kleinen Tricks verhindern auch die Amphibrachenflut. Wichtig ist nur, dass Du dann eine starke Hauptzäsur hast, was ja hier die Fall ist.


Zitat:
bass erstaunt, / welch Dunkel (//) sein Kommen / für einmal bewirkte. (zu starke Cäsur in der Mitte?)
Hier korrigiere ich meine Einteilung. Stimmt, die Mittelzäsur ist die stärkste. So soll es sein! Das ist keineswegs falsch, sondern der Normalfall. Dann gibt es noch dreigeteilte Verse mit einer sehr frühen (meist im 2. Fuß) und einer sehr späten Zäsur (im 4. Fuß oder wie hier bD). Deiner gehört in die erste (häufigere) Kategorie (ich war da wohl gerade etwas verpeilt).

Den neuen Vers empfinde ich aber nicht als Verbesserung. Ich stelle ihn mal gegen den alten:

bass erstaunt, / welch Dunkel || sein Kommen / heute bewirkte.

bass erstaunt, / welch Dunkel || sein Kommen / für einmal bewirkte.


bass erstaunt, - XxX ist einer Deiner besten Füße! Schöner Versbeginn!

heute bewirkte - hier hast Du eine klare Abtrennung der Schlussformel (bukolische Dihärese). Das versuche ich immer mit "verwischten" Endungen zu mischen, damit es schön abwechslungsreich wird. Bei Dir kommt diese Endung:

für einmal bewirkte. - sowieso schon recht häufig vor. Deswegen hätte ich der alten Version den Vorzug gegeben


Zitat:
welche verwirrt / und ohn‘ es zu fassen / vom Tagewerk aufsahn.
Tagewerk wäre ein passenderes Wort für XxX. Im Adoneus finde ich es nicht gut, weil hier die beiden Senkungen sehr leicht sein sollten. Oder aber, Du nimmst statt XxxXx die (sehr seltene) Spondeenendung XxXx. Dafür käme das Wort "Tagwerk" in Frage, "aufsahn" aber eher nicht. In dieser Konstellation müsste die letzte Silbe dann sehr leicht sein.

Wie wäre es mit:

welche verwirrt | und ohn‘ / es zu fassen || zum Hügel aufsahn.
XxxX | xX / xxXx || xXx Xx

Über "||" nach verwirrt könnte man streiten, deswegen habe ich hier "|" geschrieben. Für mich ist diese Zäsur jedenfalls deutlich stärker als "/"

So weit erstmal mit meinem Halbwissen. Ferdi ist in diesen Dingen viel erfahrener.


LG Claudi
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Rasple die Süßholzwurzel so fein, dass es staubt, in den reichlich
Abgestandenen Quark; darüber verträufele Wermut,
Bis aus dem Rührwerk, Burps! endlich das Bäuerchen kommt.
Claudi ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.03.2015, 07:23   #5
wolo von thurland
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hallo claudi

ich kann deiner sichtweise gut folgen.
noch nicht ganz klar ist mir, wie konsquent du an der von dir schon geäusserten regel "keine cäsur vor einer hebung" (vor "heute") festhältst oder an einer andern, die du schon nanntest, was trochäen im fünften fuss betrifft.

danke und schönen tag
wolo
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Alt 26.03.2015, 01:39   #6
Claudi
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Hallo Wolo,

Zitat:
noch nicht ganz klar ist mir, wie konsquent du an der von dir schon geäusserten regel "keine cäsur vor einer hebung" (vor "heute") festhältst
das ist die bukolische Dihärese (bD), die die Schlussformel vom restlichen Vers abtrennt, und einzige Ausnahme von der Regel ist. Sie ist weniger häufig als die Zäsuren im dritten und vierten Fuß, spielt aber dennoch eine große Rolle, weil sie den charakteristischen, immer wiederkehrenden Adoneus XxxXx am Versende schön deutlich ans Ohr bringt.


Zitat:
oder an einer andern, die du schon nanntest, was trochäen im fünften fuss betrifft.
Dies ist ein sehr seltener Sonderfall (versus spondaicus), den ich im Übungsfaden anfangs absichtlich ausgespart hatte, um es nicht zu kompliziert zu machen, später aber erwähnt habe. Wenn der vierte Fuß dreisilbig ist, kann das gelegentlich gemacht werden, sofern man es nicht übertreibt. Hier fand ich es ganz passend:

welche verwirrt | und ohn‘ / es zu fassen || zum Hügel aufsahn.

Aber Du kannst genauso gut die Urfassung "zum Hügel empor sahn" nehmen.


LG Claudi
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