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Satire Zipfel Für Zyniker und andere Fieslinge

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Alt 06.03.2017, 19:39   #1
Jongleur
Hallig-Dichter
 
Registriert seit: 05.05.2016
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Beiträge: 63
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Lieber Erich,

Ich will DICH nicht auseinander nehmen. Dazu erinnert mich das Thema zu sehr an das Leben. Ich erwarte auch keine direkte Antwort. Ich fühle nur, dass meine Erfahrung mich anstachelt, deiner Absage an die moderne Sprache etwas näher zu beleuchten.

Was bedeutet nüchternes Wahrnehmen oder Schreiben überhaupt? Es bedeutet für mich, sich als zerrissenes Subjekt in einer zerrissenen Welt wahr zu nehmen. Als Mensch, der oft von sich widersprechenden Gefühlen gelähmt wird. Oder als Mensch, der sich dabei ertappt, Begeisterung, Anteilnahme, Liebe teilweise vorzutäuschen .
Lakonisches Schreiben bedeutet, in solchen Moment vieler Gefühle im Kopf auszuhalten.... und nicht nur den Fluchtimpulse ins Idyllische.

Was hingegen bedeutet "wahre Schönheit"? Für mich nicht mehr als ein flüchtiges Wolkenbild. Nichts währt ewig!
Deine Worte wie "Allüren" über "willführe" bis hinzu "wahre Schönheit" werden für mich nicht von Gefühlsstürmen durchweht, sondern von virtuellen Lüftchen virtueller arkadischer Gärten.
Was sehe ich beispielsweise , wenn kann ich "durch hohe Fichten wandeln, ohne mich zu reiben"? Nichts! Eher sehe ich mich dichtend mehr oder wenige müd durch Metropolen oder Natur irren, immer mit der Befürchtung, sowieso auf dem falschen Weg zu sein.

----

Schwülstige oder antiquierte Sprache entspringt mMn permanenter Weltflucht. - Die Welt, in der wir leben, ist oft zu grausam und prosaisch. Ich kenne beispielsweise keine Herzlichkeit ohne egoistische Hintergedanken. Nur Momente, wo es so scheint. Wie gern wäre ich anders und hätte edelmütigere Weggefährten.
Doch gerade die nächtlichen Jünger eskapistischer Ausbrüche enttäuschen mich regelmäßig, wenn sie äußerlich "nüchtern" wirken. Dann fehlt es ihren an Begeisterungsfähigkeit. Und an der Kraft, Anderen zu zu hören. Dann sitzen sie längst wieder in ihrem Elfenbeinturm und referieren von oben herab leise auf arkadisch.

Die seelisch Nüchterneren hingegen haben bescheidenere Ziele, zu denen sie von ihren kleinen Plattformen täglich starten. Sie reden zurückhaltend mit mir. Quasi immer im Gehen. Selbst wenn sie rasten. Checken wach, ob wir uns nützlich sein können. Sie wollen mich in ihre Abenteuer rein ziehen. Legen schon deshalb Wert darauf, klar, wendig und überzeugend aufzutreten. Ihr Tatendrang ist ansteckend. Die Möglichkeit, eiskalt ausgenutzt zu werden, steigt mit den Werten, um die es geht.

Gerade bei diesen Menschen lande ich wieder bei einem der Kernsätze meiner Jugend: ich kann alles, ich darf nur nicht mehr versprechen, als ich besitze.

Einen Schreiber kann Zurückhaltung natürlich in den Wahnsinn treiben. Aber dieser Konflikt zwischen bescheidener Sprache und überquellender Sehnsucht ist eben deshalb nicht "gefühlsbereinigt", sondern er droht den Betroffenen emotional zu zerreißen.

Der Schwärmerische vergeudet sich nutzlos. Ich kenne kein schöneres Schreiben, als Worte permanent so weit abzukühlen, bis ich nicht mehr zwischen Geschriebenen und Gelebten unterscheiden kann. Je nüchterner ich schreibe, um so präziser treffe ich damit meine verlogene, verbogene, bedrängende, verlockende und heilsame Realität

Geändert von Jongleur (06.03.2017 um 20:17 Uhr)
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Alt 06.03.2017, 19:59   #2
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi Jongleur!

Nochmals: Ich dichte so, weil mir diese "alte", ausdrucksreichere und melodische Sprache viel besser gefällt. Nach Rilke (und vielleicht noch Hesse) gab es keinen namhaften Dichter mehr, dessen lyrische Sprache (oder was er dafür hält) noch meinen Geschmack vorbehaltlos getroffen hätte (abgesehen von sarkastisch/komischen Poeten wie Kästner). Für mich muss Lyrik klingen - und ich bleibe dabei, auch wenn ich dafür 100 Jahre zu spät geboren bin!

Nenne es Weltflucht oder wie immer du sonst willst, ich schreibe, wie es mir gefällt und gedenke mich nicht dafür zu rechtfertigen, was immer auch an Motiven oder Mängeln man mir dazu unterstellen mag. Das muss auch nicht philosophisch durchdiskutuert werden - wenn du mit meinem Stil und seinen Implikationen aus deiner Sicht nicht konform gehst oder sonstwie zurechtkommst, lies mich eben einfach nicht.

Ich mache das so in den Foren: Ich kommentiere nur Werke, die mir gefallen. Andernfalls könnte ich mich mit meiner spitzen Zynikerzunge und meiner offenen Ehrlichkeit allzu unbeliebt machen ...

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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Alt 06.03.2017, 20:43   #3
Jongleur
Hallig-Dichter
 
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Hallo Erich,

Ja siehst du - und ich betrachte eben Gedichte generell als Anregungen. Und würde mich gern mit den Autoren darüber unterhalten. Gelegentlich. So bin ICH eben. :-)

Willst du gar nicht anregen? Verstehe ich da auch deine sonstigen zahlreichen Vorschläge falsch? - Und hast du kein klitzekleines ungutes Gefühl dabei, indirekt zu übermitteln: lobe überwiegend oder schweig lieber?

Findest du nicht, dass dein Gedicht tatsächlich einer groben Kampfansage gleicht? An wen auch immer? - "wer wahre Schönheit mit Gemeinem steinigt / erhebt den Leser nicht..." starker Tobak!

Hm... schade, dass beispielsweise Thomas Tranströmers moderne Sprache dein Klangempfinden nicht erweitern konnte. Aber in Sachen Geschmack sind natürlich jeder Diskussion Grenzen gesetzt.

Ich bekenne mich allerdings zu einer Sprache, deren klanglosestes Bestandteil so epochal werden kann, wie eine lockere Schraube in einem Flugzeuggetriebe. Vor übertriebenen Sprachvorurteilen ( in welche Richtung auch immer) oder vor einer Bagatellisierung von Inhalten schrecke ich mehr zurück, als vor temporärer Ungnade... einzelner Avatare. :-)

Also gut: Vorhang zu... und alle Dinge offen. ;-

Lg

Geändert von Jongleur (06.03.2017 um 21:44 Uhr)
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Alt 06.03.2017, 21:30   #4
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Beiträge: 8.570
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Hi Jongleur!

Ich wollte nichts anregen, nur ein Statement setzen, eine schlichte Erklärung abgeben, warum ich lieber "altmodisch" schreibe. Nichts weiter, und teuflisch ernst gemeint war das auch nicht, ich wollte mir bloß Luft machen.

Eine Erklärung zum persönlichen Geschmack ist NICHT gleichbedeutend mit der Verkündung eines behaupteten Dogmas mit erwünschtem Anspruch auf Allgemeingültigkeit, soweit ich weiß!

Keinesfalls wollte ich damit eine lyrische Grundsatzdebatte vom Zaun brechen!
Ich gönne jedem seinen Schreibstil, mit dem er lustig ist - ich muss es ja nicht lesen, wenn es mir nicht gefällt, so wie umgekehrt auch nicht.

Kampfansage ist es jedenfalls mit Sicherheit keine. Weder an dich noch an sonstwen. Punkt.
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