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Alt 07.05.2014, 15:54   #1
Chavali
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Standard Theodor Storm

Einer meiner Lieblingsdichter: Theodor Storm



Gedenkst du noch?

Gedenkst du noch, wenn in der Frühlingsnacht
Aus unserm Kammerfenster wir hernieder
Zum Garten schauten, wo geheimnisvoll
Im Dunkel dufteten Jasmin und Flieder?
Der Sternenhimmel über uns so weit,
Und du so jung; unmerklich geht die Zeit.

Wie still die Luft! Des Regenpfeifers Schrei
Scholl klar herüber von dem Meeresstrande;
Und über unsrer Bäume Wipfel sahn
Wir schweigend in die dämmerigen Lande.
Nun wird es wieder Frühling um uns her,
Nur eine Heimat haben wir nicht mehr.

Nun horch ich oft, schlaflos in tiefer Nacht,
Ob nicht der Wind zur Rückfahrt möge wehen.
Wer in der Heimat erst sein Haus gebaut,
Der sollte nicht mehr in die Fremde gehen!
Nach drüben ist sein Auge stets gewandt:
Doch eines blieb - wir gehen Hand in Hand.
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Alt 03.07.2014, 05:32   #2
Lailany
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Mechtildis unter der Buche (Ludwig Strauss)

Auszug:

Als sie seufzte, wurden Geister
Wach in Bäumen, letzten Blumen,
Schwebten auf und schwebten nieder,
Webten fein ein glänzend Leinen,
Nahmen ihr die schlichten Kleider,
Hüllten sie ins Sterbeleinen
Tauchten in die künftigen Tage,
Griffen in die künftigen Sommer,
Wählten Rosen, sie zu schmücken,
Weiße Rosen für die Stirne,
Rote Rosen für die Brust.
Als die Bilder in den Augen
Der Mechtildis sanft erloschen,
Füllte ihren Blick ein zarter,
Innrer Schimmer grünen Laubs.
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"Manchmal ist es so demütigend, ein Mensch sein zu müssen..." Erich Kykal

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Alt 08.07.2014, 18:19   #3
Chavali
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Standard Das Feuerschiff

Das Feuerschiff

(Ballade)


von Heidedichter Hermann Löns


Zitat:
Zitat von Wiki
Hermann Löns (* 29. August 1866 in Culm bei Bromberg in Westpreußen; † 26. September 1914
bei Loivre[1] in der Nähe von Reims, Frankreich)
war ein deutscher Journalist und Schriftsteller.
Schon zu Lebzeiten ist Löns, dessen Landschaftsideal die Heide war, als Jäger,
Natur- und Heimatdichter sowie als Naturforscher und -schützer zum Mythos geworden.


Von Ehrgeiz, Habsucht, Liebe, Haß, von Hoffnung und von Furcht ist leer
Die Brust, das Wrack liegt morsch und mürb verfaulend in dem Hafen;
Und was sie fünfzig Jahre hetzte, spornte, peitschte hin und her
Ist stumm, verloschen, ausgebrannt und endlich eingeschlafen.

Und ist das Herz auch kalt und tot; sie starren gierig in die Flut
Schon stundenlang; kein Fischlein will an ihren Angeln beißen;
Manch halbvergeßner Fluch erschallt voll Ungeduld und wilder Wut,
Das Meer ist geizig und es läßt sich heute nichts entreißen.

Und ist auch lange abgeräumt des Lebens reichgedeckter Tisch,
Und kalt das Herz, dem Freuden, Schmerzen, Angst und Hoffnung mangeln,
So bleibt als heiß ersehntes Ziel ein spannenlanger Fisch,
Nach dem sie stieren Auges täglich angeln, angeln, angeln.
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Alt 13.07.2014, 05:11   #4
Lailany
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Aus
"Hugdietrichs Brautfahrt" von Wilhelm Hertz.

Dieser Auszug fasziniert mich deshalb so sehr, weil er eindrucksvoll die Kraft der Bildersprache demonstriert.
Aus der schier überwältigenden Fülle der hier in 28 Kurzzeilen geschilderten Eindrücke und Einzelheiten ließe sich ein exquisites Gemälde schaffen. In solchen Momenten wünsche ich mir nichts sehnlicher, als malen zu können.

Sie trug ihn am Gestad entlang
Und glitt durch einen Felsengang.
Der mündete nach kurzer Zeit
In eine Grotte hoch und weit.
Still kreist die Fluth mit dichtem Schaum,
Und grüne Dämm'rung füllt den Raum;
Nur durch der Wölbung Ritzen bricht
In Streifen goldnes Tageslicht.
Doch durch die Pfeilerhallen,
Da geht ein seltsam Schallen,
Ein Klimpern und ein Klirren,
Ein Schnurren und ein Schwirren:
Es sitzt mit schilfdurchflocht'nem Haar
Am Webstuhl rings der Nixen Schar.
Die Stühle sind von schlankem Bau,
Korallenroth und veilchenblau,
Die Muschelschifflein hüpfen,
Die Perlenfäden schlüpfen,
Und von des Meersterns Spule rollt
Melodisch das geschmeid'ge Gold.
Sie weben Schleier und Gewand,
Zu fein der feinsten Menschenhand.
Sie weben Mäntel ohne Gleichen,
Unschätzbar in der Erde Reichen,
Mit lichten Wappenschildern
Und wundersamen Bildern
Aus uralt dunkeln Sagen
Von längst vergess'nen Tagen.
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Geändert von Lailany (15.07.2014 um 06:43 Uhr)
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Alt 13.07.2014, 09:51   #5
Chavali
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Liebe Kiwi

das ist wirklich fantastisch.
Zu meiner Schande muss ich gestehen, diesen Dichter nicht zu kennen.
Aber jetzt doch, dank Wikipedia

Diese bildgewaltige, aber doch geschmeidige und fast zärtliche Sprache gefält mir auch sehr!
Bei Gelegenheit werde ich mir das ganze Werk googeln!

Danke - wieder was gelernt

Liebe Grüße ins sturmgeschüttelte oversea land
Chavi
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Alt 13.07.2014, 14:22   #6
Lailany
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Liebe Chavi,
ich kannte Wilhelm Hertz auch nicht. Hatte nicht mal den Namen vorher gehört.
Durch Ferdi bin ich auf ihn aufmerksam geworden.
Übrigens:
Hier im Faden darf ja auch diskutiert werden, oder? Wenn nicht, dann lösch bitte meinen Beitrag einfach, Chavi.

Du, das Werk 'Hugdietrichs Brautfahrt' ist supertoll! Aber halt episch.
Mir macht das nix aus, ich lieeeeeebe lange Werke.
Du findest das ganze Stück Online.
Ich mag Hertz wegen seines unterhaltsamen Schreibstils.

LG von Ev
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Alt 15.07.2014, 16:06   #7
Chavali
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Liebe Kiwi,
Zitat:
Hier im Faden darf ja auch diskutiert werden, oder?
ja, aber gerne doch können wir hier kommentieren und diskutieren, ja, das ist sogar erwünscht

Für eine neues Lieblingsgedicht fiel mir Edgar Allan Poe ein, die viele düster-mysteriöse Gedichte
und Geschichten schrieb.
Bevor ich das zum Lesen einstelle, schick ich dir noch eine Tasse heißen Kiwi-Tee, weil du es kalt hast

Liebe Grüße, katzi


Das Geisterschloß

Edgar Allan Poe


In der Täler grünstem Tale
Hat, von Engeln einst bewohnt,
Gleich des Himmels Kathedrale
Golddurchstrahlt ein Schloß gethront.
Rings auf Erden diesem Schlosse
Keines glich;
Herrschte dort mit reichem Trosse
Der Gedanke – königlich.

Gelber Fahnen Faltenschlagen
Floß wie Sonnengold im Wind -
Ach, es war in alten Tagen,
Die nun längst vergangen sind! –
Damals kosten süße Lüfte
Lind den Ort,
Zogen als beschwingte Düfte
Von des Schlosses Wällen fort.

Wandrer in dem Tale schauten
Durch der Fenster lichten Glanz
Genien, die zum Sang der Lauten
Schritten in gemeßnem Tanz
Um den Thron, auf dem erhaben,
Marmorschön,
Würdig solcher Weihegaben,
War des Reiches Herr zu sehn.

Perlen- und rubinenglutend
War des stolzen Schlosses Tor,
Ihm entschwebten flutend, flutend
Süße Echos, die im Chor,
Weithinklingend, froh besegen
– Süße Pflicht! –
Ihres Königs hehres Prangen
In der Weisheit Himmelslicht.

Doch Dämonen, schwarze Sorgen,
Stürzten roh des Königs Thron. –
Trauert, Freunde, denn kein Morgen
Wird ein Schloß wie dies umlohn!
Was da blühte, was da glühte
– Herrlichkeit! –
Eine welke Märchenblüte
Ist's aus längst begrabner Zeit.

Und durch glutenrote Fenster
Werden heute Wandrer sehn
Ungeheure Wahngespenster
Grauenhaft im Tanz sich drehn;
Aus dem Tor in wildem Wellen,
Wie ein Meer,
Lachend ekle Geister quellen –
Weh! sie lächeln niemals mehr!















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Alt 16.07.2014, 20:44   #8
Cebrail
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He, dann darf ich auch einmal ;-).
Ich liebe Poes Gedichte und auch manche seiner Geschichten.

Besonders Annabel Lee.

Ich setze es mal im Original hier rein und dahinter die Übersetzung,
welche ich aber nicht wirklich gelungen finde.


Anabel Lee (E.A. Poe)

It was many and many a year ago,
In a kingdom by the sea,
That a maiden there lived whom you may know
By the name of Annabel Lee;
And this maiden she lived with no other thought
Than to love and be loved by me.

I was a child and she was a child,
In this kingdom by the sea:
But we loved with a love that was more than love -
I and my Annabel Lee;
With a love that the winged seraphs of heaven
Coveted her and me.

And this was the reason that, long ago,
In this kingdom by the sea,
A wind blew out of a cloud, chilling
My beautiful Annabel Lee;
So that her high-born kinsmen came
And bore her away from me,
To shut her up in a sepulchre
In this kingdom by the sea.

The angels, not half so happy in heaven,
Went envying her and me -
Yes! that was the reason (as all men know,
In this kingdom by the sea)
That the wind came out of the cloud one night,
Chilling and killing my Annabel Lee.

But our love it was stronger by far than the love
Of those who were older than we -
Of many far wiser than we -
And neither the angels in heaven above,
Nor the demons down under the sea,
Can ever dissever my soul from the soul
Of the beautiful Annabel Lee;

For the moon never beams without bringing me dreams
Of the beautiful Annabel Lee;
And the stars never rise but I feel the bright eyes
Of the beautiful Annabel Lee;
And so, all the night-tide, I lie down by the side
Of my darling -my darling -my life and my bride,
In the sepulchre there by the sea -
In her tomb by the sounding sea.



Übersetzung

Es war vor vielen, vielen Jahren,
In einem Königreich nahe dem Meer,
Dort lebte ein Mädelein, von dem du vielleicht weißt
Mit Namen Annabel Lee.
Und dieses Mädelein, sie lebte ohne and'ren Gedanken,
Als mich zu lieben und von mir geliebt zu sein.

Ich war ein Kind und sie war ein Kind,
In diesem Königreich nahe dem Meer;
Und wir liebten eine Liebe, gar mehr als eine Liebe
Ich und meine Annabel Lee;
Mit einer Liebe, die die Engel darob
Begehrten, ihre und meine.

Und dies war der Grund, lange bevor,
In diesem Königreich nahe dem Meer,
Ein Sturm blies aus den Wolken, stahl
Meine schöne Annabel Lee;
Sodass ihr hochgeborener Verwandter kam
Und nahm sie fort von mir,
Um sie einzusperren in ein Grab
In diesem Königreich nahe dem Meer.

Die Engel, nicht halb so glücklich im Himmel,
Beneideten sie und mich-
Ja!- Dies war der Grund, wie die Männer wissen,
In diesem Königreich nahe dem Meer.
Als der Wind aus den Wolken sprang bei Nacht,
Kühlte und mordete meine Annabel Lee.

Doch uns're Liebe war stärker bei weitem als die Liebe
Von den Älteren,
Von weit Weiseren als wir-
Und weder die Engel oben im Himmel,
Noch die Dämonen tief unten im Meer,
Können jemals trennen meine Seele und die
Der schönen Annabel Lee.

Der Mond niemals strahlt, ohne mir Träume zu bringen
Von der schönen Annabel Lee.
Und die Sterne niemals steigen, doch ich fühle ihre Augen
Der schönen Annabel Lee.
Und so, jede flutende Nacht, liege ich an der Seite
Meines Liebling- mein Liebling- mein Leben und meine Braut,
Im Grab dort nah dem Meer,
In ihrer Grabesstätte nahe dem tosenden Meer.


Gruß
C.
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„Mir gefiel der Geschmack von Bier, sein lebendiger, weißer Schaum, seine kupferhellen Tiefen, die plötzlichen Welten, die sich durch die nassen braunen Glaswände hindurch auftaten, das schräge Anfluten an die Lippen und das langsame Schlucken hinunter zum verlangenden Bauch, das Salz auf der Zunge, der Schaum im Mundwinkel.“
Dylan Thomas
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Alt 17.07.2014, 01:14   #9
Lailany
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Hallo Cebrail,
Poes Werke sind wunderbar. Seinen Raben jedoch konnte er mM nach nie toppen.
Die 7 Jahre, die er angeblich daran gearbeitet hat, machen sich bezahlt für die Ewigkeit.

Dass die Übersetzung dieses Werkes nicht gelungen ist, hast Du sehr milde ausgedrückt.
Sie ist schlicht und einfach schauderhaft.
Darf man erfahren, wer Annabel Lee so geschändet hat?

LG von Lai
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Geändert von Lailany (17.07.2014 um 22:28 Uhr)
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Alt 17.07.2014, 08:44   #10
Sidgrani
Von Raben umkreist
 
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Nun möchte ich auch eins von den Gedichten einstellen, die mich faszinieren. Nicht zuletzt hat mich Achim Reichel mit seiner Liedversion entsprechend beeinflusst.


Regenballade (Ina Seidel)

Ich kam von meinem Wege ab, weil es so nebeldunstig war.
Der Wald war feuchtkalt wie ein Grab und Finger griffen in mein Haar.
Ein Vogel rief so hoch und hohl, wie wenn ein Kind im Schlummer klagt
und mir war kalt, ich wusste wohl, was man von diesem Walde sagt!

Dann setzt’ ich wieder Bein vor Bein und komme so gemach vom Fleck
und quutsch’ im letzen Abendschein schwer vorwärts durch Morast und Dreck.
Es nebelte, es nieselte, es roch nach Schlamm, verfault und nass,
es raschelte und rieselte und kroch und sprang im hohen Gras.

Auf einmal, eh ich’s mich versehn, bin ich am Strom, im Wasser schier.
Am Rand bleib ich erschrocken steh’n, fast netzt die Flut die Sohle mir.
Das Röhricht zieht sich bis zum Tann und wiegt und wogt soweit man blickt
und flüstert böse ab und an, wenn es im feuchten Windhauch nickt.

Das saß ein Kerl! Weiß Gott, mein Herz stand still, als ich ihn sitzen sah!
Ich sah ihn nur von hinterwärts, und er saß klein und ruhig da.
Saß in der Abenddämmerung, die Angelrute ausgestreckt,
als ob ein toter Weidenstrunk den dürren Ast gespenstisch reckt.

"He, Alter!" ruf ich, "beißt es gut?" Und sieh, der Baumstamm dreht sich um
und wackelt mit dem runden Hut und grinst mit spitzen Zähnen stumm.
Und spricht, doch nicht nach Landesart, wie Entenschnattern, schnell und breit,
kommt’s aus dem algengrünen Bart: "Wenn’s regnet, hab’ ich gute Zeit!"

"So scheint es", sag ich und ich schau in seinen Bottich neben ihn.
Da wimmelt’s blank und silbergrau und müht sich mit zerfetzem Kiem’,
Aale, die Flossen zart wie Flaum, glotzäugig Karpfen. Mittendrin,
ich traue meinen Augen kaum, wälzt eine Natter sich darin!

"Ein selt’nes Fischlein, Alter, traun!" Da springt er froschbehend empor.
"Die Knorpel sind so gut zu kau’n" schnattert listig er hervor.
"Gewiss seid ihr zur Nacht mein Gast! Wo wollt ihr heute auch noch hin?
Nur zu, den Bottich angefasst! Genug ist für uns beide drin!"

Und richtig watschelt er voraus, patsch, patsch am Uferrand entlang.
Und wie im Traume heb ich auf und schleppe hinterdrein den Fang.
Und krieche durch den Weidenhag, der eng den Rasenhang umschmiegt,
wo, tief verborgen selbst am Tag, die schilfgebaute Hütte liegt.

Da drinnen ist nicht Stuhl, nicht Tisch, der Alte sitzt am Boden platt,
es riecht nach Aas und totem Fisch, mir wird vom bloßem Atmen satt.
Er aber greift frisch in den Topf und frisst die Fische kalt und roh,
packt sie beim Schwanz, beißt ab den Kopf und knirscht und schmatzt im Dunkeln froh.

"Ihr esst ja nicht! Das ist nicht recht!" Die Schwimmhand klatscht mich fett aufs Knie.
"Ihr seid vom trockenen Geschlecht, ich weiß, die Kerle essen nie!
Ihr seid bekümmert? Sprecht doch aus, womit ich Euch erfreuen kann!"
"Ja", klappre ich: "Ich will nach Haus, aus dem verfluchten Schnatermann."

Da hebt der Kerl ein Lachen an, es klang nicht gut, mir wurde kalt.
"Was wisst denn Ihr vom Schnatermann?" "Ja", sag ich stur," so heißt der Wald."
"So heißt der Wald?" Nun geht es los, er grinst mich grün und phosphorn an:
"Du dürrer Narr, was weißt du bloß vom Schnater-Schnater-Schnatermann?!"

Und schnater-schnater, klitsch und klatsch, der Regen peitscht mir ins Gesicht.
Quatsch’ durch den Sumpf, hoch spritzt der Matsch, ein Stiefel fehlt - ich acht es nicht.
Und schnater-schnater um mich her, und Enten- ,Unken-, Froschgetöhn.
Möwengelächter irr und leer und tief ein hohles Windgestöhn...

Des andern Tags saß ich allein, nicht weit vom prasselnden Kamin
und ließ mein schwer gekränkt’ Gebein wohlig von heißem Grog durchziehn.
Wie golden war der Trank, wie klar, wie edel war sein starker Duft!
Ich blickte nach dem Wald - es war noch sehr viel Regen in der Luft...
__________________
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"Nur wer erwachsen wird und Kind bleibt, ist ein Mensch"

»Erich Kästner«
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