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Alt 30.05.2012, 16:17   #1
Thomas
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Ein Gedicht von Nobi Krass

Der Dichtung Schande

Der Prosa nah, weil dem Maß nicht gerecht, bist fern Du dem Laut, den die Lyra Dir lieh.

Was mit der Seele gesucht, gefunden Dir galt, wird abgetan nun, unter Schrottwert taxiert.

Als nackter Text anprangernd, gestelzt leidet die Form, und der Inhalt bleibt Redensart nur.

Zur Armut verurteiltes Lied, einst so reich von Poeten entwickelt und schöner und schöner geformt.

Kaum noch geduldetes Lied, selbst der Literatur höchste Elite verkennt deine heilige Wirkung.

Außer Landes gejagt ward Pegasus mitsamt den Schwingen und dem Wissen um poetisches Bild und Idee.

Was platt, linear und direkt zu Markte geht, das nur zählt und gefällt, schleierentrissen steht Antigone da.

Eine Gebrauchsanleitung auf Stelzen, gilt heut als Gedicht, wo einst der Kothurn das Schicksal direkt in die Seele der Zuhörer trug.

Lies endlich, lies! schreien erzürnt Kulturkompetente, doch teilnahmslos geht Sokrates blind nur darüber hinweg.


Anmerkung 04.06.2012 - Eine andere Meinung:
Die griechische Schriftstellerin Soti Triantafyllou findet den Text rein "künstlerisch interessant", er "erinnere an die romantische Tradition Deutschlands" (Süddeutschen Zeitung), sie habe "für Günter Grass viel Bewunderung übrig... Inhaltlich aber habe sich Günter Grass ein vereinfachtes Weltbild zurecht gelegt... Ein Dichter vom Kaliber des deutschen Schriftstellers habe eigentlich Besseres zu tun als militante Gedichte zu schreiben."

Bezüglich des Inhalts stimme ich überein, die künstleriche Einordnung in der Romantik kann ich nicht nachvollziehen, möchte aber nicht ausschließen, dass vielleicht doch etwas dran ist.

Geändert von Thomas (04.06.2012 um 08:58 Uhr)
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Alt 30.05.2012, 19:37   #2
Walther
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Lb. Thomas,

drei Fragen:

(1) Wer, wenn Du es nicht bist, ist Nobi Krass?
(2) Woher stammt das Gedicht, das Du, so Du nicht der Autor bist, hier zitierst?
(3) Hast Du, wenn Du nicht der Autor bist, das Recht, dieses Gedicht hier einzustellen?

Urheberrecht ist keine Spaßveranstaltung. Und Verstöße dagegen auch nicht, wobei diese nicht nur auf den Einstellenden, sondern auch auf den Forenbetreiber zurückfallen würden.

Danke für Deine aufklärenden Worte.

LG W.
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Alt 30.05.2012, 20:21   #3
Erich Kykal
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HI, Thomas!

Ich erkenne darin eine Persiflage des neuen "Grass"-Gedichtes zur Lage Griechenlands, das nämlich, von dem man nicht sicher weiß - oder nun doch??? - ob es eine Titanic-Verarsche ist oder ein ernst gemeintes Pamphlet des nämlichen Autors (Was sicher allein schon einiges über die dichterische Qualität dieses Herrn aussagt, wenn man mich fragt!).

Walther hat im Grunde recht, allerdings liegt er hier falsch, vermute ich mal.

Gern gelesen und geschmunzelt! (Ich halte Grass für EXTREM überschätzt, allerdings nur aufgrund seines Israelgedichtes, da ich sonst nichts von ihm gelesen habe. Und seit ich dieses Gedicht kenne, spar ich mir das auch, nicht wegen inhaltlicher Resentiments, sondern schlicht und allein schon wegen des absolut grottigen lyrischen Stils, den er der Welt da zumutet!!!)

LG, eKy
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Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
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Alt 31.05.2012, 09:26   #4
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hallo, thomas,

im gegensatz zum grass'schen (oder grass-persiflierenden?) original liest sich deine anlehnung an das vorbild um einiges fließender - und vor allem stimmiger in bezug auf den inhalt.

mir fällt auf, dass du die vorangestellten genitive (im gegensatz zu grass) wenig bemühst.
vielleicht macht das deinen text etwas lesbarer als den von der titanic (oder doch grass selbst?) verfassten.
sehr spannend fand ich übrigens die artikel von durs grünbein ("Dichtung legt sich nicht mit der Realität an") und das interview mit m.reich-ranicky ("Es ist ein ekelhaftes Gedicht"), die ich in dem zusammenhang fand.

Zitat:
Eine Gebrauchsanleitung auf Stelzen, gilt heut als Gedicht, wo einst der Kothurn das Schicksal direkt in die Seele der Zuhörer trug.
gefällt mir besonders. die gebrauchsanleitung auf stelzen.... als hätte der kothurn nicht ausgereicht. ja, man kann es auch übertreiben mit dem "wollen" in der dichtung. es stellt sich vor allem für mich immer die frage nach dem motiv hinter dem schreiben eines gedichtes als erstes. gedichte, die etwas im leser erzwingen sollen, halte ich für im ansatz verfehlt. und da liege ich wohl dann mit durs grünbein auf einer linie.

ein feiner beitrag zum grass-titanic-verwirrspiel, thomas. gern gelesen.


lieber gruß,

fee
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Alt 01.06.2012, 10:36   #5
Thomas
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Lieber Walter,

vielen Dank für deine berechtigte Warnung. Es tut mir leid, dass die Namensangabe eher verwirrt hat. Ich wollte damit eigentlich einen Hinweis auf "Europas Schande" geben, das ist wophl nicht ganz gelungen.

Lieber Erich, liebe fee,

vielen Dank für eure positiven und für mich sehr interessanten Anmerkungen. Auch hatte ich ein wenig Bedenken, dass der Text als große Unverschämtheit aufgefasst wird und bin nach euren Kommentaren diesbezüglich beruhigt.

Liebe Grüße an euch alle
Thomas
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Alt 01.06.2012, 18:50   #6
Walther
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Lb. Thomas,

danke für Deine Auskunft. Ich werde jetzt das Grass'sche Werk dazu lesen.

LG W.

Hier: http://www.sueddeutsche.de/kultur/ge...ande-1.1366941
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Geändert von Walther (01.06.2012 um 18:53 Uhr)
Walther ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 03.06.2012, 14:56   #7
Thomas
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Lieber Walter,

danke, dass du den Link eingefügt hast. Ich habe auch in anderem Zusammenhang festgestellt, dass nur wenige den Text gelesen haben (was mich nach dem 'Israel-Gedicht' überrascht hat), und ohne diesen Bezug ist der Spaß nicht recht zu verstehen.

Liebe Grüße
Thomas
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