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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 03.06.2016, 10:47   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Standard Requiem für meine Zartheit

Manche Menschen sind so hart und roh
und bemerken es noch nicht einmal,
spüren jenen kaum, der aus der Qual,
die sie ihm bedeuten, jählings floh.

Manche lernten zeitig ein Verschweigen
vor der Kälte, der sie spät entrannen,
üben sich zu stählen, zu ermannen,
um der Welt ihr Zartes nicht zu zeigen.

Manchem wurde solches zur Natur -
er verlernte, andere zu fühlen,
wurde zynisch, herrisch oder stur.

Manchmal trifft er einen andern Zarten,
den er nicht erkennt. Ach je, wir kühlen
aneinander ab auf viele Arten!
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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Alt 03.06.2016, 11:07   #2
juli
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Hallo eKy,

Es gibt Menschen, vor allen Dingen Männer, die keinen Zugang zu ihrer zarten Seite haben. Sie haben nicht gelernt damit umzugehen. Mancher Vater, oder manches männliche Vorbild ist der Meinung das Fühlen Schwäche bedeutet. Und für einige Männer, ich kenne aber auch Frauen, bedeutet Schwäche etwas Schlimmes.

Unter "Schwäche" kann man(n) viel verstehen. Das Weinen bei Trauer oder Schmerz, sich angezogenfühlen von dem gleichen Geschlecht, Singen, weil es die Seele berührt, Malen weil es Inneres Preis gibt, überhaupt künstlerische Fähigkeiten....Die Fähigkeit sich eingestehen zu müssen, das man nicht immer Recht haben kann...

"Hart sein" bedeutet auch manchmal in einer Clique zu sein, in der man mitschwimmt, um sich zu spüren, weil das eigene Andersein Angst macht. Es könnte ja eine eigene Schwäche sein.

Du hast hier ein sehr menschliches Thema bedichtet, und du zeigst auf, daß man abkühlen kann, wenn man sich seiner Zartheit verweigert. Das könnte unter Umständen bis zur Radikalität führen. Es ist ein komplexes Thema!

Sehr traurig, wenn Menschen ihr ganzes Leben sich von ihrer weichen Seite abwenden, ich würde mal behaupten, es ist auch eine starke Seite!

Sehr gerne gelesen, und du kannst wunderbar Gefühle mit deinen Gedichten transportieren.

Liebe Grüße sy

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Alt 03.06.2016, 11:59   #3
Erich Kykal
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Hi Sy!

Was ich beschreiben wollte ist, wie sehr wir einander oft die Harten vorspielen - zuweilen so gut, dass mancher weniger Harte uns für unempathisch oder egomanisch hält, weil wir so gut gelernt haben, unser Weiches zu verbergen, um nicht verletzt zu werden.
Vor allem jenen, die das schon als Kind lernen müssen so wie ich, um nicht mehr leiden zu müssen, fällt es schwer, Vertrauen zu fassen und sich zu öffnen. Wir betrachten die Welt und alle in ihr instinktiv als möglichen Feind, der uns verrät oder verletzt, wenn wir nicht dauernd aufpassen und uns emotional absichern oder abseilen, weil wir solches als Kinder über Jahre und Jahre hinweg erleben mussten - und da tut es am allermeisten weh und prägt lebenslang - ich weiß es!

Das erste Quartett beschreibt die Harten. Das zweite jene, die an jenen selbst hart werden mussten, um mitspielen zu dürfen oder einfach nur nicht mehr gepiesackt zu werden.
Das Wesentliche steht in den Terzetten: Wie einem diese kalte, zynische Fassade mit den Jahren so sehr zur verinnerlichten Natur werden kann, dass andere einen nun für den Inbegriff des Harten und Gefühllosen halten, wie man selbst anfangs manch andere - und man bemerkt es selbst gar nicht mehr ...
Auch dies entnahm ich eigener Erfahrung.

Vielen Dank für deine Gedanken!

LG, Ky
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Alt 03.06.2016, 18:36   #4
charis
/ Bil-ly /
 
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Lieber Eky,

Bedrückend!

Zitat:
Das erste Quartett beschreibt die Harten. Das zweite jene, die an jenen selbst hart werden mussten, um mitspielen zu dürfen oder einfach nur nicht mehr gepiesackt zu werden.
Ja, und so geht das Spiel weiter! Es stellt sich die Frage, gibt es wirklich Harte von Natur aus?

Das letzte Terzett, das mir sehr gut gefällt, zeigt leider auch keinen Ausweg!

Vielleicht "nie entrannen" statt "spät entrannen"?

Mit "Ach je" habe ich irgendwie auch ein Problem.

Sehr gerne gelesen!

Lieben Gruß
charis
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Alt 03.06.2016, 19:02   #5
Erich Kykal
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Hi Charis!

Keine Frage, die wirklich Harten gibt es - Psychopathen (die verfolgen nur ihre eigene Befriedigung, andere sind für sie nur entbehrliches Werkzeug zu deren Erfüllung), Soziopathen (die empfinden nichts für andere Wesen), Sadisten (die empfinden Freude daran, andere zu unterwerfen, zu quälen und zu manipulieren), einfach nur Menschen, bei denen das Böse überwiegt oder die sich dafür entschieden haben, warum auch immer (die von allem bisher Aufgezähltem etwas haben, mal hiervon mehr, mal davon ...).

Was du meinst, ist wahrscheinlich die Schuldfrage: Werden die Harten alle "gemacht" oder gibt es sie einfach?
Sowohl als auch - möchte ich intuitiv sagen.
Manche werden mit dem Hang zur Grausamkeit geboren, und ihre Erziehung kann ihren Charakter verstärken oder abmildern, je nachdem.
Manche grundsätzlich guten Geister werden durch die Umstände ihres Lebens hart und grausam, davon manche ganz bewusst, die meisten aber wohl eher, ohne es zu merken. Alle Facetten sind möglich.
Wie schuldig ist nun einer, der mal gut war, nun böse ist ohne es zu merken - oder auch nur anderen gegenüber gleichgültig und empfindungslos - oder zumindest von seinen "Opfern" als gemein empfunden wird - der andere Gute verletzt und bei ihnen womöglich die gleiche Entwicklung auslöst?

Der Vater, der seinen Sohn schlägt und seinen Willen bricht, weil er denkt, das "sei zu seinem Besten", weil sein eigener Vater es mit ihm auch schon so gemacht hatte?
Der Lehrer, der seine Schüler demütigt und verachtet, weil ihn die Jahre der Abnutzung an der menschlichen Unreife zum Spötter und Zyniker gemacht haben?
Der Prediger, der die Naiven und Bedürftigen rekrutiert, aufhetzt und instrumentalisiert, um im Namen seines einzig wahren Gottes zu morden, weil sein eigenes Leben ihn inbrünstig davon überzeugt hat, damit das Richtige zu tun?
Der Diktator, der sein Volk "säubert" und unter eiserner Knute hält, weil er sich ganz einer wahnhaften Idee des größeren Ganzen zum Wohle Aller verschrieben hat?

Der Beispiele sind Unzählige, ob man es nun im Kleinen oder Großen betrachtet - was ist noch "normal", was schon "wahnsinnig"? Auch hier kein einheitliches Bild - je nachdem, wer es sich malt ...

Schon wir selbst sind uns oft genug ein Rätsel, überraschen uns noch nach Jahren immer wieder, erweitern und erforschen uns selbst bis ans Lebensende! Wie erst im großen Miteinander:
Gesellschaft, Zivilisation, Kultur usw. sind ein dermaßen komplexer Vorgang, bei dem so viele Interessen wie Rädchen ineinandergreifen, einander bedingen, voneinander abhängen, so viele mögliche Wege einschlagen können, dass wohl keiner da wirklich den Überblick, geschweige denn die Kontrolle haben kann!
Wir können nur mitspielen, Gesetze und moralische Paradigmen befolgen oder formen und hoffen, damit bei den "Guten" zu sein, auch später noch, wenn ferne Generationen mit dem Abstand der Geschichte dereinst darüber urteilen werden ...

LG, eKy
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Alt 03.06.2016, 22:29   #6
Dana
Slawische Seele
 
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Lieber eKy,

allein der Titel ist schon Poesie. Zartheit lässt sich leicht begraben. Schriebe man ein Requiem für die Härte, ergäbe diese eine unendliche philosophische und geschichtliche Folge. Die Harten und die Zarten sind Ideologen mit unterschiedlichen Ergebnissen. Die der Harten lassen noch auf sich warten, die der Zarten gehen unter.
Deine Antwort an charis ist noch aufschlussreicher und zeigt auf, wie unmöglich es ist, etwas zu finden, was für alle gut ist.
Doch bereits darin steckt ein "Verbrechen". Sobald ich handele, weil ich weiß, was für meine Familie, speziell für meine Kinder "gut" ist, nehme ich ihnen eine Entscheidung ab. Noch schlimmer, ich entscheide für sie, meine es gut und hinterfrage nicht. Genau damit erziehe ich sie zu einer Härte, die einmal gegen mich verwendet wird - etwas, was ich nie gewollt habe.

Ich liebe Philosophie und ihre "Unendlichkeit" in Antworten. Die "Kunst" besteht darin, sich den Sichtweisen zu öffnen, abzuwägen, gelten zu lassen.
Einzelschicksale, vielleicht ein wenig die "unfähig unphilosophischen" gehen unter. Weiß man aus lauter Ideologie nicht weiter, antwortet die Schuld an die anderen.
Oft habe ich das Gefühl, dass Interessen, Bequemlichkeiten, Vorteile in zu großen Massen Anhänger finden, die gar nicht gemeint sind. Sie sind aber in Massen da!!!
Ein Kreis, der sich noch lange nicht schliesst.
Das ist unendliche Philosophie. Ich bin hart, ich bin zart - weil ...

Wem soll sich der Einzelne noch mitteilen? Dem Politiker, dem Banker, dem Konzern????
Wir Denker und Dichter üben uns noch im Unterscheiden - die Obigen begraben "Zartheiten" wegen eigener Schadensbegrenzung.

Wir streben etwas an und wenden uns an Macher, die längst darüber stehen.
Als ob eine neue Philosophie gilt.

Immer wieder: Das Universum des Einzelnen hat mit dem, in dem wir leben, wenig gemein.

Finster und tief philosophisch,
liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 03.06.2016, 22:44   #7
Erich Kykal
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Hi Dana!

Du beleuchtest die Thematik von der philosophischen Seite, mir standen beim Schreiben "handfeste" Beispiele aus meinem Leben vor Augen, und zwar von jeder Seite aus: als weiches Opfer, das nicht wusste, wie ihm geschah - und als harter Täter, der nicht wusste, was er anrichtete ...

Aber danke für dein Durchleuchten von einem anderen Standpunkt aus!

Das Sonett ist zum Teil selbstreflexiv, beruht auf meinen letztjährigen Erfahrungen - aber auch auf jenen meiner Jugend, als ich jahrelang von Gleichaltrigen wie Dreck behandelt wurde und in Gegenreaktion eine Art zynischen Überlegenheitskomplex aufbaute: "Die verstehen mich nicht, weil ich besser bin als sie! VIEL besser!" Der sich ergebende redundante Teufelskreis bedarf keiner näheren Erläuterung ...

Erst spät vermochte ich mich daraus zu lösen, aber da war ich schon abgehärtet wider alle Kritik oder besseres Wissen: In hermetischer Arroganz führ ich jedem über den Mund, der mich kritisierte (so empfand ich es), nicht mehr unterscheidend zwischen Wohlmeinenden und echten Mistkerlen, und argumentierte ihn in Grund und Boden, mit glasklarer Logik und raumgreifender Eloquenz - ein echter fetter kleiner "Mr. Spock" mit Minderwertigkeitskomplex! : Schuld waren immer die andern!

Ich bin ein sozialer Krüppel, teils der Umstände halber (isoliertes Einzelkind, gemobbter Sonderling), teils aus eigenem Verschulden (arroganter Besserwisser, unsensibler Gesprächspartner). Zuerst habe ich die Menschen gemieden, weil ich sie für bösartig und unverständig hielt, später deshalb, weil ich um meine Defizite wusste und niemanden verletzen wollte mit meiner immer noch leicht soziopathischen Art.
Ich mache immer noch, sogar nach so vielen Jahren, schlimme Fehler im Umgang mit anderen Menschen - aber ich bemühe mich zumindest danach, es aus ihrer Sicht zu sehen und zu wachsen.

Dieses Gedicht reflektiert diese Erfahrungen, sowohl an mir selbst erkannt wie auch an anderen. Wer sich wider andere verhärtet - egal weshalb - wird selbst andere verhärten und auf den gleichen Weg schicken. Meine ganze Lebensgeschichte und -erfahrung stecken in diesen Zeilen ...

LG, eKy
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Geändert von Erich Kykal (05.06.2016 um 14:04 Uhr)
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.06.2016, 14:48   #8
Jongleur
Hallig-Dichter
 
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Hallo Erich,

ein wirklich interessantes Gedicht!!!

Zunächst, weil es gleich in der ersten Zeile heißt:
Zitat:
Zitat von Erich Kykal
Manche Menschen sind so hart und roh
was mMn diesen Menschen von Natur ein Bösesein unterstellt. Aus meiner persönlichen Sicht könnte das ja stimmen - aber wozu diese absolute Aussage. Warum nicht schlichter:
Zitat:
Zitat von Vorschlag Jongleur
Manchmal sind die Menschen hart und roh
Wer kann schon einschätzen, ob jemand genetisch, umweltbedingt oder gar nur angeblich zum Bösen neigt?!
Letztlich muß man mit jedem einzelnen Menschen einige Erfahrungen sammeln, um eine jeweilige "Strategie des Umgangs" zu entwickeln. Und hierfür wäre mir ein "manchmal sind die Menschen..." hilfreicher, da es die Hoffnung auf bessere Seiten leben läßt, was wiederum für die Kommunikation gut sein kann.

Übrigens: Als ich das von den "rohen Menschen" las, fragte ich mich, ob man so nicht automatisch Klischees aktiviert. Und prompt war in der ersten Reaktion von "vor allen Dingen Männer" die Rede...

Aber ich finde das Gedicht noch viel interessanter, weil es die Versuche eines hart auftretenden Menschen an spricht, zu seinen zarteren Gefühlen zu finden. Leider mehr "anspricht" als "darstellt". Aber bei mir kommt genug an, um meine Erfahrungen mit dem Thema "Gefühle der Schwäche zeigen" automatisch zu hinterfragen.

Das ist ja ein recht modernes Thema. Ein Thema, an dem besonders Psychologen, Coatches und Magazine gut verdienen. Meine Erfahrung sagt mir, das sie alle recht haben... solange es nicht die eigene Art zu leben betrifft!
Gern reden Menschen von den früheren, quasi therapierten Defiziten. Sie reden überzeugend, solange man sie reden läßt. Aber wenn sie unter Beschuss geraten, zeigen sich mMn bei jedem Einzelnen die längst überwunden geglaubten Muster wieder. - Ich nenne das Vielfalt des Lebens.

Andererseits, lieber Erich, neige ich zu einer ähnlichen Sicht, wie du sie im Gedicht (und noch mehr in der Diskussion) mMn andeutest: Es lohnt sich immer, aus den eigenen "Springerstiefeln" zu steigen und alternativ barfuß oder gar in den Schuhen der Kontrahenten ein Problem zu betrachten. Aber wer erkennt schon im Zorn das Spektrum seiner Gefühle?

Und auch mein Kommentar beweist eigentlich nur, wie schwierig eine verallgemeinernde Darstellung des Umgangs mit den eigenen Gefühlen ist. Es gibt Menschen, die bescheinigen mir eine hohe Empathie und es gibt auch andere Menschen... . Na schön - diese Frage entsteht mMn sowieso nur im Zusammenhang mit einem konkreten Problem. Und ohne dieses konkrete Problem reden wir HIER auch nur von Behauptungen.

Epilog: Wie oft wird "das Zarte im Menschen" den Poeten unterstellt. Der aufmerksame Leser allerdings hat viele Gründe, den universell fühlenden Dichter in Frage zu stellen. Und so möchte ich gern eine bekannte Hook der Stones ( It's the singer, not the song) umkehren: It 's not the singer - it 's the song".

Lg
Jongleur ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.06.2016, 13:39   #9
Erich Kykal
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Hi Jongleur!

Vielen Dank für deine profunden Gedanken zu Werk und Thematik!

Dein Voschlag für Z1 ist gut, aber meiner "klingt" für mich sprachmelodisch weicher, flüssiger. Das von dir unterstellte Missverständnis ist keines: Ich glaube wirklich, dass manche Menschen - vergleichsweise, womit auch immer - oberflächlich, böse oder grausam sind. Manche genießen oder zelebrieren das auch geradezu, ziehen Kraft und Selbstbestätigung aus solchem Handeln! Es ist leider nun mal so, dass manche sich NICHT verstellen, um nicht verletzt zu werden wie jene anderen aus S2, sondern bewusst sadistisch und psychopathisch sind!

Das ist ja gerade die Crux, dass der Sensible letztlich nicht unterscheiden kann, mit wem er es gerade zu tun hat: Mit einem echten Grausamen - oder mit einem, der sich nur so stellt, um nicht verletzt zu werden, so wie er es tut, bloß anders vielleicht!
So passiert es leider oft, dass eigentlich gute Menschen einander verletzten, weil sie die gegenseitigen Schutzmechanismen nicht erkennen - weil sie eben jeweils andere haben, oder schwächere.

Dass Dichter nicht nur oder immer sensibel und sanftmütig sind, sondern durchaus "normale" Menschen, bei denen durchaus auch mal der Dreck spritzt, zeigen die Gedichteforen doch eigentlich nur allzu offensichtlich! Ich selbst bin zuweilen einer giftigen Satire oder einer geschworenen Feindschaft nicht abhold, wenn mich jemand extrem gegen den Strich bürstet - man muss nur darauf auchten, dass man sich nicht in solch einer Rolle verliert, sich ganz darauf fixiert oder gar Selbstbestätigung daraus zu ziehen beginnt - dann wird es gefährlich, und Gehässigkeit und Verbitterung lauern gleich um die Ecke!


LG, eKy
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Geändert von Erich Kykal (07.01.2018 um 13:30 Uhr)
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.06.2016, 15:53   #10
Jongleur
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Hi Erich Kykal,

danke für deine gewohnt interessante Antwort. Deine gedankliche Kraft und das von dir gewählte Thema inspirieren mich, erneut zu antworten.

Zitat:
Dein Voschlag für Z1 ist gut, aber meiner "klingt" für mich sprachmelodisch weicher, flüssiger.
Da kann ich mich schon in deine Schuhe stellen.

Und nachdenklich stelle ich fest, dass MIR eine " gedankliche Breite" versprechende Eingangszeile viel wichtiger ist als ihr spezieller Klang. Ja, fast fürchte ich mich, einen wohlklingenden Eingangsvers zu schreiben, der mich anschließend zwingt, womöglich in seiner zu engen Umlaufbahn kreisen zu müssen.

Zitat:
Das von dir unterstellte Missverständnis ist keines: Ich glaube wirklich, dass manche Menschen - vergleichsweise, womit auch immer - oberflächlich, böse oder grausam sind.
Ich unterstellte dir doch hierzu gar kein Missverständnis! Du hast dich sehr deutlich im Text und in deinen Kommentaren geäußert. Natürlich gibt es zum Beispiel Psychopathen.

Zitat:
Das ist ja gerade die Crux, dass der Sensible letztlich nicht unterscheiden kann, mit wem er es gerade zu tun hat: Mit einem echten Grausamen - oder mit einem, der sich nur so stellt, um nicht verletzt zu werden, so wie er es tut, bloß anders vielleicht!
Ja, die Gefahr besteht natürlich permanent. Wir können dafür den Volksjubel für die großen Diktatoren heran ziehen. Oder das zutiefst beindruckende Ringen eines Künstlers mit einem Psychopathen in der Doku "ich bin ein Psychopath" (siehe youtube).

Zitat:
So passiert es leider oft, dass eigentlich gute Menschen einander verletzten,
weil sie die gegenseitigen Schutzmechanismen nicht erkennen - weil sie eben jeweils andere haben, oder schwächere.
Aber wer sind "eigentlich gute" Menschen? In epischen Werken muss sich der Autor viele Gedanken machen, wie er dramaturgisch den Kampf der Menschen mit ihren inneren und äußerlichen Gegebenheiten gestaltet, damit ihre Charaktere klar werden.

Das kann unter den Gedichtsformen am ehesten eine Ballade leisten. Je kürzer das Gedicht, umso geringer die Möglichkeit, Charaktere zu zeichnen. Deshalb ist die Gefahr groß, Charaktere nur zu behaupten.
Ich meine, die meisten Forendichter tun es trotzdem. Aber es geht auch anders. Man könnte die Begegnung mit einem Psychopathen voraus setzen und dann über den Einfluß reflektieren, den diese Begnung (eventuell) auf die eigene Psyche hat. Eine derartige Stringenz vermisste ich in deinem Gedicht.

Aber ich fühle dieses Ringen spätestens in deinen sehr offen formulierten Kommentaren. Und da wir uns nicht kennen, gehe ich mal davon aus, dass Du Deine "Quälgeister" früher schon oft genug verdichtest hast. Dann haben natürlich spätere Texte eventuell den Charakter eines Fazites.


Zitat:
Dass Dichter nicht nur oder immer sensibel und sanftmütig sind, sondern durchaus "normale" Menschen, bei denen durchaus auch mal der Dreck spritzt, zeigen die Gedichteforen doch eigentlich nur allzu offensichtlich! Ich selbst bin zuweilen einer giftigen Satire oder einer geschworenen Feindschaft nicht abhold, wenn mich jemand extrem gegen den Strich bürstet - man muss nur darauf auchten, dass man sich nicht in solch einer Rolle verliert, sich ganz darauf fixiert oder gar Selbstbestätigung daraus zu ziehen beginnt - dann wird es gefährlich, und Gehässigkeit und Verbitterung lauern gleich um die Ecke!
Hier hast DU mich etwas missverstanden: Für mich sind Dichter eher nicht normal. Ihre Phantasien sind für mich der Versuch, ihrer relativen Hilflosigkeit in der realen Welt eine poetische Scheinwelt entgegen zu setzen: Eine Innenwelt, wo persönliche Zweifel und Sehnsüchte erhört werden.

Auch alles Unnormale wäre normal, wenn da nur nicht diese sehr realen und oft recht phantasielosen Leser wären, die uns zwingen, die Vorgänge in unserer Innenwelt den Vorgängen in der Außenwelt anzupassen.

Wie auch immer: Dein Gedicht (inclusive deiner teilweise bedrückenden Kommentare) beschäftigt mich weiter!
Jongleur ist offline   Mit Zitat antworten
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