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Alt 25.06.2009, 19:26   #1
Sedinus
Verstorbener Eiland-Dichter
 
Benutzerbild von Sedinus
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Im Norden
Beiträge: 29
Standard Die Geschichte von den fetten und den mageren Jahren

Die Geschichte von den
Fetten und den mageren Jahren
( 1. Buch Moses, Kapitel 41)


Als man nach dem letzten Kriege
Anspruchslos voll Hoffnung war,
Konnte man sich kaum was leisten,
Geld und Güter waren rar.

Auch der Staat war knapp bei Kasse
Nach dem großen Völkersturm,
Aber trotz geringer Steuern
Schuf er sich den Juliusturm.

Als die Zeiten besser wurden,
Kam der Wohlstand mit der Zeit,
Aber leider schwand mit diesem
Auch die deutsche Sparsamkeit.

Staat, Parteien und Verbände –
Stets spendabel – sorgten dann
Dafür, daß erworbener Reichtum
Nach und nach in nichts zerrann.

Alle sollten prächtig leben,
Wenig Arbeit und viel Geld,
Reichlich wurde auch gespendet
An den Rest der ganzen Welt.

Doch trotz aller Wohlstandsgaben
Schuf man nie Zufriedenheit,
Sondern weckte stets von neuem
Immer mehr Begehrlichkeit.

Alle hatten sie vergessen,
Was wir schon gelernt als Kind,
Die Geschichte von den Jahren,
Die mal fett, mal mager sind.

In den sieben fetten Jahren
Sollst du sparen Geld und Gut,
In den sieben magren Jahren
Hast du dann auch Brot genug.

Also kam’s, wie’s kommen mußte,
Und es kommt wohl schlimmer noch,
Statt des stolzen Juliusturmes
Klafft nun ein Billionen-Loch.

Unser Füllhorn ist geplündert
Und so heißt es nun bei allen,
Ausgenommen Großverdiener:
Gürtel schleunigst enger schnallen!

Für geborene Wohlstandskinder
Ist der Schock auch wirklich groß,
Und sie sind nun, wie befürchtet,
Anspruchsvoll, doch hoffnungslos.


(Sedinus)
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Alt 25.06.2009, 20:11   #2
Klatschmohn
MohnArt
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: RLP
Beiträge: 1.949
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Lieber Sedinus,

da hast Du wirklich ein Werk zu Nachdenken geschaffen. Ein Lehrstück sozusagen. Ja, wir tanzen den Tanz auf dem Vulkan und es kommt doch kein Glück heraus, der Moloch Geld regiert. Uns und die Welt.
Was wir alles haben müssen!
Ich frage mich wirklich wo das ganze Geld bleibt, das da verschwunden ist.
Ganz vielleicht haben ein paar Leute etwas gelernt, aber es geht weiter, es wird weitergetanzt. Und wir tanzen oft genug mit.
Ja, Du hast recht! Die Zufriedenheit ist dabei auf der Strecke geblieben.

Ein tolles, tiefsinniges Mahngedicht.

Liebe Grüße,
Klatschmohn
__________________

© Klatschmohn
Inselblumen
Trockenmohn
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Alt 27.06.2009, 02:08   #3
Narvik
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 21.03.2009
Ort: Im hohen Norden
Beiträge: 431
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Hallo Sedinus,
da hast du eine Wahrheit gelassen ausgesprochen.
Zwar ein wenig ausschweifend, aber trotzdem auf den Punkt bringend.
Mein Großvater hat immer zu mir gesagt: "Spare in der Zeit, dann hast du in der Not."
Das habe ich damals nie verstanden, heute weiß ich, wovon er sprach.
Schönes Gedicht, ein bisserl lang, doch es konnte überzeugen.

Liebe Inselgrüße
Narvik
__________________
Nur der fröhliche Mensch allein ist fähig, Wohlgefallen am Guten zu finden. (Kant)
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Alt 23.07.2009, 17:41   #4
Sedinus
Verstorbener Eiland-Dichter
 
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Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Im Norden
Beiträge: 29
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Seid gegrüßt Klatschmohn und Narvik,

entschuldigt meine so späte Antwort auf Eure Zuschriften,
für die ich mich bedanke. Ich hatte
harsche und empörte Kritik erwartet, doch es kam
keine. Vermutlich will man zu diesem Thema nichts
mehr hören, weil man täglich von allen Medien
berieselt wird. Zu dem von Narvik erwähnten Zitat
„Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“ kenne
ich auch die Umkehrung: „Spare in der Not, dann
hast du Zeit dazu.“ Mir scheint, als ob unsere
verantwortlichen Politiker nur diese Version kennen.

Herzliche Grüße von Sedinus
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Alt 24.07.2009, 16:30   #5
Medusa
Gesperrt
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Berlin
Beiträge: 2.213
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Hallo Sedinus,

ich mag überlange Gedichte gar nicht - hier war ich traurig, als es zuende war; mit ständigem Kopfnicken habe ich Deine Zeilen gelesen!

Selbstverständlich erzählst Du, was wir alles wissen, aber Du prügelst es so flüssig und treffend ein, dass jeder sich betroffen fühlen muss.

Ganz hervorragend gelungen. Inhaltlich, metrisch und reimtechnisch für mich ein echter Leckerbissen.

Ich habe einen Ordner, in dem ich meine Lieblingsgedichte sammele; er ist ausschließlich für mich! Darf ich dieses Gedicht da hinein kopieren?

Begeisterte Grüße,
Medusa .


edit (27.7.): Heute erst ist mir eingefallen, an welches Gedicht mich der Klang Deines erinnert: "Legende vom toten Soldaten (Brecht, 1918)". Das schmälert aber keineswegs Deine Leistung!

Geändert von Medusa (27.07.2009 um 17:26 Uhr)
Medusa ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.08.2009, 17:51   #6
Sedinus
Verstorbener Eiland-Dichter
 
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Ort: Im Norden
Beiträge: 29
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Liebe Medusa,
herzlichen Dank für Deine freundliche Kritik-
Ich fühle mich geehrt, in Deinem Ordner aufgenommen zu
werden.
Meine Geschichte über die Entwicklung vom Juliusturm zum
Billionenloch ließ sich kürzer nicht erzählen. Mein Rat:
Lese sie nicht als langes Gedicht, sondern als kurze Ballade.
Dieser Rat ist durchaus nicht abwegig.
Mir liegt aber noch etwas anderes auf dem Herzen: Vor ein
paar Tagen las ich in „Strandgut“ Deine dortigen Gedichte.
Ich war ehrlich beeindruckt und begeistert. Sie zeichnen sich
durch Themen- und Artenreichtum aus. Du hast es in deinem
relativ kurzen Dichterleben schon zur Meisterschaft gebracht.
Wie sagte man vor hundert Jahren so schön und heute wieder:
C H A P E A U !
Liebe Grüße von Sedinus.
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