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Alt 29.11.2016, 17:08   #1
Walther
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Standard Kasperl Muck hat schlecht geschlafen

Kasperl Muck hat schlecht geschlafen


Kasperl Muck hat schlecht geschlafen. Kein Wunder: Seitdem die Horrorclowns ihr Unwesen treiben, ist es für den klassischen Kasper, der ja nur eine Unterart des einst vielgeliebten Circusclowns ist, schwer geworden.

Kasperl Muck leidet unter Liebesentzug. Die Kinder haben seit neuestem Angst, wenn er zu ihnen in den Kindergarten kommt. Mit den besten Liedern, den schönsten Gedichten, den lustigsten Spielen und den farbenfrohesten Klamotten. Er ist schließlich kein Suppenkasper.

Sie verstecken sich hinter den Kindergärtnerinnen und im Tagesmütter-Tiger hinter den Tagesmüttern. Wenn er eines der Kinder über das Köpflein streicheln und ein bisschen wuscheln will, dann fangen manche an zu weinen.

Kasperl Muck ist traurig. Er hat nicht nur schlecht geschlafen, er hat auch noch schlecht geträumt. Wäre er nicht alleine und schon groß, wäre er wohl zu seiner Mama ins Bett geschlichen und hätte sich von ihr in den Schlaf summen lassen. Aber der Muck hat keine Mama mehr, und wenn, dann wäre er zu alt für so was. Obwohl: Ist irgendwer hier, wir sind doch unter uns, zu alt und zu groß, um nicht in den Schlaf gesummt zu werden von einem lieben Menschen? Wenn ja, ist dieser Mensch arm dran.

Kasperl Muck ist arm dran. Als freischaffender Clown und Kasperl hat man kein Auto oder Luxus. Da ist man nicht reich, außer die Fernsehclowns, die nennt man heute Comedians, denen, die die großen Hallen füllen, die haben viel Geld. Kasperl Muck muss den Groschen, der jetzt Eurocent heißt, von mindestens zwei Seiten anschauen, bevor er ihn ausgibt. Und seit dieser Horrorclown-Geschichte sieht es mit den Aufträgen gar nicht mehr prall aus.

Eigentlich wäre heute die Kinderstation vom Kreiskrankenhaus dran, doch die haben abgesagt. Kasperl Muck hatte sich so drauf gefreut. Er braucht die glänzenden Kinderaugen und das fröhliche Kinderlachen. Er braucht das mehr als ein richtiges Frühstück. Wobei man wissen muss, dass er ein Frühstücksmensch ist: Da schaufelt er Müsli und Obst und Banane und Butterbrezel und Marmeladenbrot in sich rein, am liebsten mit Quittengelée von der alten Frau auf dem Markt, die ihn wie einen Sohn angenommen hat und ihm immer einen Clownsrabatt gibt. Er erzählt ihr dann dafür einen Schwank aus einer seiner Kindervorstellungen. Und sie lacht und ist ganz vergnügt, wenn er geht. Sogar ihr rheumatisches Knie tut danach eine Weile nicht mehr weh.

Kasperl Muck kann nämlich Kinderlachen mitnehmen, speichern und später an andere Menschen weitergeben. Das kann nicht jeder Clown. Aber Kasperl ist da ein echter Experte in dieser Kunst, weshalb sie ihn in den Pflege- und Altersheimen so gerne haben. Da verteilt er es, und die alten Damen und Herren sind ein paar Stunden so fröhlich und spaßig wie damals, als sie selber Kinder gewesen waren.

Da wird Kasperl Muck noch geliebt. Aber er merkt, dass ihm sein Vorrat an Kinderlachen, den er sich über die Zeit angesammelt hat, langsam zur Neige geht. Schon bald kann er die alten Menschen nicht mehr glücklich machen. So ein Lachvorrat geht schneller zur Neige, als man denkt.

Kasperl Muck ist ganz total verzweifelt.

- - -

Immer wenn er sich nicht gut fühlt, macht sich der Kasperl Muck einen großen Kakao. Aber keinen mit Wasser wie im Café an der Ecke, nein, sondern mit echter Milch. Und es muss das beste Schokoladenpulver sein, ein bisschen bitter und nicht so süß. Oben drauf kommt noch eine große Krone Schlagobers. Das sagen die Österreicher zu Schlagsahne, aber nicht aus der Dose, nein, selbst geschlagen mit ein bisschen Vanille. So ein Kakao bringt bei ihm die Kindheit zurück – er ist Balsam für die Seele. Wie gut das riecht!

Er setzt sich an seinen Küchentisch in seiner kleinen Wohnung. Die Küche, eigentlich eine Kochnische in seinem Wohnzimmer ist sein Lieblingsplatz, in dem auch die ganzen Clownssachen sich stapeln in übervollen Regalen und aus dem Kleiderschrank platzen. Hier sind das einfache Radio, der alte Röhrenfernseher, der nur ein paar Programme anzeigen kann, und der kleine Laptop, schon etwas angejahrt aus dem Discounter, er war mal ein Schnäppchen. Jetzt ist der Lüfter so laut, als ob ein Flugzeug über das Hausdach flöge. Er weiß, dass er sehr bald einen neuen braucht.

In der Kochnische ist ein kleiner Herd, aber kein Geschirrspüler. Und ein alter Maxi-Kühlschrank aus Hongkong, der so aussieht wie die Kühlschränke in amerikanischen Fernsehserien und genauso mit Zetteln, Karten und Fotos vollgeklebt ist. Er sitzt an der Bartheke, die beide Zimmer trennt. Mit krummem Rücken und rührt lustlos in seiner Tasse, die er schon fast leergeschlürft hat.

An seiner roten Nase hat er Sahnereste, ebenso auf der Oberlippe. Seine Mutter hat ihm zu ihm gesagt, dass man an seiner Art, Kakao zu trinken, ablesen könne, dass er einfach nicht erwachsen werden wolle und ein großer lieber Kindskopf sei. Dem hat er nie widersprochen, und daran erinnert er sich gerade.

Müttern widerspricht man nicht, weiß der Kasperl. Man liebt sie einfach.

- - -

Der Kakao ist bereits kalt geworden, und die Sahne an Nasenspitze und Oberlippe eingetrocknet. Kasperl Muck hat inzwischen Rückenschmerzen vom krummen Herumsitzen. Dafür ist er von seiner Mama auch immer gescholten worden. Jetzt, wo er groß ist, allerdings ist er eigentlich eher klein, merkt er an seinem Rücken auch, dass das Rumlümmeln gar nicht gesund ist, aber er macht es trotzdem. Bis es ihm wehtut.

Dann steht er auf, wie jetzt gerade auch, streckt sich – nur diesmal schießt er beim Dehnen und Strecken seinen Kakaotopf ab, um dann ihn gerade noch auffangen, bevor er auf dem Küchenboden zerdeppert. Wäre schade drum, denkt er, und wischt sich die Tropfen von seinem Schweißausbruch von den Stirn und zerstört dabei die Maske, die er sich heute Morgen im Halbschlaf aufgelegt hat, samt roter Kasperlnase, die er sich über seine richtige Nase geschoben und mit dem Gummi hinterm Kopf festgezurrt hat.

Kasperl Muck stellt den Kakaopott in die Spüle und schüttelt die Kopf über sich.
„Man muss sich das mal geben, da ziehe ich heute Morgen die Kasperl-Muck-Montur an und habe doch gar keine Vorstellung. Wie blöd kann man sein. Wären jetzt Kinder da, würden die sich kringeln“, murmelt er in seinen Sahnebart.

Es sind aber keine da, und sich alleine Kringeln macht keinen richtigen Spaß.

Er fasst sich mit der Rechten an die Clownsnase, um selbige auszuziehen, als ihm eine Daniel-Düsentrieb-Glühbirne aufgeht. Der Daniel Düsentrieb ist ein Erfinder, den man in den bunten Disney-Comic-Heften findet, wo man noch in Sprechblasen redet. Immer wenn ihn eine Glühlampe aus den Kopf rauswächst und brennt, ihm also ein Licht aufgeht, dann hat er einen genialen Einfall.

Kasperl Muck hat jetzt einen solchen Einfall, muss ihn aber zu Ende denken, weil er nicht so schnell ist wie Daniel Düsentrieb. Bei ihm braucht ein Geistesblitz eben ein bisschen mehr Zeit.

Da die rote Clownsnase aus Plastik, die er bereits weggezogen hat, beim Denken stört, lässt er diese los, weswegen diese – vom Gummiband gezogen – wieder in Richtung echter Nase saust und sich dort mehr schräg als schief, aber schmerzhaft in Erinnerung rufend, wieder einfindet. Kasperl sagt laut „Aua!“ und reibt sich dann heftig an derselben, was die Sache nicht wirklich besser macht.

Dann setzt er sich wieder hin, diesmal aber aufrecht. Steht sofort wieder auf, holt sich Papier und Stift und beginnt wie wild, Notizen zu schreiben, Szenen zu skizzieren. Wenn wir jetzt im Fernsehfilm wären, würden wir sehen, das Bild sich langsam vernebelt und danach, mit dem Hinweis „Einige Stunden später …“dazwischen, wieder scharf aufgeblendet wird, wobei man jetzt auf der Bartheke und rund um den Kasperl, der, mit wildem Haar und roter Nase auf dem linken Ohr sowie total verschmierter Clownsmaske wie vorher schon total wild Blatt um Blatt beschreibt, mal lauter, mal leiser murmelnd. Immer wieder rutscht eins von der Bartheke runter und taumelt den langen Weg in Richtung Küchennischen und Wohnrequisitenzimmerboden, um sich dort den anderen Blättern hinzuzugesellen.

- - -

Es ist jetzt schon früher stockdunkel, denn wir haben ja Herbst. Nach Halloween, als die Gruselclowns aufkamen und danach wieder verschwanden, ist wieder einige Zeit ins Land gegangen. Es ist bald Weihnachten, eigentlich die beste Clownssaison.

So lange hat der Kasperl Muck kreativ gewütet. Irre, der Mann, total irre.

Man klappert automatisch mit den Zähnen, wenn man an die Kälte draußen denkt, vor allem wenn der eklige Nebel alles grau anstreicht. Kasperl will sich schon die Hände reiben, merkt aber, dass er einen Bleistift in der Hand hält. Als er aufs Blatt schaut, wird ihm klar, dass er ein ganz neues Programm für den nächsten Kindernachmittag gezaubert hat. Da merkt er, dass er dringend auf Klo muss, und geht rasch in sein enges kleines Bad, in dem auch die Toilettenschüssel steht.

Als er sich niedersetzt, erkennt er, dass er auch die Clownsschuhe und das Kostüm für den Kinderstationstermin angezogen hatte. Kein Wunder stören ihn die großen Füße, die die Clownsschuhe machen. Und kein Wunder dauert es so lang, bis die Hose endlich auf ist, in die er fast macht, so sehr klemmt es da untern.

„Gerade noch geschafft“, sagt er laut, als sich die Erleichterung in ihm breitmacht.

Als er sich am Spiegel zwecks Händewaschung anglotzt, muss er auf einmal lachen. So komisch hat er noch nie ausgesehen: Wuschelhaare mit rotem und weißen Makeupsträhnen, verschmiertes Gesicht, aus dem ihn Grinseaugen anlachen, Clownsnase auf dem linken Ohr, ungeschminkte Riechorganspitze.

Er trocknet sich die Hände ab, geht rüber an seinen Platz und klaubt die Blätter auf, die runtergefallen sind, schiebt das Aufgehobene und die Haufen, die auf dem Tisch sind, zu einem großen Stapel zusammen und seufzt.

- - -

Nach einigem Nachdenken hat Kasperl Muck auf einmal Hunger. Und einen Mordsdurst. Kein Wunder, er hatte ja seit dem späten Morgen nichts gegessen und getrunken. Also hört man bald Klappern von Geschirr, das Auf- und Zuklappen von Küchen- und Kühlschranktüren, das Blubbern eines Wasserkochers, das Rauschen eines Wasserhahnes und das Glucksen einer Sprudelflasche. Vielleicht nicht ganz in dieser Reihenfolge. Kurzum: der Kasperl macht sich geräuschvoll an ein frühes Abendbrot.

Dafür schnipselt er sich ein Pfannengemüse und isst ein Töpfchen Frischkäse, denn er muss abnehmen, hat ihm der Doktor gesagt. Der Tee schmeckt ein bisschen rauchig, und der Sprudel hat so viele Bläschen, dass er niesen muss. Dabei macht er sein dümmstes Kasperl-Gesicht, so dass die einzige Stubenfliege wohl von der Wand gefallen wäre, könnte sie über diesen Anblick lachen. So brummt sie weiter um die Deckenlampe, die inzwischen an ist, um dann interessiert über Kasperl Essen zu zischen – ist aber nichts dabei, dass sie wirklich anmacht, viel zu gesund, das Ganze.

Nach dem Essen wäscht Kasperl ordentlich ab, und wieder klappert, klingelt und rauscht es in der Kitchenette. Dann macht er die letzte Schranktür mit einem saftigen „Plong!“ zu, holt sich den Papierstapel auf der Theke vor sich und sortiert nach der Methode „Die Guten ins Kröpfchen, die Schlechten ins Töpfchen, hier in den Papiermülli. Kasperl ist politically „voll korrekt“, wie seine kleine Nichte immer sagt. Und alles ist „voll sauber und ordentlich“, nur die Klamotten und Requisiten, die sind das nicht. Denken die anderen. Kasperl hat schon ein System. Die Sachen sind nach „Programmen“ zusammengefasst. Und es gibt sogar eine Exceltabelle auf dem Läppi, in der alles verzeichnet ist.

Am Ende ist der Stapel kleiner und ziemlich übersichtlich, wird gelocht und kommt in einen Ordner. Der bekommt ein Trennblatt, auf dem geschrieben steht: „Anti-Gruselclown-Programm Version 1 von Kasperl Muck“, dick unterstrichen.

Und dann geht es an den Fundus. Der Prozess dauert bis weit nach Mitternacht, wobei man ihn kramen, werfen, ordnen, verwerfen, zerwühlen, wegräumen, wiederrausholen sieht. Manchmal hat man den Eindruck, er würde wie ein Pinball in einem Flipperautomaten durch die Gegend sausen, um dann wieder minutenlang innezuhalten, vor sich hin zu murmeln, zu gestikulieren, laut zu schimpfen, sich ein neues Glas Sprudel oder einen neuen Pott Tee zu holen, um dann alles wieder auseinander zu reißen und anders zusammenzupacken. Die Stubenfliege hat sich an das Küchenfenster zurückgezogen, weil ihr eindeutig zu viel Action ist.

Rund um einen klar abgegrenzten Beug an Sachen sieht es im Wohnzimmer absolut chaotisch aus. Wie wenn eine Bombe eingeschlagen hat, würde seine Mama sagen, wenn sie das sähe. Kasperl Muck nickt bei diesem Gedanken zustimmend und sagt leise: „Morgen. Morgen wird aufgeräumt. Versprochen.“

- - -

Diese Nacht hat Kasperl Muck wieder bärig gut geschlafen. Er hat jetzt einen Plan. Wenn man einen Plan hat, weiß man zwar immer noch nicht, ob alles gut ausgeht, aber man hat sich Gedanken gemacht, wie man mit dem Problem umgeht, das man gerade hat.
„Und das ist die halbe Miete, lasst euch das gesagt sein.“
Kasperl spricht da aus Erfahrung.

Da er erst nach dem Mittagessen eine Vorstellung hat, kann er aufräumen und das Programm einmal durchspielen. Das mit dem Durchspielen klappt, das mit dem Aufräumen nicht ganz. Aber wenigstens ist der Rest schon einmal nach Programmen vorsortiert. Und eine Liste der Dinge aufgeschrieben, die für das neue Programm gebraucht werden.

Rasch packt er alles in einen grellbunten Rucksack und seinen Kasperl-Muck-Koffer. Dann setzt er sich seinen Federnhut auf den Kopf und pflanzt die rote Nase ins Gesicht, die er mit der Gummischnur hinter seinem Kopf befestigt. Schminke lässt er erstmal weg, denn das ist Teil des Programms, mit Ausnahme der roten Bäckchen, die müssen sein.

Jetzt ist aber Eile geboten, sonst fährt der Bus unten vor dem Hauseingang ohne ihn ab, und er müsste sehen, wie er dann noch pünktlich hinkommt. Der Kasperl schafft das gerade noch runter vors Haus und steht gleich ganz atemlos vor dem Busfahrer, der ihn schon kennt, weil der Bus schon mit offener Türe dasteht.
Der sagt bloß: „Ist gut, Kasperl, ich weiß ja, dass du eine Monatskarte hast, brauchst sie nicht zu suchen, findest sie jetzt auf die Schnelle eh nicht. Mach schon, geh durch, wir sind schon spät.“

Kasperl sagt nichts, nickt erleichtert, stolpert den Rest der Treppe hoch und geht schwankend nach hinten, während der Bus bereits losfährt, um rechtzeitig am nahen Bahnhof anzukommen. Es sind zwar nur drei Haltestellen anzufahren, aber wegen der Straßensperrungen ist das ein schweres Durchkommen. Am Ende packen sie es gerade rechtzeitig, und Kasperl muss ein wenig rennen, damit er den Zug in die Kreisstadt, nur eine Station weiter, erreicht. Dort hechelt er auf den Busbahnhof und kriegt den Bus zur Kindertagesstätte auf den letzten Drücker.

Als sich die Tür schließt, denkt sich der Kasperl, dass seine Zunge wahrscheinlich noch im Rahmen eingeklemmt ist. Er grimassiert entsprechend, und die Schulkinder lachen.
„Guck mal, Clown in Zivil“, hört man eine vorlaute kleine Rotzgöre rufen.
Sie streckt ihm die Zunge raus, und er streckt ihr seine raus. Wieder lachen die Kinder.
„Ruhe“, hören alle die Busfahrerin rufen, „Ruhe auf den hinteren Rängen!“
Und erneut lachen alle.

Kasperl Muck hält sich an den Plastikhaltegriffen fest, die von den Relings am Busdach runterhängen. Zuerst schlenkert er wie wild durch die Gegend, um dann kurz darauf in den Kurven und beim Bremsen und Anfahren wie erfahrener Busbenutzer zu surfen. Das wechselt sich laufend ab, und die Kinder kichern. Als er aussteigt, winken ihm die Schulkinder zu. Auch die Busfahrerin, die ein Auge – oder vielleicht auch zwei oder drei – auf ihn geworfen hat, winkt. Der Kasperl Muck holt sein rotweiß kariertes Riesentaschentuch raus und schlenkert es durch die Luft.

- - -

Als er zu den Kindern kommt, rufen sie ihm zu: „Sag mal, Kasperl, wie siehst du denn heute aus!“
„Wisst ihr“, antwortet der, „ich habe mir was Neues ausgedacht wegen der Gruselclowns. Kennt ihr die, Kinder?“
„Ja“, rufen die Kleinen.
„Ja“, sagen die Betreuerinnen.
„Habt Ihr Angst vor den Clowns?“
Da herrscht Stille, und ein kleiner Mann sagt: „Ich habe Angst vor Clowns, aber nicht vor dir, Kasper. Du hast ja nur eine rote Nase und rote Bäckchen. Du bist gar kein richtiger Clown.“
Er wuschelt dem Kleinen durch die Haare.
„OK, Kinder, dann machen wir mal ein Spiel.“

Der Kasperl Muck spielt mit den Kleinen, wie er sich in den echten Kasperl-Muck-Clown verwandelt. Dabei macht er immer wieder Blödsinn. Zieht die Jacke falsch rum an, die Schuhe an den falschen Fuß, verknotet die Schuhe, fällt auf die Nase und mit dieser in den Koffer, der dann zuklappt. Trötet falsch herum in die Tröte und steckt das Taschentuch so in die Hosentasche, dass er es auf der anderen Seite wieder herausziehen kann.

Die Kinder lachen und geben Kommandos, was er wie richtig zu machen hat. Am Ende bindet ihm der kleine Mann gekonnt die Schuhe zu.

Anschließend schminkt er sich und macht wieder einen Haufen Blödsinn, so dass am Ende alle Kinder weiße Bäckchen und die Betreuerinnen rote Nasenspitzen haben.

Als er fertig ist, fragt er: „Kinder, bin ich jetzt der richtige Kasperl Muck?“
Er dreht sich einmal um die Achse, macht einen graziösen Ausfallschritt, verbeugt sich und zieht seinen Kasperl Muck Clown Hut. Dann schwenkt er ihn turbulent über sich und setzt ihn falsch herum auf.
„Ja“, kreischen die Kinder übermütig
„Ja“, rufen lachend die Betreuerinnen.
„Und hast du jetzt noch Angst vor mir?“, fragt er den kleinen Mann.
Der schaut ihn mit seinen großen braunen Augen und sagt im Brustton der Überzeugung laut vernehmlich: „Nein!“
Und dann lachen alle, fassen sich die Hand und tollen eine Runde durch das Spielzimmer.

Als er sich von den Kinder verabschiedet hat, ist der Kasperl Muck müde und wahnsinnig glücklich. Er lächelt in sich hinein, weil er spürt, dass er heute seine Batterien mit frischem Kinderlachen ordentlich aufgeladen hat. Jetzt kann er getrost wieder in vollen Zügen Kinderlachen verteilen, wo es dringend gebraucht wird.

„Wir werden Sie weiterempfehlen mit Ihrem neuen Programm“, sagt die Leiterin, als er geht. „Das war ganz wunderbar und eine tolle Idee, diese Vorstellung!“
__________________
Dichtung zu vielen Gelegenheiten -
mit einem leichtem Anflug von melancholischer Ironie gewürzt
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Geändert von Walther (01.12.2016 um 10:48 Uhr)
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