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Auf der Suche nach Spiritualität Religion und Mythen

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Alt 21.11.2016, 12:51   #1
Felix
Gesperrt
 
Registriert seit: 20.11.2016
Ort: Hilden, NRW
Beiträge: 531
Standard Große Mutter

Schweigt, denn schändlich ists zu reden. Ich verkünde -
eure Göttin, Mutter allen Lebens - Wahres!
Schließt die Münder, öffnet Ohren, schärft die Sinne,
hört auf meine Rede! Sagen will ich Worte,
Lieder singen und euch alles anvertrauen,
was ich nur als Göttin weiß und Menschen ohne
Zauberworte nicht erahnen oder wissen.

Lasst die Liedervolle singen, lasst sie reden
von verborgnen Dingen - hört mit Staunen alte,
fast vergessne Wunderworte aus dem Munde
unsrer Mutter, die das All und uns geboren,
als noch keine Sonne war, kein Mond und keine
Sterne, Erde es nicht gab und keine Meere,
über uns kein Himmel, unter uns nur Abgrund.

Singen will ich euch das Lied vom Anbeginn
aller Welten, da ich schwanger ging mit Sternen
und Planeten - unter Schmerzen eine Sonne
hab geboren in die schwarze Nacht und weißes
Licht, das Schatten schuf und sieben bunte Farben.
Rot zuerst und safransanftes Glühen, gelbes
Leuchten, Grün sodann als Sinnbild allen Lebens;

Himmel macht ich blau am Tage, Meeresspiegel
strahlte kobaltfarben, Indigo am Abend Wolken
färbte, nächtens violett getöntes Dunkel
ließ die Sterne heller als Demanten funkeln.
Einen Regenbogen malte ich, damit euch,
meine vielgeliebten Kinder, Glaube, Hoffnung,
Liebe und Vertrauen auch in Zukunft leite.
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Alt 21.11.2016, 17:49   #2
Dana
Slawische Seele
 
Benutzerbild von Dana
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 5.637
Standard

Hallo Felix,

ich übertreibe nicht, wenn ich schreibe, dass mir das Werk beim Lesen fast den Atem raubte.
Als hättest Du dem "Urknall" eine Melodie und Zauberbilder verliehen.
Keine Reime und doch ein fließender Klang - sehr, sehr schön und gekonnt.

Ich darf zugeben, was mich am stärksten beeindruckt hat:

Zitat:
Zitat von Felix
Singen will ich euch das Lied vom Anbeginn
aller Welten, da ich schwanger ging mit Sternen
und Planeten - unter Schmerzen eine Sonne
hab geboren in die schwarze Nacht und weißes
Licht, das Schatten schuf und sieben bunte Farben.
Hoffnung, Liebe, Vertrauen - sehr wichtige, schöne Leitworte. Dafür dürfte sogar ein Glaube mit einfließen.

Sehr gern gelesen und kommentiert,
liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
Dana ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.11.2016, 19:33   #3
Felix
Gesperrt
 
Registriert seit: 20.11.2016
Ort: Hilden, NRW
Beiträge: 531
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Hallo Dana,
als ich unter Deinem Namen "slawische Seele" las, hätte ich ein Vermögen darauf gesetzt, dass von Dir die erste Reaktion auf meine "Große Mutter" kommen würde. Ja, sechshebige Verse im Trochäus, dazu noch ungereimt, nur mit gelegentlichen Alliterationen durchzuhalten ohne dass die Geschichte ins Leiern gerät, hat nicht nur Spaß, sondern auch ein bisschen Mühe gemacht. Eigentlich ist dieses Gedicht der Beginn einer längeren Sache und "Blut aus meinem Leib" ist schon die erste Fortsetzung. Anstelle eines männlichen Gottes tritt die Große Mutter (keineswegs eine Erfindung von mir) an, bringt erst einmal Licht und Farben ins vorher Dunkle. Mal sehen, was mir da noch so alles einfällt.
Für Dein großes Lob: Tausend Dank!
Liebe Grüße,
Felix
Felix ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 05.12.2016, 12:10   #4
juli
Gast
 
Beiträge: n/a
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Hallo Felix,

Ich bin atemlos!

Was für ein Schöpfungsgedanke. Ich bin ja ein Fan von Science fiction, und dort gibt es etliche Möglichkeiten, das Thema der Schöpfung oder den Urknall anzugehen. Meist sehr wissenschaftlich oder fantasievoll.

Du hast hier einen Lyrischen Zauber hingelegt ich staune.

Sehr gerne gelesen und ich werde mir das Gedicht merken und es wieder lesen. ( bei dir muß ein Garten Blumen hin )

Liebe Grüße sy


Geändert von juli (05.12.2016 um 12:51 Uhr)
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Alt 05.12.2016, 12:53   #5
Angelika
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Beiträge: 180
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Erinnert thematisch stark an Pachamama (Große Mutter) der Inka. Ich denke, an diese Schöpfungslegende lehnt dein Gedicht an, Felix. Pablo Neruda bedichtet ja mit seinem "Großen Gesang" ausführlich dieses Thema. Und da frage ich mich, warum du dein Gedicht nicht in Lateinamerika verortest, sondern es zwischen Himmel und Erde ansiedelst, zumal mich einzelne Phrasen durchaus an Neruda erinnern können. In der europäisch-christlichen Geschichte gibt es ja die Große Mutter nicht, die ja noch auf die Stammesgesellschaft zurückgeht.

Handwerklich ist das Gedicht ordentlich gemacht, durchgängig Trochäen zu 6 Hebungen. Ein bisschen stört mich allerdings die Conclusio mit Glaube, Hoffnung, Liebe. Aber sonst ist dir da ein sehr schönes Gedicht gelungen.

Angelika
Angelika ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 05.12.2016, 17:38   #6
Felix
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Beiträge: 531
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Guten Abend, syranie
Deine lobenden Worte heben mich aus dem Sattel! Vielen Dank!
Mit der Thematik beschäftige ich mich schon länger (ein bisschen Eigenreklame muss sein), z,B. mit dem Gedicht "Der achte Tag". Die "Große Mutter" ist eigentlich der Auftakt einer Reihe von Gedichten und meine Anregung kommt in erster Linie durch ein Buch: "Das geheime Wissen der Frauen" - fast in Art eines Lexikons geschrieben und mit seht zahlreichen Hinweisen, die eine Hauptthese der Verfasserin untermauern, dass die meisten Schöpfungsmythen an der Spitze und am Anfang Muttergottheiten lange vor den männlichen Vaterfiguren hatten.
Auch der Schöpfungsmythos der Juden und der Christen ist nachhaltig von Mutter- und Frauenfiguren "gereinigt" worden (und nur, wenn man lange sucht, findet man noch Reste des vorherigen Glaubens). Ein weites Feld und für mich immer wieder spannend, wenn ich darauf gestoßen werde, dass Frieden eine weibliche Gottheit vertritt, Krieg einem männlichen Gott zugeordnet wird.
Es ist lohnend, sich darüber klar zu werden, wie der Glaube an Muttergottheiten ausradiert, Tempel von Göttinnen geschleift oder umbenannt wurden.
Liebe Grüße,
Felix

Geändert von Felix (29.07.2017 um 22:53 Uhr)
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Alt 05.12.2016, 18:02   #7
Felix
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Hallo Angelika,
bitte nimm es mir ab: Die Pachamama der Inkas ist mir bisher noch nicht unter gekommen. Erstaunlich bei meiner "Wanderung" durch verschiedene Schöpfungsmythen war, dass ich Goethes Schlusswort in Faust II: "Das ewig Weibliche zieht uns hinan" und eine Szene, in der Faust zum Urgrund allen Seins unterwegs ist und beinahe schaudernd erkennt: "Die Mütter sinds...".
Die "Machart" - sechshebige trochäische Verse und ab und zu vorkommende Alliterationen - , das hat wohl ein bisschen das "Studium" der Kalevala (finnischen Nationalepos) und der Edda abgefärbt.
Die Dich störende Conclusio: Ich selbst gehöre nicht zu den Gläubigen, bin ein Abtrünniger und Zweifler. Mir fiel z.B. beim jüdisch/christlichen (bis hin zum muslimischen) Schöpfungsmythos auf, dass sie allesamt von Männern geschrieben worden sind, wesentlich ältere Mythen - die allesamt von weiblichen Gottheiten beherrscht wurden - sorgfältig ausradiert, eine Reihe von Göttinnen (wenn sie überhaupt noch vorkamen) zu Hexen degradiert worden sind; Ein Thema meines Gedichts ist, dass die "Große Mutter" auch so was Schönes wie die Farben "erfunden" hat (in der Bibel - nix davon) und der Regenbogen (der laut Bibel an das Bündnis zwischen den paar Erretteten nach der Sintflut mit Jahwe - der hat die Überschwemmung schließlich produziert -, ist lange vor der Bibel z.B. der Göttin Iris zuzuordnen.
Mir geht es bei "Glaube" um den Glauben an eine Muttergottheit (der den Tatsachen viel näher käme. wenn schon geglaubt werden soll, bei "Hoffnung" um die Hoffnung, dass die Frauen merken, wie sie von den Patriarchen weggeschubst wurden, bei "Liebe" um den Glauben und die Hoffnung, dass die Frauen stolz darauf sein können, dass alle Liebes-Götter eigentlich Liebesgöttinnen sind.
Liebe Grüße,
Felix

Geändert von Felix (05.12.2016 um 18:32 Uhr)
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