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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 28.02.2013, 17:38   #1
Invazim
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Beiträge: 39
Standard Androgynos

Ziemlich lang, aber würd' mich freuen, wenn jemand trotzdem die Zeit aufbrächte und mir ein Feedback gäbe.

UNIVERSITÄTSFLUR

Student. Androgynos.
Androgynos schreitet den Flur lang, der Student kommt ihm entgegen.

STUDENT:
Salve, Deforme! - will ich fast sagen,
So abstrakt bist du, will's nicht ertragen,
Es graut mir, trägst groteskes Hemd,
Und unterm Stoff bist 'gar so fremd!
All mein Haar macht grässlich Fratze
Und reckt sich fürchterlichens lang,
Fühl mich, wie erschreckte Katze,
Die Abart machet mir so bang,
Dass ich 'gar wünscht', ich hätte Glatze!
Ich mühe mich, das Lid zu engen,
Dein Antlitz vor meiner selbst verbergen,
Es ist als würden Hades Schergen
Mich zwingen, mir die Lider auseinander drängen.

ANDROGYNOS:
Ich kenne dich -

STUDENT:
Woher? -

ANDROGYNOS:
Woher?
Aus Schenken, Sälen, Maskenbällen,
Aus jeder, aller Menschenwellen,
Und es ähnelt dir so sehr,
Es scheint dir alles widerlich,
Was der Gewohnheit nicht entspricht.
Kennst du's nicht, so ist's grotesk,
So willst du's nicht und stößt es fort,
Stößt es an einen tiefen Ort,
Wo es sich nicht stören lässt.
Sobald du warst zur Erd' geboren,
Nahm das gleißend Licht dein Augenlicht,
Und ward einst einer auserkoren,
Dem genommen ward das Sehen nicht,
Zogest und zerrtest du ihn nieder
Und drücktest ihn mit Sohl' durch Grund,
Aufdass er ewig ward verschwund'
Und kehret wieder nimmerwieder!
Wann immer mal ein potentieller
Homo Novus auftreten tat,
Warfest du ihn in den Keller,
Sowie den Andern du durch Boden tratst.
Oder noch einen Andern zum Brunnen gerungen,
Weil er dich im Dasein kränkte,
Erinner wie du ihn ertränktest,
Erinner, was hatten die Vögel g'sungen?
Sie sangen:
"Und wieder verweh'n die Wolken,
Dass diese Erde immerfort
Bleibet ein so schöner Ort."
Und du in deiner Idiotie
Hast nicht erkannt die Ironie.

STUDENT:
Du sprichst wie du erscheinest,
Abnorm, abartig, irrtümlich,
Etwas wird als fremd bezeichnet,
Wenn's passt zu unserem Gemüt nicht.
Also ja, was fremd, das schlecht!
Was mir nicht passt, ist mir nicht recht!
Erläuter mir, was falsch daran,
Dass ich Fremdes nicht leiden kann!

ANDROGYNOS:
Du erfasst es völlig misslich,
Ich hasse, dass du kreuztest meinen Weg,
Den, der das Fremde nicht erträgt,
Den ertrage ich nicht.
Das Fremde nimmt sich herrlich aus,
Ich liebe es 'gar spärlich graus,
Es fasziniert, es amüsiert,
Das, was mich so ennuyiert,
Ist das Normisierte,
Das der individuellen Form kastrierte,
Das Bekannte, alles offensichtlich,
Ich hasse es, ich hasse dich!
Es beschämt mich gräuelhaft,
Dass aus meinen Artgenossen
Deine Art sich hat ergossen!
Dass Zeus hat dich aus mir geschafft'!
Du bist bereits nurmehr die Hälfte,
Erlaube, dass ich mich behelfe,
Und dich in Viertelstücke teile,
Vertreibe mir die Langeweile!
Möcht' dich 'gar gerne abstrahieren,
Möcht' mich heut' doch noch amüsieren!
Will walten im hohen Zeusens Amt,
Der meine Art doch einst halbierte,
Aus dieser Hälfte mach ich Viertel
Und hoff', dass das, was d'raus enstammt
Sich in Demut erreget,
Animal prudentior veniet!

Zeus tritt auf.

ZEUS:
Du maßest dich meiner Rolle an?!
Scelus, dass ich nicht dulden kann!
Kann nicht dulden, dass ihr weiter weilt,
Drum seied schändlich allebeid'
Von tausend gülden Schnur aus Seid'
Als Strafe tausendfach zerteilt!

__________________
Wo ist noch ein Meer, in dem man ertrinken könnte? - Friedrich Nietzsche


© auf meine Texte.

Geändert von Invazim (28.02.2013 um 18:13 Uhr)
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