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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 26.01.2015, 20:42   #1
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Sommervogel O Schicksal!



O Schicksal!


Ihr Strom ergießt sich steil in einen Schacht
ganz tief hinab in stets dieselbe Richtung,
denn so hat die Natur ihr als Verpflichtung
den Ablauf aller Dinge zugedacht.

Das Schöpfen liegt allein in ihrer Macht,
doch was sie schafft, führt sie auch zur Vernichtung,
konstant in der Veränderung Verrichtung
gewinnt sie unbeirrbar jede Schlacht.

Was angefangen hat, muss einmal enden,
ob Sterne, Leben oder toter Stein,
denn niemand hält das Schicksal in den Händen.

Bewusst gefangen in dem weiten Schein
wird sich das Vorher in das Nachher wenden,
dazwischen liegt ein kleines bisschen Sein.


Falderwald
. .. .





Alte Fassung vom 26.01.2015:

O Fortuna!


Ihr Strom ergießt durch einen tiefen Schacht
sich steil hinab in stets dieselbe Richtung,
denn so hat die Natur ihr zur Verrichtung
den Ablauf aller Dinge zugedacht.

Entstehung liegt allein in ihrer Macht,
doch was sie schafft, bringt sie auch zur Vernichtung,
im Sinne der Veränderungsverpflichtung
gewinnt sie unbeirrbar jede Schlacht.

Was angefangen hat, muss einmal enden,
ob Sterne, Leben oder toter Stein,
denn niemand hält das Schicksal in den Händen.

Bewusst gefangen im Gezeitenschein
wird sich das Vorher in das Nachher wenden,
dazwischen liegt ein kleines bisschen Sein.
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)




Geändert von Falderwald (02.02.2015 um 21:26 Uhr) Grund: Veränderung nach umfangreicher Kritik
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Alt 26.01.2015, 22:25   #2
Chavali
ADäquat
 
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Moin Faldi,

was für ein Philosophisches!

Das Thema - die Zeit - tritt erst im letzten Terzett an die Oberfläche.
Die Schicksalgöttin Fortuna hat ihre Hand im Spiel mit den Elementen.
Der Mensch kann gar nichts tun, wenn er sich auch immer mal gern als Herrscher über
das Schicksal aufspielen will.

Und das kleine bisschen Sein - das ist unser eigenes Leben.

Dein Sonett ist in der Mischung Denkwissenschaft und lyrischer Poesie etwas Einmaliges.

Aufgabe erfüllt in bemerkenswerter Weise.

Lieben Gruß,
Chavi


__________________
.
© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*
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Alt 26.01.2015, 22:35   #3
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Faldi!

Wäre als Titel "O Tempora" nicht sinnvoller gewesen?

So glaubt man, die Quartette würden das Glück beschreiben, aber wenn ich das so lese, scheint mir eindeutig die Zeit hier verdeutlicht zu werden.

Chavali glaubt wahrscheinlich auch des irreführenden Titels wegen, dass das eigentliche Thema erst im letzten Terzett zutage tritt. Ich glaube das nicht - im ganzen Gedicht geht es um Zeit! (Oder versuchst du mit diesem Trick, Zeit mit Glück gleichzusetzen???)

Daher mein Schluss: Du hast möglicherweise die lateinischen Begriffe für Glück und Zeit verwechselt?

Kleinigkeiten:

Ein paar Stellen erscheinen mir recht sperrig. zB. "Veränderungsverpflichtung" klingt wie aus einem Gesetzesparagraphen zitiert - alles andere als lyrisch!

"Gezeitenschein" funzt als Bild bei mir nicht. Zum einen denke ich bei "Gezeiten" gerade in zusammengesetzter Form eher an Ebbe und Flut denn an Zeitenläufte, und einen "Schein" kann ich weder mit dem einen noch mit dem anderen verbinden: Weder Tiden noch Zeitalter "leuchten" für mich oder werfen einen Schein. Eine "leuchtende Ära" mag es dann und wann geben, aber ein allgemein gehaltener Begriff wie "Gezeiten" scheint mir zu indifferent, um irgendwie leuchtend zu sein. Das ist eher was Spezielles für besonders hervorstechende Zeitabschnitte.

Insgesamt aber ein schönes und inhaltlich gut durchdachtes Sonett!

Sehr gern gelesen!

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (27.01.2015 um 19:54 Uhr)
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Alt 29.01.2015, 02:00   #4
Nachteule
geehrt und gefiedert
 
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Hallo Falderwald,

ein Sonett, wer hätte das gedacht.

Ich bin mir auch nicht ganz sicher, ob die Schicksals und Glücksgöttin hier als Titel wirklich passt, bestätige aber die Einschätzung, dass es eigentlich von Anfang an um Zeit geht. Das Bild, dass die Zeit in einen Schacht stürzt gefällt mir eigentlich. Vielleicht ist es ja ein "Endlosschacht", der die Unendlichkeit darstellt? Das würde das unbestimmte "tiefen" wegmachen.

Richtung/Verrichtung ist für mich ein identische Reim. Also quasi keiner.

Zitat:
doch was sie schafft, bringt sie auch zur Vernichtung,
Statt "bringt", das für mich recht hart klingt, würde ich "führt" schreiben.

Das sollte für die Uhrzeit genügen. XD

nächtlicher Gruß, gutes nächtle und carpe noctem
Nachteule
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Alt 29.01.2015, 02:47   #5
Claudi
Senf-Ei
 
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Beiträge: 861
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Moin Faldi,

welche Deine absolute Lieblingsgedichtform ist, wissen wir alle, und ich hab nichts gegen Deine Vorliebe einzuwenden. Immer wieder die gleichen Dinge zu kritisieren, die Du offenbar anders siehst, wäre auch nur nervig für beide Seiten. Zu identischem Reim und zu Inversionen (speziell die Trennung des Reflexivpronomens vom Verb, was ich persönlich so schlimm finde, dass ich solche Werke normalerweise gar nicht kommentiere)) hatte ich mich schon mal geäußert.

Hier kommt leider noch ein neuer Punkt hinzu: Den Nominalstil, der für meinen Geschmack sowieso schon unschön ist, ausgerechnet in einem Sonett vorzufinden, noch dazu viermal "ung" im Endreim zu lesen, macht mir keine Freude.

Nichts für ungut, aber ich weiß, dass Du es besser kannst. Das Thema hast Du nicht mittig, aber immerhin noch einigermaßen getroffen. Aber zum Schuss noch ein großes Kompliment für Deine lyrischen Ambitionen. Du hast die Zeit beschrieben, ohne das Wort selbst (die Gezeiten sind hiermit entschuldigt ) auch nur ein einziges Mal zu strapazieren. DAS hätte gute Lyrik werden können.

Ich freu mich aufs nächste Mal!

Liebe Grüße
Claudi
__________________
.
Rasple die Süßholzwurzel so fein, dass es staubt, in den reichlich
Abgestandenen Quark; darüber verträufele Wermut,
Bis aus dem Rührwerk, Burps! endlich das Bäuerchen kommt.

Geändert von Claudi (29.01.2015 um 02:52 Uhr)
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Alt 02.02.2015, 21:40   #6
Falderwald
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Hi Chavi,

du hast den Kern dieses Sonettes erfasst.
Allerdings muss ich sagen, dass die Zeit eigentlich in allen Strophen eine vordergründige Rolle spielt.

Der Titel "O Fortuna!" mag hierbei tatsächlich etwas irreführend sein.
Da hier aber mit diesem eigentlich das Schicksal selbst und nicht die Schicksalsgöttin gemeint ist, werde ich den Titel dementsprechend ändern, damit es klarer wird.
Der lateinische Begriff "Fortuna" heißt ja übersetzt Schicksal, Zufall, Glück und wird in der Fortuna ja nur personifiziert.
Aber das Letztere liegt ja eigentlich näher, mea culpa.

Ich freue mich, dass dir der Text gefallen konnte und bedanke mich für deine Antwort...


Servus Erich,

zum Titel habe ich mich in der Antwort an Chavali schon geäußert.
"Tempora" war hier nicht gemeint, sondern wirklich "Fortuna".
Allerdings nicht personifiziert sondern wörtlich übersetzt --> Schicksal.
Ich werde ihn dementsprechend ändern.

Die Begriffe habe ich also ganz bestimmt nicht verwechselt.

Die Anmerkungen bezüglich "Veränderungsverpflichtung" und "Gezeitenschein" kann ich ebenfalls gut nachvollziehen, obwohl mir beide Begriffe durchaus sinnvoll erschienen.
Mit dem ersten sollte tatsächlich etwas Gesetzmäßiges ausgedrückt werden, mit dem zweiten wollte ich ein Bild von etwas regelmäßig Ablaufenden wie eben Ebbe und Flut ausdrücken.
Da diese Bilder nicht unbedingt beim Leser funktionieren, werde ich auch diese abändern.

Ich stimme dir zu, dass es im gesamten Gedicht um die Zeit geht und freue mich, dass es bei dir Anklang finden konnte.
Ich hoffe auch noch nach der Veränderung.

Vielen Dank für deine Gedanken zum Thema...


Hi Nachteule,

zum Titelbild habe ich mich schon weiter oben geäußert, ich werde es im Anschluss ändern.

Wenn man es genau nimmt, ist Richtung/ Verrichtung trotz unterschiedlicher Bedeutung der Begriffe kein richtiger Reim, weshalb ich das auch umstellen werde.
An der anderen Stelle wird es dann wieder zum Reim.

Das "führt" werde ich gern übernehmen, das klingt "vürnehmer".

Vielen Dank für deine Anmerkungen zum Text...


Moin Claudi,

ja, die Inversion ist tatsächlich nicht besonders schön. Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht, dabei ist das relativ leicht zu ändern, wie unschwer an der überarbeiteten Fassung zu erkennen ist.

Das und die "identischen" Reime sind nun vordergründig beseitigt, so hoffe ich nun, dass dies auch deinen Anklang finden wird.

Allerdings verstehe ich nicht ganz, was an vier mal "(ich)tung" anders sein soll, als an vier mal (en)ken, "(es)sern, ei(ben) etc...
Das, denke ich, bleibt wohl reine Geschmackssache und darüber kann man ja nun wirklich nicht ernsthaft diskutieren.
Die Begriffe gibt es nun einmal und sie lassen sich reimen wie alle anderen auch.

Bis auf die "ung" Endungen habe ich auch jeglicher Kritik, die in diesem Faden zusammenkam, Rechnung getragen und nun der alten eine neue Version vorangestellt, die hoffentlich besser zu gefallen weiß.

Auch dir vielen Dank für die kritischen Äußerungen, nur so kommt man letztlich weiter...


Vielen Dank für eure Kommentare...



Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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