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Alt 28.08.2016, 09:09   #22
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Servus Erich,

ich habe mir sowohl den Text als auch die Kommentare durchgelesen und bin zu der Überzeugung gekommen, dass sich sehr viele Menschen in dem Text durchaus wiederfinden können, nein besser, dass sich alle Menschen in der ein oder anderen Weise an die eigene Nase fassen können, denn die Interpretationsmöglichkeiten dieses Sonnetts gehen meiner Meinung nach weit über das von dir gebrachte Eigenbeispiel hinaus.

Im Text geht es ja nicht nur um körperliche Gewalt, sondern ganz allgemein um Dinge, die man im Laufe des Lebens getan (oder auch vielleicht unterlassen) hat und die einem im Nachhinein schwer zu schaffen machen.

Und ich kenne niemanden, der nicht auf die ein oder andere Weise gefehlt hätte. Wer das von sich behauptet, der ist nicht ehrlich, den anderen gegenüber und sich selbst gegenüber schon mal gar nicht.
Vielleicht kann er es auch nur nicht, aber wir sind alle keine Englein, die ihr Leben immer nur treu und brav gestaltet haben.

Ich kann mich an dieser Stelle ebenfalls outen, auch wenn es sich nicht um eine Gewalttat im eigentlichen Sinne handelte, nicht mal um einen Gesetzesverstoß, aber es war eine unmoralische Handlung, die mir schwer auf dem Gewissen lastete.
Wahrscheinlich war ich als junger Mann noch zu unerfahren und unreif und viel zu egoistisch, denn ich habe eine ehrliche und aufrichtige Liebe getötet.
Das war aber nicht das Schlimmste daran, sondern die Art und Weise, wie das geschehen ist, denn es hat die Betroffene ins Unglück gestürzt und sie viel von ihrem Selbstbewusstsein gekostet.
Es hat lange gebraucht, aber es lastete auf meinem Gewissen.

Vor einiger Zeit schon hat mir die entsprechende Person dies mit klaren Worten mitgeteilt, denn sie musste sich das einmal von der Seele reden. Ich war sehr erschüttert darüber. Nicht weil sie es getan hatte, sondern weil sie mit allem Recht hatte.

Das hat sehr an mir genagt, nicht zuletzt, weil meine Handlung ja auch nur ein Schritt auf dem Weg war, den ich bisher gegangen bin und der mich bis hierhin geführt hat. Letztendlich habe ich davon profitiert.

Das ist eine Angelegenheit, die ich mir selbst niemals verzeihen werden kann. Aber vor ein paar Wochen habe ich auf meiner Reise in die alte Heimat mit dieser Person das Gespräch gesucht und mir ist verziehen worden.

Vielleicht habe ich es auch geschafft, ihr Selbstbewusstsein wieder ein wenig aufzubauen, so hoffe ich zumindest, aber mir hat es auf jeden Fall geholfen.

Und dennoch wird dies der Apostel meines Abgrundes bleiben.

In diesem Sinne hat mir dein Sonett gut gefallen, denn es bietet Raum für Selbstbetrachtung und eine Auseinandersetzung mit dem Dasein der eigenen Schattenseiten.


Gern gelesen, reflektiert und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald


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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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