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Alt 29.12.2013, 10:17   #19
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Faldi!

Ich verstehe, dass du enttäuscht bist ob meiner Uneinsichtigkeit, aber ich versuchte es dir ja zu erklären: Ich war mir sicher, nichts falsch gemacht zu haben, während du darauf bestandest, es müsse ein Fehler sein.

Ich habe nun einen in diesen Dingen sehr bewanderten - man kann schon sagen - Fachmann befragt, und er sandte mir diese Antwort:


Zuerst müssen wir feststellen, daß es sich bei "in Abendrot" nicht um ein Objekt handelt, womit die Frage nach Dativ- oder Akkusativobjekt im Ansatz falsch gestellt ist. Es ergäbe keinen Sinn, das Abendrot als Objekt zu erfragen. "Wem ist der Tag verglommen?" Sicher nicht dem Abendrot, was auch keinen Sinn ergibt, also haben wir kein Dativobjekt. Des weiteren ist "verglimmen" kein transitives Verb (eins, das ein Akkusativobjekt haben und ins Passiv gesetzt werden kann), womit sich die Frage nach dem Akkusativobjekt auch als sinnlos erledigt. Ein Akkusativobjekt haben wir also auch nicht. Man kann weder einem Abendrot (wem?) etwas verglimmen, noch kann man ein Abendrot (wen oder was?) verglimmen.

Halten wir fest: die Wendung "in Abendrot" ist kein Objekt, weder Dativ noch Akkusativ.
Wir haben es vielmehr mit einer adverbialen Bestimmung zu tun.

Und damit kommen Dativ und Akkusativ wieder zum Zuge.

Für Adverbiale Bestimmungen mit Orts- oder Richtungspräposition gilt grundsätzlich:
Dativ = Ortsangabe
Akkusativ = Angabe von Richtung und Ziel

Dativ wäre die statische Ortsangabe, wo verglimmt der Tag? Im Abendrot. So versteht es jedenfalls dein Kontrahent, und er liegt damit auch absolut nicht falsch. So kann man es problemlos und völlig korrekt machen. Intuitiv hätte ich auch Dativ gewählt. Etwas verglimmt - wo? - im Abendrot, Ortsangabe, Dativ, nichts daran auszusetzen, alles bestens.

Akkusativ bezeichnet dagegen eine Ziel- oder Richtungsangabe, kein wo? sondern ein wohin, in welche Richtung, auf welches Ziel zu? Und so kannst du die Grammatik deiner lyrischen Aussage verteidigen. Dein Tag, so verstehe ich deine Aussageabsicht, ist "in etwas hinein, zu etwas hin" verglommen, nämlich in das Abendrot, also Akkusativ, im Sinne einer Transformation in eine Richtung oder auf ein Ziel hin, so wie du sinngemäß selber schon argumentiert hast.

Wem das zu konstruiert erscheint, der halte sich die völlig parallele Konstruktion "in Rauch auflösen" vor Augen. Da geschieht grammatisch genau das gleiche. Etwas kann sich wohl auch auch "im" Rauch auflösen, wo?, Dativ, Ortsangabe, aber die Transformation auf ein Ziel, ein Resultat hin, steht im Vordergrund der Aussage, also "in Rauch", Akkusativ, Zielangabe. Und so, wie sich etwas in Rauch auflöst, so verglimmt dein Tag in Abendrot. Das ist vielleicht etwas ungewöhnlich beim Lesen, da das innere Ohr intuitiv eher "im" und den Dativ erwarten würde, aber inkorrekt ist es keineswegs.


Beachte bitte vor allem die letzten 5 Worte dieser Expertise.

Ich hatte ja, wie er erwähnt, sogar schon in dieser Richtung argumentiert, allerdings eben bloss intuitiv, weil ich diesbezüglich nicht so gebildet bin. Deshalb versuchte ich mich auch in jeder denkbaren Richtung zu rechtfertigen, was du natürlich kompetent zu widerlegen wusstest. Dennoch war und blieb ich mir instinktiv sicher, dass ich nichts falsch gemacht hatte.
Ich konnte allerdings selbst nicht den Finger drauf legen, warum.

Ich hoffe, diese Erklärung nun kann deinen bohrenden Ehrgeiz in dieser Sache zufriedenstellen. Vielen Dank für die aufgebrachte Mühe - das zeigt deutlich, dass ich und meine Kunst dir nicht egal sind. Für Dichter und deren Ergüsse, die man der Sache nicht für wert erachtet, würde man sich wohl nicht derart nachhaltig engagieren! Darum Lob und Dank an dein hartnäckiges Insistieren!

LG, eKy
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