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Alt 29.12.2011, 18:06   #3
Stimme der Zeit
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Vielen Dank, liebe fee:

Zitat:
toll! was für ein spannendes formales schema, stimme,

das den inhalt sehr lebendig macht, und dennoch immer wieder passagen abschließt und zusammenführt!
Du kennst das sicher auch, dass du eine "Ursprungsidee" im Kopf hast (ich dachte an ein Sonett) und dann kommt etwas anderes dabei heraus. Hier saß ich bei der zweiten Strophe vor einem Paarreim, der mir aber gefiel; dann dachte ich, gut, mal sehen - und ein bisschen länger wurde es dann auch ...
Das ist wieder eines der Gedichte, das sich beim "Schreiben" aus"formt". Auch, was den Inhalt betrifft. Ich nenne es für mich selbst "eines von den Gedichten, die sich selbstständig machen".

Zitat:
der umarmende reim der strophen mit vier zeilen im wechsel mit den dreizeilgen, eingeschobenen strophen, deren reim erst übergreifend wiederum im wechsel mit einer zweiten eingeschobenen dreizeiler-strophen-gruppe eintritt, macht die sache wirklich spannend zu lesen.

vor allem, weil es so metrisch einwandfrei geschrieben ist, dass man schon im voraus weiß, der reim muss kommen. ihn dann erst weit hinten zu finden, wo er trotz weiten abstandes wirkt, zeugt von der gekonnten sprache und metrik sowie strukturierung.
Es freut mich sehr, wenn das gelungen ist. Man könnte sagen, das Gedicht besteht (gewissermaßen) aus "halben Sonetten", und ich nahm ein weiteres Quartett als letzte Strophe, die auch eine Art "Antithese" ist. Abgesehen von den Terzetten, in denen ich zuerst zwei Waisen hatte, aber im dritten feststellte, dass sich der dritte Vers mit dem letzten Vers des ersten Terzetts reimt und daraufhin auch das zweite und vierte Terzett mit einem "terzettübergreifenden" Reim enden ließ. Ansonsten ist der Inhalt, wie es bei mir in solchen Fällen immer ist, "in die Form geflossen". (Das ist bei mir "teil-teils" so, in anderen Gedichten ergibt sich die Form aus dem Inhalt.) Der letzte, einzelne Vers war ein "Impuls", ganz spontan, ich hatte das Gefühl, da "fehlt noch etwas".

Die Reimstruktur hast du sehr gut erkannt, bis auf eine Kleinigkeit: In der antithetisch angelegten letzten Strophe führen die Endreime zurück, also das "Licht" zum "Jenseitslicht" im 2. Quartett. Das Reimschema am Ende des Gedichts ist also:

eppe
e

Ansonsten sehr gut erkannt. (Wusste ich's doch. )


Zitat:
dass die reimzeilen h und d erst in so großen abständen ihre entsprechung finden, fällt während des lesens nicht auf. der reim wird sofort und als logisch erkannt. ganz toll gemacht find ich das.
Das hängt mit mehreren Faktoren zusammen, zum Teil, weil es ein durchgängiger Rhythmus ist, zum Teil, weil ein Sonett ein "Klanggedicht" mit einer bestimmten "Melodie" ist (was auch hier zutrifft), und zum Teil, weil die letzten Verse in den Terzetten 1 und 2 starke Zäsuren besitzen und so der Rhythmus deutlicher empfunden wird. Außerdem enthalten dort alle Endreime den Vokal "e" und sie besitzen auch identische Anfangs- bzw. Binnenreime, die auch gleichzeitig als Repetitio (Wiederholung) dienen - das Wort "sie": Sie schleifen, sie gehen, sie lächeln, sie sagen, sie krächzen, sie wandeln, sie trinken - mit "Unterbrechung", das verhindert "Eintönigkeit". "Unstillbar" sowie "und predigen" sind ohne "Sie" (beginnen aber mit "un..."), und alle diese Verben enden mit "en". Wobei auch das Wort "hier" in den Terzetten gewollt wiederholt ist.

Das ist mit der Grund, warum ich schon mit Blankversen gearbeitet habe - über Reimstrukturen und deren Wirkung kann man viel lernen, wenn man sich darin übt, zu "reimen ohne zu reimen". Konsonanten, Vokale, rhetorische Stillmittel - so, wie in modernen Gedichten ebenfalls , hat alles seine "Wirkung". Da gibt es mehr "Gemeinsamkeiten", als häufig gedacht wird, sofern man mal die "Unterschiede" aus dem Fokus nimmt.

Zitat:
auch der versuch, durch alliteration den text klanglich zusammenzuhalten, ist voll geglückt.

die gewählte hebungszahl und metrik der einzelnen verse passt zur kritischen betrachtung der schwarzroben-"raben" und ihrer "religion", die sie verbiegen, wie sie sie brauchen.
Der fünfhebige Jambus ist ein sehr flexibles Versmaß, das sich gut für den "Transport" unterschiedlichster Inhalte eignet. Ich habe zwar schon ein lustiges Sonett geschrieben, aber im Nachhinein festgestellt, dass das so ziemlich das Einzige ist, wofür sich dieses Versmaß nicht "wirklich" gut eignet.

Ich arbeite sehr gerne mit Alliterationen, wobei es überhaupt nicht stimmt, wie ich schon öfters las, dass sie automatisch "heiter" wirken. Es kommt auf das "Maß" an, Übertreibung ist natürlich nicht das Wahre. Auch rhetorische Stilmittel haben klassische und moderne Dichtkunst "gemeinsam".

Ja, die "Raben". Weißt du, ich habe ein persönliches Problem mit Religionen und deren "Organisationen"; mit Hierarchien, Machtmissbrauch, Dogmen, emotionaler Erpressung, dem "Zuckerbrot und Peitsche-Prinzip" und deren "Machtinhabern" bzw. "(Stell)vertretern" - nicht mit dem Glauben des Einzelnen. Gegen solche "Herrschaftsstrukturen" ziehe ich durchaus mit meiner "Feder ins Feld" - dabei fließt kein Menschenblut.

Zitat:
die letzte strophe samt schlussatz finde ich klanglich ein absolutes highlight und somit einen würdigen abschluss!!!
Gewollte Wiederholungen besitzen eine "verstärkende" Wirkung und ja, sie unterstützen den Klang, du hast ein gutes "Lesegehör", mein Kompliment.

Hier handelt es sich um ein Stilmittel namens "Anapher": Es gibt ..., es gibt ..., es gibt ... . Die Vokale sind etwas, das selten Beachtung findet, aber auch sie üben, meist ganz "unbemerkt" eine starke Wirkung aus. In der letzten Strophe in den Versanfängen, in der Anapher und in den Endreimen sind es e und i, abgesehen von der Ausnahme "das Auge der Vernunft", das aber eine Antithese zu den "kalten, leeren Quarzaugen" im 3. Quartett darstellt. Ich ordne also durchaus die Form auch dem Inhalt "unter" und unterbreche hier das "Vokalisationsmuster".

Zitat:
lediglich eine einzige zeile ist mir aufgefallen, da sie in formulierung oder setzung leicht missverständlich ist:

Zitat:
Zitat von Stimme der Zeit
ergebt euch und vermehrt euch sei Gebot;
gemeint sind, wenn ich es recht verstehe, zwei gebote: "ergebt euch" spwie "vermehret euch". so, wie es da steht, bin ich aber versucht, das "vermehrt" als adjektiv zum "sein" des gebots zu lesen, im sinne von

"ergebt euch und euch sei vermehrt (=besonders stark) das Gebot zu verhungern, liebe Kinder..."

ich erkenne die zwei separaten gebote im aktuellen satzbau so nicht.


Zitat:
"ergebet und vermehrt euch" sei Gebot
vielleicht kann man es ja mit anführungszeichen verdeutlichen, dass hier zwei gebote gemeint sind. durch das "sei", das ja die einzahl andeutet, bin ich eben auf die falsche fährte gelockt worden.
*Kopfkratz* Jetzt bringst du mich ins Grübeln, denn eigentlich hast du ja recht. Ich dachte, dass das Bindewort "und" genügt, um den Inhalt erkennbar zu "zweiteilen", also gewissermaßen jedes Gebot zu "separieren". Ich dachte mir das so:

ergebt euch [...], sei Gebot; (als ein Gebot)
vermehrt euch, sei Gebot; (als ein Gebot)

"verbunden und getrennt" durch das "und", das ja auch (theoretisch) durch ein Komma "ersetzt" werden kann - was hier natürlich das Versmaß nicht zulässt. Ich wollte das "Gebot" als Endreim. Wobei ich auch wieder etwas "gegenüberstellte und rückführte", denn im 2. Quartett ist "ergeben" eher im Sinn von "resignieren" gedacht, während "ergebt euch" hier eher in Richtung "Drohung" impliziert ist. Das jetzt zu ändern, stellt mich vor ein echtes Problem ...

Aber wenn der "Einzelbezug" nicht ersichtlich ist, muss ich darüber noch einmal gründlich nachdenken. Im Moment stehe ich da nämlich "auf dem Schlauch", denn ich muss eine zumindest ähnliche Alternative finden, die vielleicht mit einem anderen Teil des vorhergehenden Textes "korrespondiert". Ich werde also etwas Zeit brauchen, bis ich eine mögliche Alternative vorschlagen kann.

Zitat:
oh. die gäste sind da. ich muss aufhören.
Ich hoffe, du hattest einen schönen Tag mit deinen Gästen.

Vielen Dank für deinen aufmerksamen Kommentar und für dein Lob!

Liebe Grüße

Stimme
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Geändert von Stimme der Zeit (29.12.2011 um 18:46 Uhr) Grund: Kleine Änderung.
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