Thema: dumm gelaufen
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Alt 26.11.2011, 15:43   #2
Stimme der Zeit
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Hallo, wolo,

du weißt ja, dass ich auch "anderswo" lese. Dort erfuhr ich, dass es sich hier um ein Akrostichon handelt. (Ohne Angabe: Ich hätte nach einer Besonderheit gesucht, denn hier hast du es unter "Besondere Formen" gepostet, obwohl die Struktur an sich ein "normaler" - ja, doofes Wort - sechshebiger Jambus ist.)

Wobei ich finde, du hast hier einen guten Rhythmus drin, auch wenn es kein Alexandriner ist (dabei müssten die Zäsuren genau nach der 6. Silbe sitzen, bei dir sind sie (fast immer) nach der 7.). Es klingt gut, aber ich zeige mal auf, wo die Zäsuren ein wenig "beeinträchtigen":

Zitat:
du dachtest wohl in deiner / blinden liebe einfalt
unendlich währte meine / treue, bis wir steinalt
mit morschen knochen schliesslich / arm in arm den letzten
makabren tango tanzten, / dann uns keuchend setzten,
gemeinsam an die künftig / hinterbliebnen lieben
ein blatt mit abschiedsworten / voller trost beschrieben,
legaler sterbehelfer / tränklein zu uns nähmen,
am ende uns umschlängen / ohne uns zu schämen,
um ganz gewiss als paar / bei petrus anzuklopfen? - hier ist es ein Alexandriner
für einmal bleibt die i / ro / nie als dicker pfropfen - hier ist ein "Rhythmus-Holperer", Zäsur nach der 6. oder 7. Silbe? Unklar, es "geht" beides
erstickt im hals drin stecken. / und ich muss gestehen:
naiv schlägt zynisch, wenn von nah besehen. - hier sind es nur 11 Silben, ein fünfhebiger Jambus.
Also zum Formalen würde ich sagen, gut gemacht, nur an den drei Versen könntest du noch etwas "feilen", dann wäre der "Klang" noch ein wenig "optimaler".

Für den letzten Vers kann ich Vorschläge machen:

naiv schlägt letztlich zynisch, wenn von nah besehen
naiv schlägt immer zynisch, wenn von nah besehen

(Wenn du die Aussage jedoch etwas "relativieren" möchtest, kämen z. B. auch "häufig" oder "meistens" in Frage.)

Bei den anderen Versen ist das nicht so einfach, da du ja den Anfangsbuchstaben beibehalten musst, und ich generell die Verse von jemand Anderem nicht umschreibe. Ich ändere lediglich evt. die Reihenfolge (bei Inversionen) oder ich füge ein Wort hinzu bzw. nehme eines heraus. Wobei das hier ohnehin keine "echten" Fehler sind, sondern nur "kleine Schwachstellen".

Die Paarreime passen gut zum "LI-LD"-Paar-Thema und ich habe auch die Alliterationen, Assonanzen, die "geflügelten Worte", die Redensarten u.s.w. bemerkt, denke aber: Selbst ist der Leser!

Was den Inhalt betrifft: Naiv ist ein Wort, das ich nicht gerne verwende. "Echte" Naivität ist seltener, als man denkt. Wobei ich Dummheit ausklammern möchte, sie ist etwas anderes. Ich habe in meinem Leben festgestellt, dass Naivität nicht selten nur ein "vorgetäuschtes Mittel zum Zweck" ist, diese Menschen finden immer jemanden, der für sie die Probleme beseitigt und kommen so beträchtlich leichter durchs Leben ...

War es, hier im Gedicht, wirklich "blinder Liebe Einfalt"? Am Ende bekommt das LD schließlich das, was es wollte, oder?

Und mir scheint, das Ende des Gedichts deutet genau auf diese Lesart hin. Interessant, dass "naiv schlägt zynisch" mit einer zynischen Betrachtungsweise bedacht wird ...

Gerne gelesen und kommentiert.

Liebe Grüße

Stimme
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Geändert von Stimme der Zeit (26.11.2011 um 15:47 Uhr) Grund: Kleine Ergänzung.
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